Gut 300 Leute, die Mehrzahl in ihren Zwanzigerjahren, demonstrierten am Samstag gegen eine Verlängerung der Sperrzeit. Ganz schlecht kam die CSU bei ihnen weg, nicht nur wegen dem drohenden früheren Schankschluss.
Die Route war kurz: vom Hauptbahnhof durch die Kaiser- und die Theaterstraße zum QR-Platz in der Eichhornstraße. An der Zugspitze wehten Fahnen von der Linkspartei und, die größte Fahne von allen, von der SPD. Dass alle SPD-Ratsmitglieder im Bau- und Ordnungsausschuss dem Plan zugestimmt haben, dessen Folge der frühere Schankschluss sein könnte, war kein Thema.
"Auf der Alten Mainbrücke darf gesoffen werden, da kommt ja Geld rein"
Sebastian Roth - Stadtrat Die Linke
Joachim Schulz, Macher der Posthalle und SPD-Ratsmitglied, war nicht im Bau- und Ordnungsausschuss dabei. In seiner Rede zur Abschlusskundgebung sagte er, der beschlossene Plan der Stadtverwaltung sei "aktuell in Ordnung". Die Verwaltung habe lediglich eine "Handlungsvollmacht" bekommen, um besonders an den Brennpunkten untere Juliuspromenade und Sanderstraße "reagieren zu können".
Zum geschlossenen Plan gehört, dass Gastronomen und Nachtschwärmer drei Monate Zeit haben, nächtens für Ruhe vor den Kneipen, Clubs und Bars zu sorgen. Gelingt das nicht, soll die allgemeine Sperrzeitverlängerung kommen, befürchten die Organisatoren. Die Stadtverwaltung widerspricht dem allerdings in einer Pressemitteilung. Carsten Schmitt, Chef des Lomar und Sprecher der Gastronomen in der Sanderstraße, sagte dazu im Gespräch mit dieser Redaktion: "Das ist unmöglich in einem Vierteljahr." Was jetzt ist, habe sich in mehr als zehn Jahren entwickelt. "Diese Kultur zu verändern und zu verbessern" benötige Überzeugungsarbeit und mehr Zeit.
Im Bau- und Ordnungsausschuss stimmte nur Michael Gerr (Grüne) gegen den Plan, alle anderen, CSU, SPD, FDP ÖDP, ZfW waren und zwei Grüne stimmten dafür. Trotzdem bekam nur die CSU ihr Fett ab. Die Fraktion hatte beantragt zu prüfen, wie das nächtliche Ruhebedürfnis von Anwohnern geschützt werden könne. Der umstrittene Plan ist die Antwort der Stadtverwaltung auf diese Frage.
Jojo Schulz: CSU-Antrag ist eine Provokation
Schulz nannte den CSU-Antrag eine Provokation. Er unterstellte, "denen geht es um eine allgemeine Sperrzeitverlängerung, und die gilt es abzulehnen". Pauline Vogel, Sprecherin der Grünen Jugend, sprach zu den Demonstrierenden, "die CSU möchte ihre Law-und-Order-Politik weiter durchsetzen", sie wolle "uns unsere Freiräume wegnehmen". Die Partei verrenne sich in "vermeintliche Sicherheitsmaßnahmen, die vollkommen nutzlos sind".
Dass ein früherer Schankschluss keine frühere Ruhe bringe, sagen auch die Wirte. Loma-Chef Schmitt meint, die Leute betränken sich dann schneller. Jetzt verteilten sie sich. Sei aber "um Punkt 3 Uhr alles auf einmal zu, stände die ganze Sanderstraße zu", es gebe "Chaos und heilloses Durcheinander, eine Ansammlung von Menschen, und das Konflikt- und Gewaltpotential wäre größer." Die Gastronomen seien sich einig, stattdessen zum Beispiel Schallschutzvorhänge aufzuhängen und "Silencer" - wörtlich: Stillmacher - auf die Straßen zu schicken. Die sollen an die Vernunft der Lärmenden appellieren, "damit auch die Leute zu ihrem Recht kommen, die schlafen wollen".
Sebastian Roth: CSU-Antrag ist völliger Quatsch
Dritter Redner der Abschlusskundgebung war Sebastian Roth, Stadtratsmitglied der Linkspartei und nicht Mitglied des Bau- und Ordnungsausschusses. Er bezeichnete den Antrag der CSU als "völligen Quatsch". Ein Tarnantrag sei das, tatsächlich wolle die CSU "das studentische Leben stark beschneiden". Kritisierten seine Vorredner die CSU, ernteten sie starken Beifall. Dutzende Zuhörer riefen im Chor: "Was will ich? Was willst du? Das Verbot der CSU!" Roth setzte einen drauf, indem er zur Wehr "gegen diese Bevormundungspolitik, gegen diese altbackenen, starrsinnigen Besserwisser von der CSU" aufrief.
Schulz und Roth erinnerten an das Alkoholverbot auf der Leonhard-Frank-Promenade, "aber auf der Alten Mainbrücke darf gesoffen werden, da kommt ja Geld rein" (Roth). Roth erinnerte an den Versuch von CSU-Ratsmitgliedern vor zwei Jahren, bettelnde Jugendliche vom Hauptbahnhof zu vertreiben. Vogel sagte: "Nur weil ein paar ältere Herrschaften im Stadtrat der Meinung sind, dass die Verlängerung der Sperrstunde notwendig sei, wird jetzt mal wieder unsere Freiheit eingeschränkt."
Die meistbejubelte Rede hielt der Mitarbeiter einer Kneipe in einer Seitengasse der Sanderstraße. Er heiße Leon, sagte er, und dass er privat spreche. Er besorgte den großen, von Beifallstürmen unterbrochenen Aufwasch. Die Konservativen würden seit Jahren „unter dem Deckmantel der Sicherheit unsere Freiheitsrechte einschränken“. Er nannte das Polizeiaufgabengesetz, den Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform, „und den Weinautomaten haben sie uns auch weggenommen!“ Er protestierte gegen die Razzia auf der Hafentreppe und das stundenlange Festhalten von rund 130 Jugendlichen, forderte Unterstützung für #FridaysforFuture“ und Demonstrationen gegen Nazis und bekam Riesenjubel und -beifall.