würzburg (pw) Auch der Stadtjugendring (SJR) Würzburg bekommt die katastrophale Haushaltslage der Stadt immer stärker zu spüren. So wurde der nach langwierigen Verhandlungen zum 1. Januar 2002 abgeschlossene Grundlagenvertrag zwischen der Stadt und dem SJR "wieder einmal gekündigt", teilte SJR-Vorsitzender Jochen Wahlen bei der Herbst-Vollversammlung des Verbandes mit.
Der derzeitige Vertrag, in dem hauptsächlich die finanzielle Ausstattung des Stadtjugendrings durch städtische Mittel geregelt wird, läuft noch bis Ende 2004. Es gebe Signale aus dem Rathaus, dass sich zwar "am Status nichts ändern, der Vertrag aber jeweils nur noch ein Jahr laufen soll", sagte Wahlen. Er befürchtet vor allem fehlende Planungssicherheit im finanziellen Bereich, wenn der Grundlagenvertrag jedes Jahr wieder neu ausgehandelt werden muss.
Aber auch im laufenden Haushaltsjahr machen sich die knappen städtischen Kassen bereits deutlich bemerkbar. So wurde auch "aus Spargründen", wie Wahlen betonte, der Posten der SJR-Geschäftsführung erst sechs Wochen nach Beginn des Erziehungsurlaubs von Geschäftsführerin Sieglinde Loos neu besetzt. Seit 15. Oktober kümmert sich Martina Scherer in der Geschäftsstelle in der Münzstraße hauptamtlich um die Belange des SJR und seiner 38 Mitglieds-Verbände. In der sechswöchigen Überbrückungszeit musste sich der ehrenamtliche Vorstand um die Geschäftsführung kümmern. "Die Situation war fatal, das ging an die persönlichen Grenzen", betonte Wahlen.
Aus diesen Gründen mussten nicht nur die Öffnungszeiten der Geschäftsstelle stark eingeschränkt, sondern auch das ursprünglich für November geplante Kinder- und Jugendforum in Versbach auf Anfang des kommenden Jahres verschoben werden. Eine internationale Jugendbegegnung mit Teilnehmern aus Würzburg und den Partnerstädten Caen (Frankreich), Umea (Schweden) und Dundee (Schottland) zum 1300-jährigen Stadtjubiläum im kommenden Jahr muss laut Wahlen "wegen der fehlenden finanziellen Planungssicherheit" ausfallen. Als Ersatzveranstaltung ist jetzt eine Jugendbegegnung mit Frankreich geplant.
Ein weiteres leidiges Thema wie bei vielen SJR-Vollversammlungen zuvor war die eigentlich seit zehn Jahren für alle Städte und Gemeinden gesetzlich vorgeschriebene "Kommunale Jugendhilfeplanung", die in Würzburg immer noch nicht umgesetzt ist. "Durch die Haushaltssituation sind wir lahmgelegt. Es gibt dafür keine Mittel und kein Personal", erläuterte Hartmut Emser vom Fachbereich Jugend und Familie. Sehr zum Entsetzen von Winfried Pletzer vom Bayerischen Jugendring (BJR), der es als "schier unvorstellbar" bezeichnete, dass eine Stadt wie Würzburg die gesetzlichen Vorgaben ignoriert: "Gerade in Zeiten leerer Kassen ist es doch wichtig zu wissen, wo das Geld ausgegeben werden muss!"
Kinder- und Jugendarbeit sei keine freiwillige Leistung, sondern fester Bestandteil der sozialen Infrastruktur und damit Pflichtaufgabe jeder Gemeinde, betonte Pletzer. Nach dem Subsidiaritätsprinzip müssten außerdem die freien Träger bei der offenen Jugendarbeit den Vorrang haben: "Es gibt in ganz Bayern fast keine Kommune, die das besser und billiger machen kann als freie Träger. In Würzburg hat sich leider eine ganz andere Situation entwickelt." Bekanntlich hat die Stadt Anfang 2002 die beiden Jugendzentren in der Lindleinsmühle und auf dem Heuchelhof vom SJR übernommen.