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Würzburg: Standpunkt: Erwachsenenbildung braucht mehr als warme Worte

Würzburg

Standpunkt: Erwachsenenbildung braucht mehr als warme Worte

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    Ein Französischkurs an der Volkshochschule Karlstadt. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung brauchen mehr staatliche Förderung.
    Ein Französischkurs an der Volkshochschule Karlstadt. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung brauchen mehr staatliche Förderung. Foto: Karlheinz Haase

    Volkshochschulen galten über Jahre hinweg als nett. Aber notwendig? Zäh hat sich ein Klischee gehalten, das von Abnehm-, Yoga- oder Malkursen genährt wird. Die gibt es natürlich. Aber die Hauptaufgaben der Erwachsenenbildung liegen woanders. Sie hat sich, in VHS wie bei kirchlichen Trägern, längst geformt zu einem eigenständigen Bildungsbereich außerhalb von Schule, Beruf oder Uni.

    Wer es mit dem lebenslangen Lernen ernst meint, kommt an der Erwachsenenbildung nicht vorbei. Ihr wichtigster Akteur in Bayern sind mit jährlich rund vier Millionen Teilnehmern die 200 Volkshochschulen. Und das seit genau 100 Jahren. 1919 gilt als VHS-Geburtsjahr, damals wurde die Erwachsenenbildung in die Weimarer Verfassung geschrieben. Die Kurse dienen der Persönlichkeitsentwicklung und - so hochtrabend es klingt - einem Menschenrecht: dem Recht auf Bildung, verankert in der UN-Erklärung von 1948.

    Erwachsenenbildung hat Verfassungsrang

    Erwachsenenbildung fordert die bayerische Verfassung (Art. 139), im nun neu gefassten Förderungsgesetz von 1974 heißt es, sie soll "zur Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Menschen beitragen".  Bürgerinnen und Bürger sollen ihr Leben in die Hand nehmen. Sie sollen aktiver Teil eines gesellschaftlichen Wandels sein und sich nicht ausgeliefert fühlen. Man denke nur an Automatisierung und Digitalisierung.  Oder die Internationalisierung: Ohne Sprachkenntnisse keine Verständigung.

    Nicht zu vergessen die gesellschaftspolitischen Herausforderungen mit Fragen wie Klimawandel oder Integration. Hier macht Erwachsenenbildung kritik-, urteils- und handlungsfähig. So gesehen ist sie auch eine Kampfansage an Populisten und einfache (Schein-)Lösungen. Und nicht zuletzt geht es um regionale Strukturpolitik, weil Einrichtungen im ländlichen Raum tendenziell stärker gefördert werden als in den Ballungszentren.

    Hohe Kursgebühren sind unsozial

    All diese wertvolle Arbeit von Volkshochschulen speist ein Freistaat, der sich gern als Musterschüler deutscher Bildungspolitik geriert, mit jährlich 1,18 Euro pro Einwohner (2017) ab, in der Summe für die Erwachsenenbildung mit derzeit 24 Millionen Euro - bei einem Landesetat von gut 60 Milliarden Euro. Ein Armutszeugnis! Nur vier Bundesländer geben pro Kopf noch weniger für die Erwachsenenbildung aus. Skandalös ist dies schon deshalb, weil damit das eigene Gesetz  konterkariert wird: "Niederschwelliger Zugang"? 

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    Wer Volkshochschulen und andere staatlich anerkannte Häuser finanziell im Regen stehen lässt, schafft prekäre Arbeitsverhältnisse für Dozenten und dreht indirekt an der Gebührenschraube für die Kurse. Die Bildungsteilhabe wird eingeschränkt, sie hängt immer mehr vom Geldbeutel ab. Nur weil die Volkshochschulen auch noch den wichtigen Part von Deutsch- und Integrationskursen für Geflüchtete übernehmen, sind ihre Teilnehmerzahlen stabil. Ansonsten ist ein Schwund zu beobachten - "zu teuer", hören die Zuständigen allzu oft.

    Wortbruch gegenüber gemeinsamer Landtagsentschließung

    Die Staatsregierung macht es sich leicht und lässt Kommunen und Landkreise bluten. Die finanzieren ihre Volkshochschulen unterschiedlich intensiv, in Würzburg nur zu zehn Prozent, in anderen Regionen weit über die Hälfte, im Schnitt immerhin zu 30 Prozent. Der Freistaat stiehlt sich mit sieben Prozent aus der Verantwortung. 

    Die Scham darüber war im vergangenen Jahr so groß, dass sich alle Fraktionen im Landtag auf eine Entschließung verständigten: ein Plus von 20 Millionen Euro in vier Jahren. Dass für 2019/20 im Haushalt kaum etwas davon übrig bleiben soll - ein dicker Hund des neuen Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler). Aber noch ist es nicht zu spät. Die Reaktionen auf einen SPD-Dringlichkeitsantrag zeigen: Die Bereitschaft, mehr zu investieren, ist bei allen Fraktionen da. Nur muss sie jetzt im Haushalt festgeschrieben werden. Denn Erwachsenenbildung ist nicht nett. Sie ist notwendig. 

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