Inflation, steigende Mieten, Räumungsklagen: Immer mehr Menschen drohen, in die Obdachlosigkeit abzurutschen. "Die Armut nimmt messbar zu", sagt Kilian Bundschuh, Referent für besondere Lebenslagen bei der Diözese Würzburg. Diese Entwicklung spiegelt sich in allen Beratungsstellen der Diözese wider. "Immer mehr Menschen in Unterfranken sind auf Hilfe angewiesen, sei es durch Wohngeld oder durch einen Zuschuss für die Energiekosten", sagt er. Die extremste Form der Armut ist die Wohnungslosigkeit.
In Würzburg gibt es 870 wohungslose Menschen
Schätzungsweise 50.000 Männer und Frauen leben in Deutschland auf der Straße. Mehr als 600.000 Menschen sind wohnungslos. Das sind Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) aus dem Jahr 2022. Viele von ihnen finden keinen Weg zurück in eine eigene Wohnung. Allein in der Stadt Würzburg gibt es 870 wohnungslose Menschen, die Dunkelziffer liegt wohl weitaus höher. Auf diese Thematik möchte die Diözese Würzburg mit einer Theater-Performance aufmerksam machen.

"Heimat? Straße!", gespielt von Julia Stephanie Schmitt und Boris Ben Siegel, thematisiert Obdachlosigkeit. An drei Abenden lädt das Stück das Publikum zu einem Perspektivwechsel ein. "Wir haben in Notunterkünften, Suppenküchen und an öffentlichen Plätzen mit Obdachlosen gesprochen", sagt Schmitt. In Würzburg sammelten sie Eindrücke in der Wärmestube, einer Einrichtung der ökumenischen Christophorus Gesellschaft, und in der Elisabethstube der Erlöserschwestern und integrieren diese in ihre Performance.

Als wohnungslos gilt auch, wer nachts noch irgendeine andere Art der Unterkunft findet: in Notfalleinrichtungen, Heimen, Frauenhäusern, oder bei Freunden oder Familienmitgliedern. Obdachlos ist, wer auch nachts draußen ist. "Nur ein kleiner Teil der Wohnungslosen ist auch obdachlos, also komplett ohne Unterkunft, lebt auf der Straße, schläft unter Brücken oder in Zelten", erklärt Bundschuh. Diese kleinere Gruppe der Wohnungslosen wird allerdings häufiger in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Performance statt gemütlicher Theaterabend
Wer einen herkömmlichen Spielabend im gemütlichen Theatersessel erwartet, irrt. Die Schauspieler wollen das Publikum zu einem echten Perspektivwechsel anregen. Das Theater-Rechercheprojekt wurde erstmal 2019 zum Ludwigshafener Kultursommer uraufgeführt. Seitdem war es in mehreren Städten zu sehen. "Dabei kann es auch unbequem werden", sagt der Schauspieler Boris Ben Siegel. Es stehen Fragen im Raum: Warum leben Menschen auf der Straße?

Wohnungslosigkeit hat viele Ursachen: Laut der BAG Wohnungslosenhilfe erhielten 57 Prozent der Betroffenen eine Kündigung ihrer Wohnung. Bei 21 Prozent führten Miet- und Energieschulden zur Wohnungslosigkeit. 20 Prozent erlebten Konflikte im Wohnumfeld, und bei 16 Prozent war eine Trennung oder Scheidung der Auslöser. "Wir wollen das Thema in die Öffentlichkeit rücken", bekräftigt Kilian Bundschuh von der Caritas.
Die Performance startet im Innenhof der Würzburger Caritas. Wohin es danach genau geht, wollen die Schauspieler vorab nicht verraten. Denn das ist bereits Teil des Stücks. Nur so viel: "Ein kleines Stück wird man zu Fuß gehen müssen, denn es ist auch örtlich ein echter Perspektivwechsel geplant", verrät Julia Stephanie Schmitt.
"Heimat? Straße!" wird am 17., 18. und 19. Oktober 2024 jeweils um 18 Uhr gespielt. Startpunkt ist der Innenhof des Würzburger Caritashauses (Franziskanergasse 3). Tickets gibt es nur im Vorverkauf bei der Würzburger Dominfo (Domstraße 40) oder per E-Mail an: heimat.strasse@caritas-wuerzburg.de. Sie kosten regulär 22 und ermäßigt 15 Euro.