Werde ich eine große Reise machen? Im Lotto gewinnen? Oder geht mein Auto kaputt? Christa Hammer schenkt eine Tasse Tee ein und schüttelt den Kopf: „Konkrete Ereignisse stehen nicht im Horoskop.“ Stattdessen leitet die Astrologin aus der Konstellation der Sterne, Chancen und Schwerpunkt-Themen der nächsten Monate ab.
„Der Planet Uranus ist ein Rebell mit der Energie eines Sturms“, erklärt die zierliche Frau. Ihr fein gegliederter Finger pocht auf einen der bunten Striche in einem Kreis. Am Rand stehen Symbole für Sonne, Mond und Planeten sowie deren Winkel-Abstände zueinander. Astrologen glauben, dass diese Stellungen Einfluss auf das Wesen der Menschen haben: Wo die Planeten zum Zeitpunkt der Geburt gestanden waren, ist die Grundlage ihrer Deutung. Christa Hammer beschreibt das Geburts-Horoskop als „Regieanweisung für das persönliche Lebens-Theaterstück.“
Statt „stur und konsequent“ wie ich und alle anderen Stiere auf Zucker-Päckchen im Café charakterisiert werden, interpretiert sie aus der bunten Zeichnung des Planetenstandes zur Stunde meiner Geburt „Kraft und Durchsetzungsvermögen, starke Gefühle, den Wunsch nach Freiheit aber auch eine starke innere Stimme als Bremser“.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich die zweite Tasse Tee im hellen Beratungsraum der 51-Jährigen getrunken. Ihre blauen Augen sind sanft und hellwach. Ein Blick, der dazu einlädt, das Herz auszuschütten. „Ich wünsche mir, dass ein Gespräch mit den Klienten entsteht, sonst hängt alles abstrakt in der Luft“, sagt die Astrologin.
Christa Hammer sieht „eine prüfende Energie in meinem sechsten Haus“ und den wachsenden Einfluss des Saturn. „Seit September haben Sie im beruflichen Bereich und im Alltag höhere Belastungen und mehr Verantwortung. Jetzt ist die Zeit reif, diesen Bereich zu überprüfen.“ Tatsächlich hatte ich bis Ende des Jahres viel, aber jetzt keinen Stress. Kein Widerspruch für die Astrologin: Sie beugt sich nochmal über den Saturn. „Die Belastung geht zurück, wird aber erneut kommen.“ Am wichtigsten sei ohnehin die Konsequenz: Die Bereitschaft vieles auf den Prüfstand zu stellen. Eine solche Chance bekäme ich nur alle 26 Jahre.
Das sagt Christa Hammer, nachdem sie den Stand der Sterne zum Zeitpunkt meiner Geburt damit verglichen hat, wo sie jetzt und in der nächster Zeit stehen. Manche Beziehungen kündigen wichtige Weichenstellungen ab. Zum Beispiel den stürmischen Uranus. „Der steht in Opposition zur Geburtsstellung“, erklärt Christa Hammer. Bei mir sei also gerade und auch in nächster Zeit einiges los. Die Bereitschaft etwas zu verändern und Risiken einzugehen sei so groß wie selten in meinem Leben.
Kündigung? Auswandern? Schwangerschaft? „Veränderungen müssen gar nicht so radikal oder äußerlich sichtbar sein. Es geht vor allem darum, alte Muster durch neue zu ersetzen.“ Diese Chance sollte ich wahrnehmen.
Dass es mit dem Uranus doch nicht so heftig wird, wie ich dachte, beruhigt mich. Andererseits bin ich auch ein wenig enttäuscht: Sehr konkret ist meine persönliche Jahresprognose ja nicht. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Menschen, die einen solchen Rat suchen, vor Veränderungen stehen, passt er wohl recht häufig.
„Ein Horoskop eröffnet lediglich Möglichkeiten zum Handeln. Die eigenverantwortliche existenzielle Entscheidung muss jeder für sich treffen“, sagt dazu die Astrologin. Ansonsten wäre das Schicksal ja unabänderlich.
Inzwischen sind zwei Stunden vergangen und der Tee ist kalt. Rund 95 Euro kostet eine astrologische Beratung wie diese. Für knapp zwei Euro pro Minute erzählen selbst ernannte Experten auf zahlreichen Online-Astro-Portalen im Internet wie die Sterne stehen. Im Fernsehen bei „Astro-TV“ „beraten“ Wahrsager, Kartenleger und Sterndeuter Anrufer rund um die Uhr. „Solche Sendungen schaue ich mir gar nicht an, da ärgere ich mich nur“, sagt Christa Hammer. „Das ist gefährlich und unseriös.“
Dass das viele Menschen auch von ihrem Broterwerb sagen, stört die ausgebildete Dolmetscherin nicht. „Die Astrologie hat beobachtet, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Weltall und dem Geschehen auf der Erde gibt“, glaubt Hammer. Einen naturwissenschaftlichen Beweis für diesen Zusammenhang gibt es bislang nicht. Das weiß auch die Würzburgerin: „Man muss nicht an Astrologie glauben, aber man sollte tolerieren, dass andere das tun.“