Nein. In diesen Kinofilm wird Freddie Geier nicht gehen. Zu viel Dichtung. Zu wenig Wahrheit. So jedenfalls beschreiben Kritiker den Film „Steve Jobs“, der gerade in den deutschen Kinos angelaufen ist. Mehr Hass denn Genialität. Mehr Emotionen als Innovationen. Nein. So war der Apple-Chef nicht. So will Freddie Geier ihn nicht sehen müssen. Der gebürtige Würzburger kannte Steve Jobs persönlich, hat seinen eigenen Film über den im Jahr 2011 verstorbenen Apple-Mitbegründer im Kopf. Ein Film, der im Jahre 2000 beginnt. Jenem Jahr, in dem der Ruf des Apple-Chefs Jobs von Cupertino in Kalifornien nach deutschen Softwareentwicklern laut wird.
Steve Jobs ist auf eine kleine Firma in Karlsruhe aufmerksam geworden, in der auch einige Würzburger IT-Spezialisten arbeiten, darunter Freddie Geier, Tilman Hampl und Thomas Herpich. Jobs will sie für seine Firma Apple gewinnen. Jene Firma, in der die Entwicklung des iPod gerade auf Hochtouren läuft, in der die Weichen für das iPhone gestellt werden und gute Entwickler gefragt sind. Und vor allem eines ist Jobs wichtig: Einfachheit. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Softwareentwicklung. Genau das ist auch die Denke von Entwickler Freddie Geier.
Eine Zusammenarbeit mit Apple in Kalifornien also vorstellbar. Natürlich! Ein Steve Jobs ruft ja nicht alle Tage an. „Die Idee, Hardware, Software und Content zu kombinieren, damit war Apple seiner Zeit weit voraus“, sagt Geier heute rückblickend.
Sie zogen von Unterfranken nach Cupertino
Anfang 2000. Das ist die Zeit, in der das Silicon Valley zu einem gigantischen High-Tech-Standort heranwächst, eine Gegend, die geprägt ist von Villen, teuren Autos und den Partys angehender Millionäre, die noch nicht wissen, dass sie ein paar Jahre später Milliardäre mit Weltruhm sein werden. Dass Apple, Facebook, Ebay und Co einen Aufstieg hinlegen werden, der seinesgleichen sucht. Und wer damals mit seiner Familie anreist, um eine vom nicht allzu üppigen Anfangs-Apple-Gehalt bezahlbare Bleibe zu finden, muss lange suchen. Verdammt lange. So lange, dass die Zeit bis zum Start der Deutschen bei Apple knapp wird.
Es kommt einer der Momente, die Freddie Geier nicht vergessen wird, weil sie Teil des Bildes sind, das er von Steve Jobs hat. „Steve erfuhr von unserem Problem und er zögerte keinen Moment. Er kümmerte sich persönlich darum, dass jeder von uns ein Haus fand! Es hätte ihm egal sein können, er hätte es delegieren können, aber das tat er nicht.“ Freddie Geier spult nun, an diesem Abend in Würzburg, genau 15 Jahre später, seinen Steve-Jobs-Film in seinem Kopf noch einmal zurück. Das tut der Geschäftsführer der Firma Novero, die flexible Lösungen für die Fahrzeugkommunikation anbietet, nicht alleine. Dieses Zurückspulen, dieses Erinnern, ist zu einer schönen Tradition all jener geworden, die damals mit dabei waren, die von Unterfranken aus nach Cupertino zogen, um für Steve Jobs zu arbeiten. Es geht laut und fröhlich zu an dem großen Tisch in dem italienischen Restaurant. Englische Wortfetzen mischen sich mit breitem Fränkisch, denn auch der ehemalige Apple-Marketing-Manager Mike Evangelist ist aus Amerika angereist und feiert in der Würzburger Neubaustraße kräftig mit.
Nein, die Geschichte, die der Kinofilm erzählt, das passt nicht zu der Geschichte, die die deutschen IT-Experten in Cupertino erlebt haben. „Klar war Steve auch mal schlecht drauf und meckerte rum, aber das haben wir nicht als ungewöhnlich oder besonders schlimm empfunden. Wir wussten doch alle, wie er tickt, wie perfektionistisch er ist. Ihn jetzt auf einzelne Wutausbrüche zu reduzieren, ist einfach nicht akzeptabel“, sagt Freddie Geier. Zudem müsse man auch sehen, dass Steve Jobs sich über die Jahre entwickelt hat, vom ungestümen jungen Mann zum Chef einer 16 000 Mitarbeiter starken Firma. „Steve schätzte Zuverlässigkeit und genaues Arbeiten – da hatten wir Deutsche vielleicht einen Vorteil. Ich habe ihn jedenfalls nie brüllend erlebt“, sagt Freddie Geier.
Steve Jobs stand noch nicht für Weltruhm
„Als wir damals nach Kalifornien zogen, wussten wir nicht, an welcher Erfolgsgeschichte wir einmal Anteil haben würden. Apple und Steve Jobs, das war natürlich schon ein Wahnsinn, aber diese Namen standen noch nicht für den gigantischen Weltruhm, den das iPhone auslösen sollte“, erzählt Geier, für den eben dieses iPhone zu den technisch größten Errungenschaften der Menschheit zählt.
2001 wird erst einmal der iPod auf dem Markt eingeführt. „1000 Songs in deiner Hosentasche“, hatte Steve Jobs versprochen. Freddie Geier und die Truppe aus Karlsruhe und Würzburg beobachten die Reaktionen der Presse und Analysten damals von Cupertino aus. Frenetischer Beifall für ein Produkt sieht anders aus.
„Dabei muss man sich mal überlegen, was Jobs da wahrgemacht hat. Viele haben das Motto auch falsch übersetzt, wussten gar nicht, dass Steve das kleine Einschubfach über der Jeanstasche gemeint hatte“, sagt Freddie Geier heute. Technische Entwicklungen haben ihn schon immer fasziniert.
Aufgewachsen ist der 52-Jährige im Würzburger Stadtteil Lengfeld. Dort ging er in die Grundschule und zu den Pfadfindern, genau wie Tilman Hampl. Dass sie beide mal in die Computer-Branche gehen würden und von einem weltberühmten Visionär wie Steve Jobs nach Kalifornien gerufen würden, das hätten die Würzburger Freunde damals, als sie staunend die neuesten Apple-Produkte in den Würzburger Läden begutachteten, nicht in ihren kühnsten Träumen zu hoffen gewagt. Damals, 1983, als Freddie Geier seinen ersten Apple-Computer kaufte. „Da war ich echt stolz drauf. Spiele interessierten mich weniger, Grafikprogramme um so mehr.“ Ende der 80er Jahre vernetzt Freddie Geier bereits die ersten Rechenzentren – damals noch für die Bundeswehr.
Er war der ideale Mann für Apple
Neues zu kreieren und Bestehendes zu verändern, zählt Geier zu seinen Leidenschaften. Der ideale Mann für Apple also. Doch auch die schönsten Träume und die Freude am coolsten Traumjob können mal zu Ende gehen. Freddie Geier hat seine Zeit als Entwickler bei Apple und Vertrauter von Steve Jobs genossen. 2005 übernahm er das Apple-Management von Zentraleuropa, war fortan mit ganz anderen Dingen beschäftigt, arbeitete in einem Bereich, in dem alles festgezurrt war.
„Das war nicht mein Ding, das machte keinen Spaß, deshalb habe ich das beendet“, sagt Geier. Und dass es ein Ende war, das er nicht bereut hat. Denn es hat ihm, den Entwickler, den Denker, auf neue Wege und in andere Firmen geführt. 2007, als das iPhone kommt, geht er.
Heute ist der IT-Spezialist Chef der Firma Novero mit 420 Mitarbeitern, die neue Technologien für die Fahrzeugentwicklung adaptiert. Der einstige Steve-Jobs-Vertraute ist viel in der Welt unterwegs. Umso mehr genießt er es, in die Heimat zu kommen, dorthin, wo er am 13. Februar 1982 die Liebe seines Lebens gefunden hat: Brigitte aus Rottendorf. Mit ihr hat Freddie Geier drei Kinder, 20, 23 und 25 Jahre alt. Für die Kinder war das Leben damals im Silicon Valley toll und aufregend. Sie gingen dort in die Schule, fanden schnell neue Freunde. Und immer schien die Sonne. „Quasi nie zu Ende gehende Sommerferien“, sagt Freddie Geier lachend. Und wieder mal spult er seinen persönlichen Steve-Jobs-Film auf Anfang zurück. Es ist ein guter Film.