Birgit Börger setzt sich für die Prosselsheimer Bevölkerung mit ganzer Leidenschaft ein. Das wird beim Interview im 1753 erbauten Rathaus der Gemeinde schnell deutlich. Temperamentvoll und energiegeladen war Birgit Börger, so hört man, schon immer.
Als Tochter eines Landwirts mit Prosselsheimer Wurzeln und einer Püssensheimerin wird sie in Neusetz bei Dettelbach geboren. Mit vier Geschwistern wächst sie auf dem elterlichen Bauernhof auf und lernt früh, dass Arbeiten, verbunden mit Fleiß, zum Leben dazu gehört. Ihre Grundschullehrer umschreiben das aktive Mädchen im Zeugnis mit „Birgit gießt gern Blumen während der Unterrichtszeit.“ Im Klartext: Wenn es der Kleinen langweilig wird, packt sie mit an. Früh wird klar: Stillsitzen und nichts tun ist nicht ihr Ding.
Das ist heute nicht anders. Großen Wert legt die Bürgermeisterin in ihrer täglichen Arbeit auf das gemeinsame Wir-Gefühl im Gemeinderat. „Die 12 Räte kommen aus fünf Wählergruppierungen“, betont Birgit Börger. „Dabei merkt man nicht, wer von uns welcher Partei angehört.
“ Im Arbeitsalltag des Gemeinderates würde auch einmal kontrovers diskutiert, wenn es der Sache diene. Am Ende stehe dann eine Entscheidung, die idealerweise von allen Anwesenden getragen wird.
„Alleingänge gibt es bei mir nicht“, macht sie klar. Wichtig ist der Bürgermeisterin, dass alle im Ort auf dem gleichen Informationsstand sind. Entsprechend oft versendet sie Mails an alle Gemeinderäte, um beispielsweise über den Fortschritt bei der Busanbindung zu informieren.
Obwohl die Bürgermeisterstelle in Prosselsheim offiziell ehrenamtlich wahrgenommen wird, ist Birgit Börger weit über das normale Maß im Einsatz. „Ich mache etwas zu 100 Prozent oder gar nicht“, so das Ortsoberhaupt, das sich für die sechsjährige Amtsperiode eigens vom Arbeitgeber Caritas freistellen ließ.
Eigentlich sträubte sich Birgit Börger – politisch geprägt durch die 24-jährige Gemeinderatstätigkeit ihres Vaters in Prosselsheim – anfangs gegen ein parteipolitisches Engagement. Im Kindesalter träumt sie eher von einem Büroberuf. Die Schulzeit führt zunächst über Püssensheim, Untereisenheim und Schwanfeld. Der berufliche Ehrgeiz kommt dann als junge Erwachsene zum Tragen, als sie – begleitend zu ihrem Bürojob – die Mittlere Reife nachholt und ein Zertifikat bei der Sekretärinnenschule erwirbt.
Ab 1980 arbeitet sie im Chefsekretariat von Richter und Frenzel. Anfang der 90er Jahre wechselt sie als Assistentin der Geschäftsführung zur RWE-Tochter Norit nach Dettelbach. Bei der heutigen Lindner AG kommen ihre Macher-Qualitäten zur Geltung. Sie koordiniert innerbetriebliche Abläufe, stemmt Bauprojekte und stimmt Budgets mit den Vorständen ab. Etwa zeitgleich tritt sie der Jungen Union bei und entdeckt ihre Leidenschaft für die CSU.
Getreu ihrem Motto „ganz oder gar nicht“ unterbricht sie Anfang der 90er Jahre ihre berufliche Laufbahn und widmet sich vollständig ihrer Familie. Nach der Geburt ihrer zwei Söhne und dem „nebenbei“ gemanagten Hausbau in Püssensheim engagiert sie sich auch als Elternbeiratsvorsitzende, im Musikverein, bei einer Tanzgruppe und im Fasching. 1999 eröffnet die zweifache Mutter einen Tee- und Gewürzladen, den sie im eigenen Haus betreibt. 2007 ergibt sich der berufliche Einstieg bei der Caritas. Ihre politischen Freunde Manfred Ländner und Thomas Eberth überzeugen sie derweil, den CSU-Ortsvorsitz in Prosselsheim zu übernehmen. Zwei Monate später wird die CSU-Frau zusätzlich in den Kreisvorstand der Partei gewählt.
Zur Gemeinderatswahl 2008 bricht Birgit Börger erstmals mit dem ungeschriebenen Gesetz, dass der Listenplatz 1 dem oder der Ortsvorsitzenden vorbehalten ist. Sie setzt statt ihrem Namen eine langjährige CSU-Gemeinderätin an die Spitze. Auch eine Bürgermeisterkandidatur ist kein Thema, sie möchte zunächst einmal im Gremium mitwirken und sich orientieren. Bei der anschließenden Mitarbeit im Gemeinderat kann sie unter dem letztmalig angetretenen Bürgermeister Norbert Eberth viel bewegen.
Das liegt auch daran, dass sie durch die politische Tätigkeit ihres Vaters über viele Themen Einblick gewonnen hat.
Im Oktober 2013 schließlich fällt im Familienrat die Entscheidung für ihre Bürgermeister-Kandidatur. Eine Nominierung, die ihr nicht so leicht fällt. „Die Familie muss voll dahinter stehen, sonst klappt das nicht“, ist sie heute überzeugt. Ohne Gegenkandidat wird sie im März 2014 mit 67 Prozent zum neuen Ortsoberhaupt von Prosselsheim, Püssensheim und Seligenstadt gewählt.
Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste steht von Anfang an ein gutes Miteinander, sowohl im Gemeinderat als auch in der Verwaltungsgemeinschaft Estenfeld. „Es wird viel diskutiert, aber auch mal gelacht“, beschreibt sie die Atmosphäre bei Sitzungen. Lob verteilt Börger in dem Zusammenhang auch für die derzeitige Arbeit des Landratsamtes in der Flüchtlingsfrage. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich weit über das übliche Maß hinaus“, so ihre Wahrnehmung.
Anpacken heißt es künftig auch bei dringenden Projekten in der Gemeinde. Die weitere Ortsentwicklung, das Lösen der Platzprobleme im Kindergarten, das Gestalten einer Seniorenbetreuung, die Mitarbeit beim Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept (Ilek) sowie die Friedhofs- und Spielplatzneugestaltung sind einige Stichpunkte.
Für das Musik machen und viele andere Hobbies bleibt da kaum noch Zeit. Wichtig ist Birgit Börger aber, sich Zeit für das soziale Miteinander zu nehmen. Da kann es schon mal vorkommen, dass sie trotz Zeitnot für die heimische Geburtstagsfeier ihrer Söhne Schaschlik für 35 Gäste zubereitet. „An so einem Abend wird dann auch politisch diskutiert“, freut sie sich, wenn sie mit jungen Leuten ins Gespräch kommt und für politisches Engagement werben kann. Man merkt, das nicht immer leichte Bürgermeisteramt macht Birgit Börger jede Menge Spaß.
Fünf Fragen an die Prosselsheimer Bürgermeisterin
1. Welches Lied passt als „Filmmusik“ zu Ihren ersten Monaten als Bürgermeisterin?
Birgit Börger: Atemlos (durch die Nacht) von Helene Fischer.
2. Welcher Teil des Bürgermeisteramtes ist für Sie der Schönste?
Börger: Der Kontakt mit den Menschen.
3. Welcher Teil des Bürgermeisteramtes ist für Sie der Anstrengendste?
Börger: Die Bürokratie.
4. Welche Lektion haben Sie als Bürgermeisterin bereits lernen müssen?
Börger: Man braucht für viele Dinge, die man umsetzen möchte, mehr Geduld, als man denkt.
5. Welche Kompetenz aus Ihrem erlernten Beruf können Sie als Bürgermeisterin am besten brauchen?
Börger: Offenheit, Ehrlichkeit und Bodenständigkeit.