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Würzburg: Streeck: Corona-Maßnahmen nicht ständig hoch- und runterfahren

Würzburg

Streeck: Corona-Maßnahmen nicht ständig hoch- und runterfahren

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    Über 90 Minuten diskutierten Andrew Ullmann und Hendrik Streeck online über Corona-Strategien. Moderiert wurde der Austausch von FAZ-Redakteur Kim Björn Becker.
    Über 90 Minuten diskutierten Andrew Ullmann und Hendrik Streeck online über Corona-Strategien. Moderiert wurde der Austausch von FAZ-Redakteur Kim Björn Becker. Foto: Folker Quack

    Wie kommen wir mit Augenmaß durch die zweite Welle? Brauchen wir mehr zielgerichtete Maßnahmen und weniger Aktionismus? Darüber haben jetzt der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck und der Würzburger Infektiologe und FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Andrew Ullmann auf  Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung diskutiert. Sie waren sich oft einig - aber nicht in allem.  

    Vor allem Hendrik Streeck hatte zuletzt keine Probleme damit, auch mal zwischen die Fronten zu geraten. Der Virologe sieht sich als Brückenbauer zwischen Befürwortern und Kritikern der Corona-Maßnahmen - und er gibt auch Fehleinschätzungen zu. Verschwörungstheoretiker will Streeck mit Transparenz und Offenheit bekämpfen.    

    "Der Wellenbrecher-Motor stottert."  

    Hendrik Streeck, Professor für Virologie

    Und so sparte der Bonner Wissenschaftler auch beim Online-Diskurs mit Andrew Ullmann nicht an mutigen Thesen. Die Nachverfolgung der Infektionsketten sei zusammengebrochen, so der Virologe. "Warum stellen wir sie dann nicht ganz ein und nutzen das freiwerdende Personal, um die Risikogruppen besser schützen?" Er empfehle, vor  jedem Alten- und Pflegeheim und vor jedem Krankenhaus eine Schleuse zu errichten, in der jeder Besucher durch einen Antigen-Schnelltest nachweisen müsse, dass er aktuell nicht hochinfektiös ist.

    Der Bonner Virologe Hendrik Streeck löst mit seinen Statements zur Corona-Bekämpfung immer wieder breite Diskussionen aus.
    Der Bonner Virologe Hendrik Streeck löst mit seinen Statements zur Corona-Bekämpfung immer wieder breite Diskussionen aus. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Zudem müssten alle Mitarbeiter solcher Einrichtungen bis hin zur Reinigungskraft zweimal pro  Woche getestet werden. Für die Pflege zuhause müssten ausreichend FFP-2-Masken und Hilfsangebote wie Fahrdienste angeboten werden, so Streecks Forderung. Es könne nicht sein, dass Risikogruppen auf überfüllte öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien.  

    Streeck: Lieber kleine Dämme bei Risikogruppen statt großem Staudamm für alle

    Solche Strategien würde er dem "stotternden Wellenbrecher-Motor" der Bundesregierung vorziehen, sagt der Virologe. Das ständige Hoch- und Runterfahren der Maßnahmen je nach Infektionslage verhindere nicht die Ausbreitung quer durch alle Bevölkerungsteile. Statt eines großen Staudamms, den man mal auf und mal abbaue, solle man kleine Dämme bei den besonders gefährdeten Bevölkerungsschichten errichten. Der Übergang zu einer Risikogruppe sei fließend. Doch gebe es inzwischen Studien, mit Hilfe derer man ziemlich genau vorhersagen könne, wer ein erhöhtes Risiko einer schweren Erkrankung trage.   

    Der Würzburger Infektiologe und Gesundheitspolitiker der FDP, Andrew Ullmann. 
    Der Würzburger Infektiologe und Gesundheitspolitiker der FDP, Andrew Ullmann.  Foto: Patty Varasano

    Auch der Würzburger FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann fordert Langzeitstrategien statt Aktionismus in der Pandemie-Bekämpfung. Es sei ihm lieber, Menschen würden sich in einem Lokal mit Hygieneregeln treffen als ohne jegliche Hygienemaßnahmen zu Hause. Spreader-Ereignisse in der Gastronomie habe es nur gegeben, wenn Auflagen missachtet worden seien. Er würde die Gastronomie mit strengen Hygieneregeln wieder öffnen und deren Wirksamkeit wissenschaftlich begleiten, so die Vorstellung des Infektiologen.     

    Optimismus über Impfstoff begrenzt

    Begrenzt optimistisch reagierten Streeck wie Ullmann auf die Meldungen über einen Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer. 90 Prozent Wirksamkeit - so viel erreiche die Grippeimpfung mit gut 60 Prozent nicht, so Ullmann. Streeck gab zu bedenken, dass es noch keine Zahlen gebe, ob diese hohe Wirksamkeit auch in der Gruppe der Risikopatienten gelte. Man wisse auch noch nicht, ob der Impfstoff nur vor Symptomen oder einem schweren Verlauf schütze - oder generell vor Infektion. Für die Verbreitung des Virus mache diese einen großen Unterschied. " Auch mit einer Impfung, ist das Virus nicht weg", sagt der Bonner Wissenschaftler. Nach den derzeit vorliegenden Informationen würden für Deutschland im Jahr 2021 Impfdosen für rund ein Drittel der Bevölkerung zur Verfügung stehen, so Ullmann.   

    Die Situation bleibe also ernst, so der FDP-Politiker, zumal "zu wenig Widerstand gegen die zweite Welle" aufgebaut worden sei. Dies betreffe das Gesundheitssystem wie auch die Schulen und die Wirtschaft.  Zehn Prozent der Infizierten würden so schwer erkranken, dass ein Krankenhausaufenthalt nötig werden könne.

    Die aktuellen Infektionszahlen, so Streeck, seien nicht mit denen von März und April vergleichbar, wo es eine deutlich höhere Dunkelziffer gegeben habe. Er geht für das Frühjahr von tatsächlich 20.000 bis 60.000 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland aus. 

    Mehr Intensivbetten freihalten - und dafür planbare Eingriffe verschieben? 

    Er hätte sich gewünscht, mit Blick auf die zweite Welle mehr Intensivbetten in den Krankenhäusern freizuhalten, so der Bonner Virologe. Ullmann dagegen warnt vor "hohen Kollateralschäden": Bei den planbaren Operationen gehe es schließlich nicht nur um Schönheits-OPs, sondern um Eingriffe am Herzen oder Gehirn sowie bei Krebserkrankungen. Zwei Wochen könne man mal damit warten - aber keinen ganzen Winter. 

    "Wir können diese Pandemie nur mit der ganzen Bevölkerung stemmen", so das Fazit von Streeck, Dazu brauche es mehr Gebote statt Verbote. Und mehr Ruhe statt aggressive Rhetorik.

    Die beiden DiskussionspartnerProf. Hendrik Streeck (43)  ist  Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn. Während der Corona-Pandemie sorgte der Virologe mit der "Heinsbergstudie" und einem umstrittenen Positionspapier mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Aufsehen. Prof. Andrew Ullmann (56) ist Facharzt für Innere Medizin an der Uniklinik Würzburg. 2017 zog der Infektiologe über die bayerische Landesliste der FDP in den Deutschen Bundestag ein. Dort ist er Obmann im Gesundheitsausschuss und beeinflusst die Corona-Politik der FDP maßgeblich. Quelle: fqu

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