Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München sorgt für eine unerwartete Wende in der langen Schwarzbau-Geschichte: Im Gegensatz zu früheren Entscheidungen haben die Richter dem Bauherrn der Villa im Hexenbruchweg recht gegeben: Die Stadt Würzburg muss den Wiederaufbau des abgerissenen Walmdachs genehmigen. In mehreren Verfahren war das vorher anders entschieden worden. Wie geht es jetzt weiter? „Mein Mandant freut sich natürlich“, sagt Ulrich Heidenreich, Rechtsanwalt des Bauherrn, „dass er das Haus wie ursprünglich gebaut, fertig stellen darf.“ Jetzt müsse man „gemeinsam mit der Stadt“ einen Weg finden, den seit 2009 still stehenden Rohbau zu vollenden. Stadtbaurat Christian Baumgart ist vom Urteil aus München „überrascht.“ Momentan lasse die Stadt prüfen, ob sie es juristisch anfechten will. Da keine Revision zulässig ist, müsste die Stadt dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Wenn man mit rechtlichen Mitteln nicht weiter komme, so Baumgart gegenüber der Main-Post, werde man das akzeptieren. Dann müsse sich der Stadtrat mit der Erteilung der Baugenehmigung befassen. Die juristische Auseinandersetzung um den „größten Schwarzbau Würzburgs“ (so ein Mitglied des Stadtrats 2010) ist kompliziert. Unbestritten ist, dass das Mehrgenerationenhaus größer gebaut wurde als es genehmigt war und deshalb 2010 für Schlagzeilen sorgte. Schwierig wird es dagegen mit der Vereinbarung, die das Baureferat 2010 mit dem Bauherrn getroffen hatte. Der Deal sah so aus: Der Bauherr unterschreibt, Abstandsflächen vom Nachbarn zu kaufen, das Dach zurückzubauen und keine Rechtsmittel gegen diesen Rückbau einzulegen. Im Gegenzug versprach die Stadt, dass die Villa fertig gebaut werden darf. Baumgart versicherte seinerzeit dem Stadtrat, dass die Stadt damit bestmöglich abgesichert sei. Der Bauherr kaufte dann für viel Geld das Nachbargrundstück, abreißen wollte er sein fertiges Dach nicht. Seine Logik: Durch den Ankauf würden die geforderten Abstandsflächen eingehalten, also könne der vorhandene Schwarzbau mit Walmdach durch einem neuen Bauantrag legalisiert werden. Doch die Stadt zeigte Härte und lehnte dessen Genehmigung ab: Wie vereinbart sollte das Dach abgerissen und nur ein Flachdach genehmigt werden. Der Bauherr klagte und bekam jetzt vom VGH recht: Sein Bauantrag ist genehmigungsfähig und muss von der Stadt genehmigt werden. Dass der Bauherr 2010 unterschrieben hatte, keine Rechtsmittel einzulegen, bedeute laut VGH nicht, dass dieser generell und für immer und ewig auf sein Baurecht verzichtet hat. Dazu hätte die Vereinbarung anders formuliert werden müssen. Auch verstoße der Bauherr mit seinem Vorgehen nicht gegen den Rechtsgrundsatz von „Treu und Glauben“, also einem redlich und anständigen Verhalten. Im Urteil zeigt der VGH auch Verständnis für die Stadt: „Die Verärgerung der Beklagten über den Kläger ist insoweit zwar auch im Hinblick auf die hier gegebenen Gesamtumstände durchaus nachvollziehbar.“ Aber, so steht weiter im Urteil: „Das Baurecht kennt weder Rache noch Sühne.“
Chronik des Schwarzbau im Hexenbruchweg
2006 werden die Pläne des Mehrgenerationenhauses mit drei Wohneinheiten, Tiefgarage und Pool im Hexenbruchweg von der Stadt genehmigt.
2008 beginnt der Bau. Im Mai 2009 stellt die Bauaufsicht den Bau ein, weil er knapp zwei Meter höher ist als erlaubt. Statt dem genehmigten Satteldachaufsatz wurde ein Walmdach gebaut.
2010: Im Frühjahr lehnt der Stadtrat eine nachträgliche Genehmigung ab. Im Juni trifft die Rathausspitze mit dem Bauherrn eine Vereinbarung: Er bekommt eine Baugenehmigung, wenn er durch den Kauf von 200 Quadratmetern Nachbargrundstück sein Grundstück vergrößert und sein Dach verkleinert sowie auf Rechtsmittel verzichtet. Im Juli kauft der Bauherr die Abstandsflächen. Weil dadurch der Rohbau genehmigungsfähig sei, will er das Dach nicht entfernen. Im Dezember gibt das Verwaltungsgerichts im Eilverfahren den Bauherren recht.
2011: Im Mai hebt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München diese Entscheidung auf. Mit Zwangsgeldern setzt die Stadt durch, dass das Dach im August abrissen wird.
2012 muss der Bauherr 60 000 Euro Bußgeld zahlen. Im Juli verwirft das Verwaltungsgericht Würzburg seine Klage auf Wiederaufbau seines Daches.
2013 werden Anwalt und Bauherren wegen Verleumdung verurteilt. Sie hatten behauptet, von der Rathausspitze erpresst worden zu sein. Das Berufungsverfahren läuft noch.
2014: Im Mai steht der Rohbau seit fünf Jahren still.
2015: Das Ende November 2014 vom VGH ergangene Urteil wird im Februar 2015 öffentlich: Der Bauherr darf sein Dach wieder aufbauen. Noch nicht entschieden hat der VGH, ob die Rückbauanordnung der Stadt gegen das Dach Bestand hat.