Viel Wissenswertes rund um das Thema Streuobst und die wichtigsten Schnittregeln für alte Obstbäume erfuhren 22 Teilnehmer beim Schnittkurs, den der Verein für Gartenbau und Landespflege Helmstadt organisiert hatte.
Dazu hatte die Vorsitzende Petra Schuck Alexander Vorbeck, einen erfahrenen Mann in Sachen Streuobst, eingeladen. „Streuobstwiesen sind wertvolles Kulturgut und Lebensraum für viele Tiere“, sagt Vorbeck. In Theorie und Praxis will er deshalb „Verständnis für das Wachstum des Baumes wecken“. „Erst wenn man weiß, wie ein Baum wächst, kann man ihn auch schneiden“, meint er.
Aber warum muss man überhaupt einen Baum schneiden? „Damit Luft und Licht in die Krone kommt“, erläutert der Fachmann. Luft sei wichtig, damit die Feuchtigkeit weg kann, dadurch gebe es weniger Pilzbefall, der Baum sei gesünder. Und mit Licht entwickeln sich die Früchte besser und schmackhafter. „Ein Apfel aus dem Schatten, da meinen Sie, Sie beißen in Gras“, meint Vorbeck.
Vitalität und Baumgesundheit stehen also im Vordergrund. Aber nicht Schneiden um jeden Preis. „Im Zweifel lieber den Ast dranlassen und die Schere wegstecken“, ist eine wichtige Regel. Die Fruchtholz-Neubildung soll gefördert werden, das Gleichgewicht zwischen Wurzel und Blattvolumen und zwischen Holz- und Fruchtbildung müsse stimmen. Am einjährigen Holz gibt es keine Fruchtbildung, nur am zwei- bis fünfjährigen.
Regel Nummer zwei: Ein Ast treibt immer an der höchsten Stelle, der Baum wächst immer nach oben, der Sonne entgegen. Je steiler ein Ast steht, umso stärker wächst er, je flacher er ist, umso mehr Früchte bildet er. Ein hängender stirbt irgendwann ab.
Ein starker Schnitt bedeute, dass der Baum auch wieder stark austreibt. Außer beim Sommerschnitt, da könne man den Baum beruhigen und bremsen. „Die Kraft des Baumes geht entweder in den Ertrag oder in das Holz“, sagt Vorbeck. Ein Baum sollte deshalb immer im Gleichgewicht sein zwischen Frucht und Trieb.
Bei alten Bäumen ist laut Vorbeck das Wichtigste, sie so zu schneiden, dass sie hinterher gesünder sind als vorher. „Wir fügen dem Baum Wunden zu, da kommen Pilze und Krebs rein“, meint er. Je größer die Wunde, umso anfälliger ist der Baum. Deshalb keine zu großen Wunden an Stamm und Leitästen. Und erst recht keine waagrechten Schnittwunden: Die sind für den Baum eine Katastrophe. Wunden auf der Oberseite eines Astes verheilen nicht, sondern faulen.
„Mit zu viel Schnitt machen wir die Bäume kaputt, die sterben dann in zehn Jahren an ihren Wunden.“
Alexander Vorbeck, Experte für Streuobstbäume
„Mit zu viel Schnitt machen wir die Bäume kaputt, die sterben dann in zehn Jahren an ihren Wunden“, weiß Vorbeck. Und Schäden könne man nicht rückgängig machen. Deshalb seien hunderte von Ableitungsschnitten besser als ein Radikalschnitt. Auch die Wassertriebe sollte man nicht alle wegschneiden, sondern nur einen Teil. Wenn sie zu steil stehen, entweder ableiten oder runter binden. Beim Altbaum gelte generell: Lieber mehrere kleine Wunden als eine große.
Doch einfach ist der Schnitt eines Altbaumes nicht, denn er wird nur selten in das Idealbild eines Obstbaumes mit drei Leitästen passen. Und dann gilt: „Man muss immer mit dem arbeiten, was der Baum mitbringt“, sagt Vorbeck. In der Theorie bedeutet das: Erst mal schauen und überlegen: Was schneide ich? Wie vital ist der Baum? Hat er Pilzbefall? Ist er statisch in Ordnung? Wo sind die kritischen Stellen? Wie ist die Struktur? Wo sind die Leitäste?
„Verabschieden Sie sich von der Idee, es gibt eine Lösung für den Schnitt. Es gibt tausende von Varianten, Sie müssen sich nur für die richtige entscheiden“, sagt der Fachmann. Als erstes sollte man abgetragenes Fruchtholz unten wegnehmen, um überhaupt in den Baum rein zu kommen und auch das was nach innen treibt, sollte weg.
Im Kronenbereich mehrere Triebe lassen, damit sich die Kraft verteilt. Wichtigste Regel: Altes raus, Junges stehen lassen. Unten muss der Baum breit, oben schmal sein. Der Trick sei, den Baum so zu schneiden, dass man möglichst wenig Nachpflege hat. Weniger ist mehr. „Ein bisschen in die Zukunft schauen, ist der Baum einmal moderat geschnitten, reicht ein Nachschnitt alle 4 bis 5 Jahre“, so Vorbeck weiter. Und noch etwas ist wichtig: Nicht gegen die Form des Baumes arbeiten. Der Baum hat grundsätzlich die Form seiner Frucht.
Da sollte man sich auf das spontane Harmoniegefühl verlassen, rät Vorbeck: „Wenn ein Baum schön aussieht, dann stimmt meistens auch der Aufbau.“ Nach viel grauer Theorie durften die Teilnehmer am Nachmittag dann bei eisigen Temperaturen selbst Hand anlegen. „Es ist ein ganz toller Kurs, wir sind total begeistert“, bilanziert Petra Schuck.
Die Pflege und der Erhalt von Streuobstwiesen sind dem Verein für Gartenbau und Landespflege sehr wichtig, denn noch immer gibt es in Helmstadt einige davon. 2013 hat der Verein deshalb zum Jahr des Obstbaumes ausgerufen – mit zahlreichen Aktionen rund um dieses Thema. So wird es beim diesjährigen Pfingstmarkt um „Streuobst“ gehen. Und im Herbst wird wieder eine mobile Kelter aus dem Obst Saft pressen und in Bag-in-Box abfüllen.
Die nächste Aktion wird ein Veredelungskurs am Samstag, 13. April, sein. Dann können Interessierte von Josef Engelhardt, Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim, lernen, wie man Reiser auf Bäume pfropft. Los geht's um 10 Uhr am Wasserhaus.
Weitere Infos und Anmeldung bei Petra Schuck, Telefon 09 36 9 (31 52).