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WÜRZBURG: Studenten als Wegbereiter des NS-Regimes

WÜRZBURG

Studenten als Wegbereiter des NS-Regimes

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    Vor 75 Jahren war das Haus in der Mergentheimer Straße 60 Schauplatz einer historischen Tagung. Dort, im Heim der katholischen Studentenverbindung Markomannia, löste sich der Cartellverband (CV) der katholischen deutschen Studentenverbindungen auf. Der Verband kam dem herrschenden Nationalsozialisten zuvor: Am 20. Juni 1938 erklärte das Regime alle katholischen Studenten- und Akademikerverbände im „Großdeutschen Reich“ zu staatsfeindlichen Organisationen und löste sie auf.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten die Markomannen ihre Verbindung neu und bezogen wieder ihren Sitz in der Mergentheimer Straße. Beim jüngsten Setzen von Stolpersteinen, zur Erinnerung an von den Nazis und ihren Mitläufern ermordete Würzburger, übernahm die Verbindung die Patenschaft für einen Stein. Er ist der jüdischen Würzburgerin Therese Schwabacher gewidmet, der die Markomannen 1931 ihr Haus abkauften.

    Die Studenten, schreibt der Lüneburger Historiker Hartmut Titze, seien die erste soziale Gruppe in der deutschen Gesellschaft, die sich öffentlich und wirksam für die NS-Ideologie empfänglich zeigten. Die Markomannen luden im Zuge der Stolperstein-Verlegung der Würzburger Historiker Matthias Stickler ein, um über die Studentenschaft und studentische Verbindungen im NS-Deutschland zu referieren.

    Stickler sprach von einer, für Außenstehende kaum übersehbare, Vielfalt studentischer Verbände. Gemein sei den Studenten nach dem Ersten Weltkrieg ein Gefühl der Demütigung gewesen; sie waren der Dolchstoßlegende der Militärs und der Rechten aufgesessen. Die Mehrheit von ihnen habe sich ab Mitte 1919 dauerhaft von der Weimarer Republik abgewandt. 1919 gründeten rechtsgewirkte Studenten die „Deutsche Studentenschaft“ (DSt), in der sich völkische Kräfte, die sich, so Stickler, in erster Linie aus den schlagenden Verbindungen, insbesondere den Burschenschaften und Vereinen deutscher Studenten rekrutierten, durchsetzten. Die DSt versagte Juden und Ausländern die Mitgliedschaft.

    Stickler widmete sich insbesondere den katholischen Verbindungen, die zunächst auf Distanz zu den Nazis hielten. 1931 hatte die Fuldaer Bischofskonferenz die Zugehörigkeit zur NSDAP für unerlaubt erklärt, ein Jahr später beschloss der CV, dass katholische Verbindungsstudenten nicht Mitglied der NSDAP oder des nationalsozialistischen Studentenbundes sein dürften. 1933 sahen die Bischöfe keine Gründe mehr zur Abgrenzung, und auch der CV hob seinen Unvereinbarkeitsbeschluss wieder auf. Stickler zufolge neigten besonders die Aktiven, die Studenten, dem Regime zu, während die Alten Herren reservierter blieben.

    Verbindungen hätten nur in Einzelfällen Widerstand geleistet, die große Mehrheit von ihnen habe sich selbst geschaltet – angepasst und mitgemacht. Das sei „die historische Hypothek des deutschen Verbindungswesens“.

    Wie die Markomannen hat auch die Klasse 9c des Matthias-Grünewald-Gymnasiums hat die Patenschaft für einen Stolperstein übernommen. Wochenlang hatten sich die Schüler im Unterricht mit den Biografien der Juden Ruth, Michael und Elisabeth Weinberger auseinandergesetzt; sie entdeckten dabei eine ganz normale deutsche Familie. Dass Michael als Zwölfjähriger, seine Schwester Elisabeth als Siebenjährige in Auschwitz ermordet wurde, erschreckte und beeindruckte die Teenager besonders.

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