Aus den Hochschulen sind sie kaum wegzudenken. Das gilt auch für die Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Teilweise, so hört man, würde der Betrieb ohne sie zusammenbrechen: studentische Hilfskräfte, im akademischen Volksmund "Hiwis", die an Fakultäten und Lehrstühlen die wissenschaftliche Arbeit unterstützen und selbst dabei noch etwas lernen. Und nicht nur das: Eingesetzt werden sie auch als günstige Arbeitskräfte in den Bibliotheken. Eine Ausbeutung?
Bayernweit Wellen schlagen Vorwürfe von Lohndumping und Tarifflucht an der Uni Regensburg. Jahrelang wurden dort Hiwis in der Bibliothek angestellt, zum Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro. Dann aber klagten Studenten erfolgreich den Tariflohn ein. Er liegt in einem Beispielfall bei gut zwölf Euro. Laut Bundesarbeitsgericht dürfen Hiwis nur bei wissenschaftlichen und künstlerischen Jobs vom Tarifvertrag ausgenommen werden. Aber Bücher ausgeben und in Regale sortieren?
Studenten sollen eben nicht als Billiglöhner reguläre Arbeitsverhältnisse ersetzen. Dies hat das bayerische Wissenschaftsministerium 2010 den Hochschulen im Freistaat ausdrücklich mitgeteilt: Für studentische Hilfskräfte mit einer „ausschließlichen Beschäftigung in nicht akademischen Tätigkeitsfeldern, etwa als Aufsicht in Bibliotheken“ muss ein Arbeitsvertrag nach Tarif abgeschlossen werden.
Die Unileitung in Regensburg hat jetzt die Reißleine gezogen und entledigt sich ihrer Hiwis in der Bibliothek. Für eine komplette Übernahme in den Tarif fehlten die Planstellen, heißt es. Die Verträge laufen zum Jahresende aus, an die 100 Studierende sollen betroffen sein. Private Wachdienste sollen einspringen.
Fast 3000 studentische Hilfskräfte an der Uni Würzburg
Und in Würzburg? Fast 3000 studentische Hilfskräfte hat die Universität unter Vertrag, die allermeisten verteilt auf die zehn Fakultäten. Das sind fast elf Prozent der 28.000 Studierenden. 225 Hiwis arbeiten in der Zentralbibliothek am Hubland und in den 16 Teilbibliotheken, wie Uni-Sprecherin Esther Knemeyer-Pereira auf Anfrage mitteilt. Dumpingärger wie in Regensburg erwartet sie für die JMU nicht. Es gebe keinen Handlungsbedarf. In Abstimmung mit dem Ministerium hat die Würzburger Uni offenbar clever und juristisch sattelfest agiert.
Der Kniff: Die Hiwis in der Uni-Bibliothek sind zumindest teilweise auch wissenschaftlich tätig, man spricht von "Mischarbeitsplätzen": Die Studenten stellen Bücher in die Regale, sitzen am Leihschalter, halten Aufsicht, beraten Besucher, arbeiten bei Schulungen mit, beim Digitalisieren, bei der Datenpflege oder betreiben Literaturrecherche. Mit derlei Spektrum sieht die Uni das ministerielle Hiwi-Profil erfüllt und die Betreffenden fallen nicht unter den Tarif. Eine Anstellung von Rentnern für Aufsicht oder Ausleihe wäre teurer.
Hiwis an der Uni bekommen zwischen neun und zwölf Euro pro Stunde
Laut Uni-Sprecherin erhalten studentische Hilfskräfte ohne Abschluss aktuell einen Stundenlohn von neun Euro (ab Januar 9,20 Euro), zehn Euro mit Bachelor-Abschluss und zwölf Euro mit einem Hochschulabschluss (Master oder Staatsexamen). Voraussetzung für eine Hiwi-Stelle: Die Studierenden müssen durch ihr Studium hinreichend dafür geeignet sein.

Wie wichtig sie für Forschung und Lehre an der Uni sind, bestätigt deren Sprecherin: "Sie sind ein fester Bestandteil der Leistungserbringung einer Universität." Nicht zu vergessen sei neben dem Lohn aber auch der ideelle Gewinn der Hilfskräfte für das eigene Studium und das wissenschaftliche Arbeiten. Außerdem sei die Tätigkeit zum Vorteil der Studierenden recht flexibel zu handhaben.
Über ihre Hochschulgruppe berät die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Hiwis an Uni und FHWS und klärt über ihre Rechte auf. Vor knapp zwei Jahren wurde eine eigene Broschüre dazu herausgegeben. Laut dem Würzburger GEW-Kreisgeschäftsführer Jörg Nellen gibt es immer wieder Probleme mit Arbeitszeit, Urlaubsansprüchen, Krankheit und Fortbildungen.
FHWS bezahlt Hilfskräfte in den Bibliotheken nach Tarif
Auch an derHochschule für Angewandte Wissenschaften (FHWS) in Würzburg und Schweinfurt braucht man die Hiwis dringend. 439 studentische Hilfskräfte, Tutoren und "sonstige Hilfskräfte" sind dort laut Sprecherin Katja Klein beschäftigt, das sind knapp fünf Prozent von aktuell rund 9000 Studierenden.
Eingesetzt sind sie vor allem in der Lehre, bezahlt werden sie je nach Bereich unterschiedlich - mit einer Spanne von 9,50 bis 13,05 Euro immer über dem Mindestlohn, wie die Sprecherin versichert. Elf Hiwis arbeiten in den FH-Bibliotheken und werden als "sonstige Hilfskräfte" nach Tarif entlohnt. Insofern lässt der Regensburger Zoff die FHWS kalt.
Wissenschaftsminister: "Alle studentischen Beschäftigungsverhältnisse überprüfen"
Angekommen ist die Problematik auch beim neuen Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). Entscheidend, sagt er auf Anfrage, sei das konkrete Tätigkeitsprofil im Einzelfall. "Reine Aufsichtstätigkeiten in Bibliotheken erfüllen den Tatbestand einer wissenschaftsbezogenen Tätigkeit nicht." Dies sei auch Thema in einer Besprechung mit den Hochschulkanzlern vergangene Woche gewesen. Sibler: "Ich habe darum gebeten, alle studentischen Beschäftigungsverhältnisse zu überprüfen.“