„Die Stadt wird gerade von einem Buch gerockt“ – mit diesen Worten brachte die Würzburger Autorin Ulrike Schäfer auf den Punkt, was gerade in Würzburg geschieht. Im Rahmen der Aktion „Würzburg liest ein Buch“ wurde am Sonntag und Montag ihr Drama „Ruth“ vor jeweils vollem Haus im Theater Ensemble als szenische Lesung uraufgeführt. Für Ende des Jahres ist dann die Aufführung der fertigen Inszenierung geplant, so die Autorin.
Schäfers „Ruth“ handelt von dem jüdischen Mädchen Ruth Freudenheim aus Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“. Sie steht vor Gericht, weil sie Zwischenzahl, den Mann, der die Ermordung ihrer Eltern auf dem Würzburger Marktplatz zu verantworten hat, getötet hat. Ruth war als Zwangsprostituierte im KZ. Vor Gericht steht sie uneingeschränkt zu ihrer Tat.
Auf der dunklen Bühne stehen sich zwei Tische gegenüber, am einen Ruth und ihr Verteidiger, auf der anderen Seite der Richter und der Staatsanwalt. Ruths Tonfall ist monoton, der des Staatsanwalts oft hämisch. Ruth klagt an, was (ihr und ihren Eltern) geschehen ist, dabei ist sie hier doch die Angeklagte. Doch Ruth ruht in sich, sie fühlt sich besser seit der Tat, sagt sie. Ganz ruhig und gelassen. Die Atmosphäre in diesem Gerichtssaal ist beklemmend. Zeugen treten auf, entlasten sie, doch der Staatsanwalt glaubt und traut ihnen nicht.
Nach der Ermordung der Eltern und ihrer Zeit im Lager sind Ruths Gefühle abgetötet. Sie sagt: „Eine Tote kann nicht töten, also lebe ich“. In einem psychiatrischen Gutachten wird sie als nicht zurechnungsfähig bezeichnet. Ihr Verteidiger fordert Freispruch, der Staatsanwalt schließt sich an, will sie aber in eine psychiatrische Anstalt einweisen.
„Dieser ganze Fall überschreitet unsere Kompetenzen“, sagt der Verteidiger. Der Richter spricht Ruth schuldig auf Bewährung. Ruth und ihr Freund Martin verlassen nach dem Urteil die Stadt. Wohin ihr Weg sie führt, bleibt offen.
Im Publikum herrscht beklommenes Schweigen. Es dauert, bis sich die ersten Hände zum Beifall bewegen.
Stadtgespräch am Freitag
Auch das Stadtgespräch der Main-Post am Freitag, 11. April, 20 Uhr, im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus befasst sich mit Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“. Darüber, was das Buch heute noch bedeutet, diskutieren Ulrike Schäfer, Frank-Liebhaberin und Ex-OB Pia Beckmann, Frank-Kenner Hans Steidle, der Vorsitzende der Leonhard-Frank-Gesellschaft Michael Henke und Main-Post-Redakteurin Charlotte Breyer (Forum 55). Es moderiert Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer.
Die Main-Post ist bei vielen Veranstaltungen von "Würzburg liest ein Buch" (live) dabei. Bilder, Videos und Berichte finden Sie unter www.mainpost.de/wueliest .