Der Ansturm der Fernsehsender aus ganz Deutschland ist vorüber. Gerade packen die Mitarbeiter von Sat 1 Kamera und Mikrofone ins Auto. Die plötzliche Ruhe vor dem halb abgebrannten Haus an der Point wirkt jetzt fast gespenstisch. Gegenüber, vor dem Haus mit der Nummer 10 stehen Werner und Irmgard Holzmeier. Wie oft sie ihre Geschichte schon erzählt haben, wissen sie nicht. Aber reden tut gut, sagen sie. Das lenkt ab.
Sie alle hier haben seit dieser Nacht nicht mehr richtig geschlafen, die Tochter des Hausbesitzers, Heike (25), die mit ihrem Freund Roy direkt unter der Wohnung der jungen Familie wohnt, reibt sich die Augen. Die kleine Annika haben sie gut gekannt. Ostern noch hat Heikes Vater, der im Erdgeschoss wohnt, mit den Kindern eine große Ostereiersuche im Garten veranstaltet.
„Man kann das gar nicht glauben“, sagen sie immer wieder. Der Kindergarten, in den die beiden Schwestern gegangen sind, ist nur wenige Meter entfernt. Auch dort ist die Betroffenheit groß.
Heikes Freund Roy ist gleich als er den Brand bemerkt hat durchs Treppenhaus gestürmt. „Ich habe die Wohnungstür der Familie aufgetreten. Da kam mir eine unglaubliche Hitze entgegen, alles war mit schwarzem Rauch gefüllt.“
Der 30-Jährige erleidet Brandverletzungen am Ohr und am Rücken. Zu dem Zeitpunkt weiß er nicht, ob die Familie schon draußen ist oder womöglich noch schläft. Roy kann nichts tun. Er rennt ums Haus herum, trifft auf Nachbar Holzmeier, der gerade die Leiter anlegt. Oben auf dem Balkon stehen die Mutter (29), ihr Lebensgefährte und die vierjährige Tochter, die sich gerade noch aus dem Kinderzimmer retten konnte. Ihre Gesichter sind schwarz. Die Mutter schreit ihre Verzweiflung heraus.
„Wo ist eure andere Kleine?“, ruft Holzmeier immer wieder. Die Mutter und ihr Lebensgefährte sind zu keiner Antwort mehr fähig. Immer wieder haben sie versucht, in die lichterloh brennende Wohnung zurückzukehren.
„Die Schreie der jungen Mutter, das war das Schlimmste“, sagt Werner Holzmeier. Und als er beschreibt, wie die vierjährige Xenia beim Abstieg von der Leiter die Arme um seinen Hals geklammert hat, bricht ihm die Stimme weg. „Aber wir müssen doch darüber reden. Das muss doch raus“, sagt er.
Heike und Roy können auch heute noch nicht in ihre Wohnung, haben keine Ahnung, wie es dort nach dem Großeinsatz der Feuerwehren aussieht. Alles ist nass, verräuchert, schwarz. Gerade haben sie sich notdürftig eingekleidet. Jeans. Dunkelblaue Sweatshirts. Beide gleich. Zusammenstehen. Zusammenhalten. Ein positives Signal setzen. So wie es sämtliche Nachbarn an der Point in der Schreckensnacht getan haben. Decken. Heißer Tee. Zuspruch. Ein Bett zum Schlafen. Doch an Schlaf war und ist nicht zu denken.
Die 25-Jährige Heike ist blass, übernächtigt, hat seit Freitag nichts gegessen. Und pausenlos ist da der Gedanke an die junge Mutter, an Annikas Schwester, den Lebensgefährten. Welchen Schmerz die jetzt aushalten müssen. Unfassbar. Ein Blick in die Gesichter hier spricht Bände. Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und vor allem: Trauer.
Ob das Haus, in dem einst 13 Menschen gelebt haben, wieder instand gesetzt werden kann, weiß niemand. „Das müssen die Gutachter bewerten“, sagt Hausbesitzer Willy Schwarz. Sicher scheint aber, dass die junge Familie hier nicht mehr einziehen wird. „Das packt man psychisch nicht“, sagt Heike. Sie weiß ja noch nicht mal, ob sie hier noch wohnen, und ruhig schlafen kann.
Die junge Familie braucht jetzt Hilfe jeder Art. Die Spendenbereitschaft ist gigantisch, heißt es in der Gemeindeverwaltung. Sachspenden sollten aber bitte nicht spontan vorbei gebracht werden. „Das übersteigt unsere Kapazitäten.“ Zur Zeit wird eine Liste mit den Spendenangeboten erstellt, mit der man dann der Familie beim materiellen Neustart helfen will.
Gerade biegt ein Auto mit Münchener Kennzeichen in die Straße ein. Ein Gutachter des Bayerischen Landeskriminalamtes kommt, soll die Würzburger Kripo bei der Klärung der Brandursache unterstützen. Doch die ist auch am Abend noch unklar. Fest steht lediglich, dass das Feuer im Zimmer von Annika ausgebrochen ist und sich dann mit rasender Geschwindigkeit ausgebreitet hat. Weder eine technische noch fahrlässige Brandursache sind laut Ermittler auszuschließen.
Indes hat der Brand Diskussionen um die Notwendigkeit von Rauchmeldern in den Fokus gerückt. So ist in den Bundesländern, in denen es eine Rauchmelder-Pflicht gibt, die Zahl der Brandtoten deutlich gesunken. Darauf weist auch der Eisinger Michael Langenhorst hin. Er greift eine Idee auf, nach der Gemeinden jedem Neugeborenen einen Rauchmelder zur Geburt schenken. „Die kosten in der Regel zwischen 5 und 10 Euro“, so Langenhorst. Und stellte spontan einen Antrag an den Gemeinderat Eisingen.
Wer mit Sachspenden helfen will, sollte dies telefonisch anbieten: Tel. (09 31) 46 86 10. Spendenkonto bei der Sparkasse Mainfranken unter der Konto-Nummer 120 100 102.