Am Freitagmorgen um 5.30 Uhr haben die Mitarbeiter des Toom-Marktes in Höchberg ihre Arbeit niedergelegt. Einige Kassen, die Frischetheke, Bäckerei, Getränkemarkt und die Tankstelle sind seither gar nicht oder nur eingeschränkt besetzt. Filialleiter Peter Weber musste kurzfristig Ersatzkräfte einsetzen, damit der Laden weiterläuft und die Kunden nicht vor verschlossenen Türen stehen.
Der Marktleiter geht davon aus, dass er den laufenden Betrieb auch über mehrere Streiktage aufrechterhalten kann. Drei bis vier Kassen kann er besetzen. Bei Engpässen packt er sogar selber mit an. Bereits am Morgen zieht er Paletten mit Blumen in die Verkaufsräume. Weber hofft, dass es sich um eine Übergangssituation handelt, es keine weiteren Probleme geben wird und die Kunden die längeren Wartezeiten verstehen.
Grund für den Streik ist der andauernde Tarifkonflikt im bayerischen Einzelhandel. Ver.di fordert „mehr Wertschätzung und Anerkennung“ der Beschäftigten in Form einer „dringend notwendigen Entgelterhöhung“. „Während die Arbeiter den Unternehmen und Konzernen hervorragende Umsätze und Gewinne erwirtschaften, ist für sie selbst gleichzeitig alles teurer geworden.“, heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft.
Arbeitgebervertreter hätten bisher kein Angebot zu den Forderungen vorgelegt, sondern Gegenforderungen gestellt. Die Schutzregelung bei den Arbeitszeiten solle abgebaut werden – Beschäftigte und deren Familien sollten sich bedingungslos dem Betrieb unterordnen, heißt es bei ver.di. Zu den Kürzungen der Spät- und Nachtdienste komme weniger Verdienst für die VerkäuferInnen, so Peter König (ver.di Würzburg). „Viele der Beschäftigten arbeiten und müssen zugleich eine Familie managen. Die Schutzvorschriften sollen daher aufrechterhalten werden“, fordert König.
Streiks dieser Art gab es bereits in München und Augsburg. In der Region Würzburg war der Toom-Markt Höchberg am Freitag nach Gewerkchaftsangaben der einzige bestreikte Supermarkt. Im Mai gab es eine ähnliche Aktion bei H&M. Weitere Streiks sind unter anderem beim Kaufhof in Würzburg geplant.
Der Toom-Markt hat für ver.di laut Peter König einen besonderen Stellenwert, da es hier aufgrund einer Umstrukturierung (Toom gehört jetzt zu Rewe) keinen direkten Betriebsrat mehr gebe. Ansprechpartner hätten ihren Sitz bei München, seien für die Arbeiter kaum greifbar. Die Stimmung unter den Angestellten sei schlecht. Viele leiden unter dem Druck der momentanen Situation, beklagt der Gewerkschafter und glaubt, dass seine Kollegen die Probleme mit ins Privatleben nehmen.
Eine Mitarbeiterin klagte am Freitagmorgen denn auch: „Wir sollen länger arbeiten, aber weniger Geld erhalten. Dazu kommt der Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Für uns gibt es keinen Ansprechpartner, der uns bei Problemen zur Seite steht.“ Dazu kämen vermehrte Testkäufe und Aktnotizen, beziehungsweise „Abmahnungen bei Kleinigkeiten“.
Zu streiken fällt einigen Mitarbeitern nach eigenen Angaben schwer. Gegen die Probleme protestieren und Gesicht zu zeigen, fällt nicht allen leicht, sagt auch Peter König. Mit Schildern und Megafonen tun sie trotzdem ihren Unmut kund. Knapp 40 Beschäftigte haben am Freitag vor dem Supermarkt ihre Forderungen lautstark geäußert. Zusammen sind sie sich einig: „Heute geht es um uns – das ist ein guter Tag!“ Dass ihr Streik auf einen Freitag fällt, sei Absicht: Es sei der stärkste Tag im Einzelhandel, tue den Arbeitgebern am meisten weh.
„Eine komplette Schließung wäre aber nicht in unserem Sinn. Was wir wollen ist, dass etwas Unruhe in den Betrieb kommt. Es ist keine Aktion gegen den Filialleiter als Person“, versichert König.
Der Gewerkschaftssekretär befürchtet, dass es eine lange Tarifrunde geben wird. Solch ein Streik über Monate mache die Arbeiter allerdings nicht stärker, sondern schwächer, weiß König. Als eine weitere Möglichkeit sieht er spontane Aktionen: „Es ist denkbar, dass wir so etwas im Markt ausführen, sollte es keine Einigung geben.“
Tarifstreit
Nächster Termin für die Verhandlungen zwischen bayrischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft ist am Freitag, 14. Juni in München.
Die Gewerkschaft ver.di fordert: 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt – mindestens 140 Euro für Arbeiter und 90 Euros für Azubis. Keine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen; Keine Kürzungen bei Spät- und Nachtzuschlägen; Keine Billiglöhne für Beschäftigte der Warenverräumung; Keine Eingriffe in die Schutzregelungen bei den Arbeitszeiten.