„tegut-Rita – die beste Kassiererin“ heißt die facebook-Seite, die am vergangenen Mittwoch ins Netz gestellt wurde. Nur fünf Tage später, am frühen Montagabend, hatte sie schon rund 5000 „Gefällt-mir“-Clicks.
Rita Scholz ist 59, sitzt im Pausenraum der tegut-Filiale Sanderau, ist ein bisschen nervös und erzählt, dass sie „das alles eigentlich nicht so gerne“ will. Gemeint ist die facebook-Seite, von der sie nicht weiß, wer sie ins Netz gestellt hat. Und das Video, das sie bei der Arbeit zeigt, zu dem sie nie ihr Einverständnis gegeben habe, und das nun tausendfach von ihren Fans angeklickt wird. „Ich hätte es besser gefunden, wenn man mich vorher gefragt hätte.“
„Es ist stressig, immer so drauf zu sein, wie die Alte auf dem Foto“
Rita Scholz, Kassiererin
Nachdem Kunden ihr von der Fan-Seite erzählt haben, hat sie daheim ihren Computer eingeschaltet. „Ich hab' da so'n kleines Ding für uffn Schoß“. Einen Laptop also. Und dort hat sie gesehen, dass wieder eine von „sone Geschichten“ losgetreten wurde, die sie „eigentlich nicht mehr machen“ wollte.
„Sone Geschichten“ – das sind die Artikel über sie in der Zeitung und im Heft der tegut-Märkte und in einem Studentenmagazin . . . Sie werden geschrieben, weil Rita Scholz ziemlich originell ist. Und ziemlich bekannt. Vielleicht ist sie die bekannteste Supermarkt-Kassiererin in Würzburg. Ganz bestimmt ist sie die freundlichste. Und die witzigste. Und die schlagfertigste.
Wer an ihrer Kasse bezahlt, kriegt nicht nur ein „Bitte“ oder „Danke“ oder ein Lächeln. tegut-Rita kommentiert die Einkäufe, die über ihr Band laufen. Auf facebook erzählt eine Kundin, wie eine Frau eine Packung Tampons bei Rita bezahlte. „Nee, oder...“, sagte die Kassiererin, „doch nich am Wochenende!“ Ein anderer Kunde hat miterlebt, wie ein Mann mit fettigen Haaren und ausgeleierter Jogginghose Chips und Dosenbier auflegte. „Na“, sagte tegut-Rita, „wir sind heute Abend aber auch allein, was?“
Seit 1998 sitzt Rita Scholz, geboren in Bitterfeld, „wo der Dreck vom Himmel fällt“, an der tegut-Kasse. 33,75 Wochenstunden, immer Spätschicht. Und immer gut gelaunt. Auch wenn sie mal Sorgen hat. „Wenn ich die Kasse übernehme, ist das weg“, sagt sie, „die Kunden können ja nix dafür.“
Es hat alles seine Ordnung bei Rita Scholz. Ihre Frisur, die sie selbst macht, weil „das kein Friseur so hinkriegt“. Ihre Wohnung in der Sanderau, wo sie mit Ehemann Karlheinz gerne mal eine Flasche „Rotkäppchen“-Sekt trinkt und wo derzeit die Handwerker wüten, was Rita fast in den Wahnsinn treibt, weil „die immer unangemeldet kommen“. Ihr Garten im Frauenland, der ihr ganzer Stolz ist, und wo sie kürzlich mit Kollegen und Chef ein Grillfest gefeiert hat.
Der Chef. Giovanni Guarino, etliche Jahre jünger als seine Kassiererin – und auch ein Fan. Die beiden mögen sich. Schon jetzt ist er traurig, weil Rita Scholz im April 2014 in Rente geht. „Sie weiß, dass ihr unsere Tür immer offen steht“, sagt er. Wenn Rita also im Ruhestand noch ein oder zwei Tage arbeiten wolle . . .
Aber Rita Scholz will sich „erst mal erholen“, wenn sie mit 60 Jahren ihr Arbeitsleben beendet. „Es ist stressig, immer so drauf zu sein wie die Alte auf dem Foto“, sagt sie und deutet auf das Bild auf der facebook-Seite. Es zeigt sie so, wie ihre Kunden sie kennen: Breites, herzliches Lachen, blaue Farbe auf den Lidern, die wasserstoffblonden Wellen sauber onduliert. Rita findet das Foto „hässlich“. Und das lässt sie sich nicht ausreden.
Überhaupt ist es nicht leicht, Rita Scholz etwas auszureden. Auch ihr Mann tut sich da schwer. Wegen ihm ist sie, die „immer und alles mögliche gearbeitet hat“, vor 15 Jahren von Thüringen nach Würzburg gezogen. „Jetzt mag ich die Franken.“ Und natürlich mag sie ihren Karlheinz, der „ein ganz Ruhiger“ ist. „Wenn der so wäre wie ich, das würde mir nicht gefallen“. Tegut-Rita überlegt kurz. „Eigentlich ist er ein Guter“, sagt sie, „er muss ja auch viel aushalten.“
Um Punkt 14 Uhr schließt Rita Scholz ihre Kasse auf. Ein junger Mann bezahlt eine Flasche Federweißen. „Nehmen Sie den mal lieber in die Hand“, sagt sie, als er ihn in seinen Korb packen will, „und bloß nicht schütteln.“ Dann wünscht sie ihm „eine schöne Woche“. Ein älterer Herr in der Kassenschlange schmunzelt. „Wenn Rita Scholz angetreten wäre, wäre die FDP nicht aus dem Bundestag geflogen.“