Die Idee, geboren im studentischen Konvent, schien einleuchtend und überzeugend: Um mehr junge Menschen in Würzburg für Kultur zu begeistern und ins Mainfranken Theater zu locken, bietet dieses ein Semesterticket an.
Zwei Pflicht-Euro über den Studentenwerksbeitrag
Wie berichtet, wurde das Studentenwerk mit der finanziellen Abwicklung beauftragt. Es soll seinen obligatorischen Studentenwerksbeitrag von derzeit 50 Euro pro Semester um zwei Euro anheben – dafür dürften Würzburger Studierende gratis Vorstellungen im Mainfranken Theater besuchen. Das Haus verpflichtet sich, pro Vorstellung oder Konzert ein Kontingent von fünf Prozent der Plätze für Studierende freizuhalten. Zusätzlich sollen ihnen nicht verkaufte Karten angeboten werden.
„Konstruktives Gespräch“ mit den freien Bühnen
Rund 5000 Studierende hatten eine entsprechende Online-Petition für das Semesterticket unterzeichnet,
der Verwaltungsrat des Studentenwerks stimmte einmütig zu. Doch mit der absehbaren Realisierung formierte sich der Widerstand seitens der freien Theater in Würzburg. Sie befürchten, durch die Studenten-Flatrate ein Gros ihres Stammpublikums zu verlieren.
Dadurch so heißt es, könnten die Privattheater in existenzielle Nöte geraten. Die aus dem Protest heraus gegründete „Interessengemeinschaft Freie Theater Würzburg“ beziffert den studentischen Anteil der Theaterbesucher auf 25 bis 50 Prozent.
Am Freitag nun kam es zu einer ersten direkten Aussprache zwischen den Privattheatern und dem Studentenwerk. Auf dessen Einladung trafen sich im Würzburger Studentenhaus Vertreter der freien Theater mit Michael Ullrich, Geschäftsführer des Studentenwerks, und den Studierendenvertretungen. IG-Sprecher Rainer Binz (Theater Chambinzky) berichtet in einer Mitteilung von einem „konstruktiven Gespräch“. Die Diskussion mit allen Beteiligten sei sehr sachlich verlaufen.
Privattheater haben wirtschaftlich zu kämpfen
Die IG „Freie Theater Würzburg“, setzt sich nach eigenen Angaben aus neun Würzburger Theatern in freier Trägerschaft, mit eigener Bühne und Jahresspielplan zusammen: Theater Chambinzky, Theaterwerkstatt, Theater Ensemble, Theater am Neunerplatz, Bockshorn, tanzSpeicher, Kasperhaus, Plastisches Theater Hobbit und Theater Spielberg. Auf ihrer Facebook-Seite kritisieren sie ein „Semesterticket-Flatrate-Dumping“ durch das Mainfranken Theater.
Man habe nun erstmals in einem größeren Forum die Bedenken und den Protest gegen das geplante Semesterticket vortragen können, so Binz. Die Situation der freien Theater beschreiben sie selbst so: Neben hohen Raumkosten habe man in den letzten Jahren vor allem mit den stark gestiegenen Energiekosten und einem niedrigen Werbe- und Personalbudget zu kämpfen. Zu 80 Prozent seien die Theater auf die Einnahmen aus Kartenverkäufen angewiesen.
Privattheater können sich Gratis-Eintritt nicht leisten
Auf die freiwillig ermäßigten und günstigen Studenteneintritte – in Würzburg zwischen 7,50 und 14 Euro – könnten die freien Theater nicht verzichten. „Sonst müssten sie um ihre Existenz bangen“, heißt es in der Mitteilung.
Erstsemester-Studenten, berichtet Binz, hätten zuletzt immer wieder nach Gratis-Eintritt in die freien Theater gefragt, da dieser im Mainfranken Theater auch gewährt würde. Dort gibt es seit fünf Jahren schon die Aktion „Theater für nix“: Studienanfänger können sich nicht verkaufte Restkarten kurz vor Vorstellungsbeginn gratis holen.
Bei dem nun von Studierendenvertretung und Mainfranken Theater entwickelten Semesterticket blieben die freien Theater, so deren Kritik, völlig außen vor „und wären von der Schließung ihrer Einrichtung bedroht“, warnt Binz.
Würzburg hat die größte Theaterdichte in Bayern
Nach einer IG-Recherche bietet Würzburg die größte Theaterlandschaft in freier Trägerschaft mit eigener Bühne und somit die größte Theatervielfalt aller bayerischen Städte über 50 000 Einwohner.
Bei neun Einrichtungen kommt in Würzburg ein Privattheater auf 13 900 Einwohner. Zum Vergleich: Das etwas größere Regensburg hat nur drei Privattheater (eines auf 48 500 Einwohner), das ebenfalls leicht größere Ingolstadt gar nur ein Privattheater bei 132 000 Einwohnern. Lediglich Bamberg schafft mit fünf freien Bühnen bei 73 000 Einwohnern annähernd die Dichte Würzburgs. Für Binz und die die IG ist somit klar: „Deshalb wären die freien Theater in Würzburg von einer solchen Flatrate besonders betroffen.“
Eintrittspreise für Studierende sollen überprüft werden
Auch an die zahlreichen freien Theatervereine ohne eigene Trägerschaft wie ESG, KHG oder Theater Augenblick müsse gedacht werden. Sie stünden zwar nicht unter so hohem Kostendruck, wären aber ebenfalls von einem „Dumping-Preis für Studenten“ betroffen.
Die „IG Freie Theater Würzburg“ habe ihrerseits gegenüber dem Studentenwerk versprochen, die über Jahrzehnte gewachsene Preisstruktur beim Studenteneintritt zu überprüfen. Man wolle den Eintrittspreis so gering wie möglich halten und hoffe auf weitere konstruktive Gespräche mit OB und Kulturreferat.