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WÜRZBURG: Tierische Höchstleistung

WÜRZBURG

Tierische Höchstleistung

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    Flugtauben: Sie sind nicht nur gut trainiert, sondern auch extrem schöne Tiere.
    Flugtauben: Sie sind nicht nur gut trainiert, sondern auch extrem schöne Tiere.

    Während die halbe Menschheit im olympischen Medaillen-Fieber liegt, gibt es ein paar Brieftaubenzüchter aus der Region, die in der letzten Nacht aus anderen Gründen kein Auge zugetan haben. Ihr Sport ist zwar keine olympische Disziplin, doch ihre Tauben werden am Samstag ganz in der Nähe der Olympiastadt London an den Start zum „Olympic London Race“ gehen. Wenn Wind und Wetter mitspielen, werden zwischen 7 und 9 Uhr rund 30 000 Brieftauben in Bovington, 30 Kilometer nördlich von London in den Himmel aufsteigen um in ihre Heimatorte in ganz Europa zu fliegen. Auch 5000 bayerische Tauben sind dabei. 35 von ihnen sind aus dem Raum Würzburg.

    680 Kilometer Luftlinie hat die Strecke von London nach Würzburg. Wenn alles glatt läuft, kommen die Tauben nach Schätzung von Harald Herbach und Franz-Josef Page spätestens elf Stunden nach dem Start in ihren Würzburger Heimatschlag zurück. Herbach ist Vorsitzender der Brieftaubenvereinigung Würzburg und Umgebung. Franz-Josef Page sein Stellvertreter. Sie sind gespannt wie ein Flitzebogen. „Alles hängt von Wind und Wetter ab. Die Zeichen stehen gut. Optimal wäre eine westliche Strömung“, hofft Herbach. Das würde bedeuten, dass die Tiere rund 1300 Meter pro Minute zurücklegen können. Das sind Höchstleistungen.

    In ihrer Taubenstation oberhalb des Zeller Tors erklären sie, wie sie ihre Tiere auf solche Ereignisse vorbereiten. Tägliches Training und Nahrung mit hoch konzentriertem Eiweiß gehören dazu. „Mehr als zwei bis drei Langstrecken im Jahr gibt es nicht. Die Tauben müssen sich erholen“, sagt Harald Herbach.

    Behutsam holt Herbach „El Gordo“, den Dicken, aus seinem Schlag. Er ist zuletzt 1107 Kilometer von Barcelona nach Würzburg geflogen. Eine große Leistung.

    Aber London ist etwas ganz Besonderes. Das, davon sind die Taubenfreunde überzeugt, werden sie so nie mehr erleben. Denn wann kommen die nächsten Olympischen Spiele nach Europa? Und wohin? Für Langstreckenflüge ist außerdem Wetter und die Windrichtung entscheidend. London ist eine Herausforderung weil der Flug die Tauben längere Zeit über die Nordsee führt. Aber die Windrichtung stimmt. Zu 80 Prozent herrscht im Jahr Westwind.

    Der Olympia-Flug ist für die Züchter einmalig. Seit 52 Jahren hat es das nicht mehr gegeben. Brieftauben-Freunde aus Tschechien haben den Transport über Holland nach England organisiert. Acht Nationen nehmen an der internationalen Aktion teil.

    Auch Gerhard Brönner aus Burggrumbach (Dettelbacher Brieftaubenclub Gut Flug) hat zehn Tauben nach London geschickt. Nach den 13 im Jahr vorgeschriebenen Wettbewerbsflügen ist er überzeugt, dass seine Tiere in einer sehr guten Verfassung und fit für den Flug über die Nordsee sind. Nachdem seine Lieblinge in diesem Jahr hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung geflogen sind, kam der Aufruf des Deutschen Brieftaubenverbandes zum richtigen Zeitpunkt. Der Flug von London nach Süden in den Heimatschlag ist für Brönner das „Zuckerhäubchen“ der Flugsaison.

    Wenn die rund 30 000 Tauben am Samstagmorgen aufgelassen werden, haben sie die unterschiedlichsten Ziele in Europa. Sie starten in Formation, müssen sich dann aber irgendwann trennen um in ihre Heimatländer und schließlich in ihren Heimatschlag zurückzufinden.

    Wie sie das schaffen, können die Würzburger Tauben-Experten selbst nicht erklären. Es läuft nach wie vor unter dem Stichwort „Wunder der Natur“. Die Tauben fliegen ohne Unterbrechung. Vermutlich werden sie vom Magnetfeld geleitet. Man hat inzwischen festgestellt, dass die Orientierung der Tiere gestört ist, wenn die Ozon-Belastung hoch, oder der Himmel klar ist.

    Kein Wunder, wenn die Spannung enorm hoch ist. Die Tauben haben an den Füßen zwei Ringe. Der eine ist praktisch der Personalausweis, am anderen werden die Daten der Flugreise gespeichert, die dann später am Computer abgefragt werden können. Und ganz wichtig: Am Heimatschlag gibt es einen Sensor der genau registriert, wann die Taube ankommt.

    Denn für die schnellsten Tauben gibt es auch bei diesem Flug Preise und Ehrenpreise. Die erste bayerische Taube erhält von Ministerpräsident Seehofer den traditionellen Bayerischen Löwen. Die zweite Taube hat einen Ehrenpreis von Bavaria-Regisseur Joseph Vilsmaier.

    Und ein wenig dürfen die Brieftauben-Züchter auch auf den Putz hauen. Denn ihre Leidenschaft ist regelrecht biblisch. Hat nicht eine Taube bei der großen Sintflut mit einem Ölzweig im Schnabel die große Botschaft überbracht, dass die Katastrophe vorbei ist?

    London-Tauben

    Für Taubenzüchter ist jedes Tier emotional wertvoll und ein Verlust schwer zu verschmerzen. Auf lange Reisen werden sie erst ab einem Alter von vier Lebensjahren geschickt.

    Der Markt: Für 200 bis 300 Euro werden Brieftauben gehandelt. Die teuerste Brieftaube wurde für 230 000 Euro nach China verkauft.

    Die Teilnehmer am London Olympic-Race aus der Region Würzburg:

    Harald Herbach (Würzburg) 6 Tauben; Emil Schwind (Gerbrunn) 5 Tauben;

    Werner Christ (Thüngersheim) 4 Tauben; Hans Schenker (Waldbüttelbrunn) 2 Tauben; Elmar Papst (Waldbrunn) 2 Tauben; Ludwig Ringelmann (Maidbronn) 3 Tauben; Ludwig Köhler (Oberdürrbach) 1 Taube; Siegfried und Adam Uhl (Ochsenfurt) 2 Tauben; Ludwig Breunig (Theilheim) 1 Taube; Ludwig Winkler (Veitshöchheim) 2 Tauben; Franz-Josef-Page (Estenfeld) 7 Tauben; Gerhard Brönner (Burggrumbach) zehn Tauben.

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