Die Agenturmeldung aus London, die an diesem Mittwochabend kursierte und die am Donnerstag durch die Veröffentlichung in der berühmten Fachzeitschrift „Nature“ auch öffentlich gemacht wurde, heißt so: „Astronomen haben sieben erdähnliche Planeten bei einem Roten Zwergstern in unserer kosmischen Nachbarschaft aufgespürt. Sechs dieser Exoplaneten liegen in einer Temperaturzone, in der Wasser flüssig sein kann – eine Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen. Drei der Planeten könnten sogar Ozeane auf ihrer Oberfläche besitzen, sofern sie erdähnliche Atmosphären haben.“
„Eine große Neuigkeit für die Astropphysik“
Forscher um Michaël Gillon von der Universität Liege in Belgien hatten mit einer akribischen Suche die Signale von insgesamt sieben ungefähr erdgroßen Planeten entdeckt. Es ist nicht das erste System mit sieben um einen Stern kreisenden Planeten, aber das Sonnensystem mit den meisten Gesteinsplaneten, das die Astronomen bislang kennen.
„Das ist schon spektakulär, eine sehr große Neuigkeit für die Astrophysik“, sagt Dr. Dominik Elsässer vom Lehrstuhl für Astronomie der Uni Würzburg. Er war am Donnerstag zu einer Konferenz in Mannheim – da wurde die Nature-Publikation nicht nur in den Kaffeepausen rege diskutiert. „Eine richtig große und wichtige Entdeckung auf dem sehr dynamischen Gebiet der felsigen Exoplaneten“, sagt Elsässer. „Das ist ein komplettes Planetensystem, nur viel kleiner als unseres, quasi eine Miniaturversion.“
Trappist-1: Viel kleiner als die Sonne, viel weniger Masse, viel weniger Leuchtkraft
Der besagte rote Zwergstern namens Trappist-1 sei deutlich kleiner und kühler als die Sonne und habe damit auch viel weniger Leuchtkraft. Dass ein winzig kleiner Stern so viel Material hat, dass sich Planeten bilden, sei in der Theorie durchdacht und in Simulationen durchgespielt gewesen. Jetzt aber haben die Astrophysiker den Beleg. „Das ist total spannend“, sagt Elsässer. Und Lehrstuhlinhaber Professor Karl Mannheim äußert sich ähnlich: „Man hat es immer geahnt, mich betrifft das auch emotional.“
Für Suche nach außerirdischem Leben derzeit „die beste Wahl“
Alle sieben Planeten könnten nach Meinung der Forscher aus Liege in irgendeiner Form flüssiges Wasser besitzen, drei liegen in der sogenannten bewohnbaren Zone des Zwergsterns schreiben sie in „Nature“. Damit gehöre das Sonnensystem des Roten Zwergs zu den aussichtsreichsten Orten für die Suche nach außerirdischem Leben. Hinweise darauf haben die Forscher nicht. Aber sie sagen: „Auf der Suche nach Leben anderswo ist dieses System nach heutigem Stand wahrscheinlich die beste Wahl.“
Drei der Exoplaneten hatten das Team um Michaël Gillon bereits im vergangenen Jahr beschrieben. Es war der erste Fund von Exoplaneten bei einem Roten Zwergstern, einem der häufigsten Sterntypen in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Weitere vier Planeten dieses Sterns haben die Forscher nun durch sorgfältige Nachbeobachtung entdeckt. Alle sieben sind ungefähr so groß wie die Erde und wahrscheinlich Gesteinsplaneten.
Wie ähnlich ist „erdähnlich“?
Was „erdähnlich“ heißt? „Ganz generell meint man damit normalerweise, dass es sich um Felsplaneten handelt“, sagt Dominik Elsässer. „Also wie die Erde im Wesentlichen aus Gestein bestehend, nicht wie zum Beispiel der Jupiter zum Großteil aus Gas und mit einer Masse vergleichbar der unserer Erde.“ Wie ähnlich die Bedingungen auf den Planeten von Trappist-1 aber tatsächlich sind – „das müssen zukünftige Beobachtungen erst noch zeigen“. Was Elsässer sicher sagen kann: „Man hat keine zweite Erde gefunden.“
Das Zwergsternsystem liegt knapp 40 Lichtjahre entfernt, also in einer Entfernung, die Licht in 40 Jahren zurücklegt. Der Zwergstern, den diese Planeten umkreisen, hat lediglich acht Prozent der Masse unserer Sonne. Er ist nicht einmal halb so heiß, wodurch auf seinen Planeten trotz ihrer engen Umlaufbahnen gemäßigte Temperaturen herrschen. Ein „Jahr“, also eine Umrundung des Sterns, ist dort ziemlich schnell um: Die inneren sechs Trabanten umkreisen ihre „Sonne“ in anderthalb bis zwölf Tagen. Die Umlaufzeit des äußersten Planeten konnten die Forscher noch nicht genau bestimmen.
Welche Atmopshären haben die Planteten?
Als „bewohnbare“ beziehungsweise „habitable“ Zone gilt in der Astrophysik der Bereich, in dem Planeten um einen Stern umlaufen müssen, damit es dort – im Prinzip – Temperaturen geben kann, die dauerhaft und auf großer Fläche flüssiges Wasser ermöglichen, erklärt Elsässer. Flüssiges Wasser gilt als Grundvoraussetzung für alles Leben, wie wir es kennen. „Ob das dann auch so ist, hängt aber unter anderem entscheidend von den Atmosphären der Planeten ab“, sagt Elsässer. Genau diese Frage werde jetzt im Fokus stehen: „Man wird nun unbedingt versuchen, die Zusammensetzung der Atmosphären zu enträtseln.“ In erweiterten Definitionen der „bewohnbaren Zone“ müsse es um den Planeten auch einen Sternwind und ein Magnetfeld geben, das die lebensfeindliche kosmische Strahlung abhält, so Mannheim.
Bislang haben Astronomen über 3500 Exoplaneten – also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – registriert. Zudem kennen sie über 600 Systeme mit zwei oder mehr Planeten. Unter anderem hatten vor vier Jahren europäische Astrophysiker von sieben Planeten berichtet, die um den Stern KOI-351 kreisen. Sie seien ähnlich angeordnet wie die Planeten unseres Sonnensystems mit kleinen Gesteinsplaneten nahe dem Zentralgestirn und riesigen Gasplaneten in größerer Entfernung, teilten Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt damals mit.
Die Universität von Puerto Rico pflegt einen Katalog bewohnbarer Exoplaneten. Er listete ohne das Trappist-1-System bereits 44 Kandidaten bei verschiedenen Sternen auf. Die Universität vergibt einen Index für Erdähnlichkeit. Er wird bislang angeführt von dem bei Proxima Centauri entdeckten Exoplaneten, der unter dem Strich auf 87 Prozent Erdähnlichkeit kommt. Er ist mit einem Abstand von nur vier Lichtjahren zugleich der nächste potenziell bewohnbare Exoplanet. Das Trappist-1-System liegt zehnmal so weit entfernt – gehört damit aber immer noch zu unserer kosmischen Nachbarschaft.
Glücksfall für die Forscher: Zufallsfund dank der besonderen Konstellation
Die Planeten von Trappist-1 haben die Astrophysiker übrigens nicht direkt gesehen: Man habe vielmehr dank der großen modernen Teleskope in Fleißarbeit beobachtetet, dass der kleine kühle Stern sehr regelmäßig kleine Schwankungen in der Helligkeit erfährt, erklärt Elsässer. Was bedeutet: Man hat Bedeckungen gesehen. Diese Helligkeitsschwankungen nämlich entstehen, wenn die sieben Planeten auf ihren Umlaufbahnen von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeiwandern und so ein kleines Stück von ihm abschatten. Diesen Effekt können die Wissenschaftler sehr genau messen und daraus die Größe des jeweiligen Planeten bestimmen.
„Solche Exoplaneten lassen sich nur entdecken, wenn zufällig von der Erde genau auf die Kante eines solchen Systems, auf die Bahnebene der Planeten geblickt wird“, sagt Professor Karl Mannheim. Ansonsten laufen die Planeten – aus unserem Blickwinkel – nicht vor ihrem Stern vorbei. „Das ist wirklich ein ganz großer Zufall, ein Glücksfall.“
So könnte es sein, dass der Rote Zwergstern nicht nur sieben, sondern mehr Planeten um sich hat – zum Beispiel weiter außen, mit längeren Umlaufbahnen. „Auch in unserem Sonnensystem gibt es sicher noch weitere unentdeckte äußere Planeten“, sagt Mannheim. Man könne jetzt mit Gewissheit sagen, was man ahnte: „Dass alle Sterne von Planeten umgeben sind.“
Die lebensfeindlichen Eigenschaften der Zwergsterne
Was bedeutet die Entdeckung für die Suche nach außerirdischem Leben? Trappist-1 hält jetzt zumindest den Rekord für die meisten Gesteinsplaneten in der bewohnbaren Zone. Unser Sonnensystem hat zwei: Erde und Mars. Je mehr Gesteinsplaneten es in potenziell bewohnbaren Zonen gibt, desto höher ist für die Wissenschaftler die Chance, Leben zu entdecken. Leben könne eine Möglichkeit auf diesen Welten sein, sagen die Forscher. Aber eben nur eine Möglichkeit. Zwergsterne hätten oft „unangenehme Eigenschaften“, sagt Elsässer: heftige Blitze und plötzliche Helligkeitsausbrüche und ein hohes Level an Röntgenstrahlung und ultravioletter Strahlung auf der Oberfläche der Planeten.
Forschung geht mit stärkeren und sensibleren Teleskopen weiter
Wie geht es mit der Untersuchung weiter? Die Forscher setzen auf die Stärke künftiger Teleskope: „Man wird mit großen optischen und Infrarotteleskopen nach den Atmosphären dieser Planeten und nach Spurengase von Stoffwechselprodukten suchen“, sagt Mannheim. Dazu analysieren die Astronomen, ob und wie das Licht des Sterns durch eine Atmosphäre gefiltert wird, wenn der untersuchte Planet vor dem Stern vorbeiläuft. Beobachtungen der inneren beiden Planeten des Systems mit dem „Hubble“-Weltraumteleskop haben nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa keine Hinweise auf eine aufgeblähte, wasserstoffreiche Atmosphäre wie etwa beim Planeten Neptun ergeben. Das stärkt die Annahme, dass es sich um Gesteinsplaneten wie unsere Erde mit vergleichsweise dünnen Lufthüllen handeln könnte. Aber atmosphärische „Biosignaturen“ wie Methan, die auf Anpassungen durch Leben hindeuten, könnten mit dem „James Webb“-Weltraumteleskop zu entdecken sein, das 2018 an den Start gehen soll. Oder mit dem European Extremely Large Telescope, dessen Start für 2022 geplant ist.
Mit extrem empfindlichen Radioteleskopen nach „intelligenten“ Signalen zu suchen, sei die eine Stoßrichtung der Forschung, sagt Mannheim. Die andere: „Unbemannte Raumfahrzeuge zu entsenden. Diese könnten mit Lichtantrieb in überschaubaren Zeiträumen dorthin gelangen und Informationen gewinnen.“
„Auf der Suche nach Leben anderswo ist dieses System nach heutigem Stand wahrscheinlich die beste Wahl.“
Co-Autor Brice-Olivier Demory von der Universität Bern über die Neuentdeckung