Sollen in der Affäre um mit Fäkalkeimen verunreinigtes Trinkwasser Fakten verschleiert werden? Oder weiß schlicht die eine Hand nicht, was die andere tut? Oder wollten die Verantwortlichen den Ball flach halten, um eigene Fehler zu decken – was angesichts der immer länger andauernden Trinkwasserverunreinigung in der Region letztlich nicht mehr möglich war?
Anders ist es kaum zu erklären, dass wichtige Informationen erst häppchenweise oder auf öffentlichen Druck zugegeben werden. Oder dass man anfangs der Presse nicht einmal die genaue Lage des Hochbehälters Zellingen mit dem Hinweis auf „sensible Infrastruktur“ preisgeben wollte. Erst nachdem Bilder der unaufgeräumten Baustelle am Hochbehälter inklusive wütender Kritik der Verbraucher an der mangelhaften Informationspolitik der Behörden öffentlich wurden, gestand man Fehler ein.
Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information
Fakt ist: Mit einer Politik der Desinformation wurde das Vertrauen der Verbraucher in die Reinheit unseres Trinkwassers massiv erschüttert. Deshalb schaut die Öffentlichkeit zurecht jetzt auch bei kleineren Störfällen wie der Chlorung des Trinkwassers in den Würzburger Stadtteilen Heuchelhof und Rottenbauer ganz genau hin.
Dabei hatte Landrat Eberhard Nuß, Vorsitzender des Zweckverbands Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM), noch vor wenigen Wochen mehr Transparenz versprochen. Er sagte, zwischen dem Senden und dem Empfangen der Nachricht über das verunreinigte Trinkwasser im westlichen Landkreis habe eine zu große Lücke geklafft. Man habe verstanden. Man werde sich bessern. Der Fall sei – so schwerwiegend er auch ist – zum Lernen bestens geeignet.
Gesagt, versprochen, gebrochen. Nicht einmal zwei Tage später teilten die Gesundheitsämter Würzburg und Main-Spessart dieser Redaktion mit, dass es wenig Sinn mache, die Bürger über jeden Schritt und die damit verbundenen Ergebnisse zu informieren, wenn keine akute Gesundheitsgefahr bestehe. Noch frecher erscheint die Begründung, Laien könnten die einzelnen mikrobiologischen Befunde zudem eh nur schwer einordnen.
Man fragt sich langsam, was noch passieren muss, bis die berechtigten Sorgen der Menschen ernst genommen werden. Es geht nicht um Gutdünken: Es ist die Pflicht jener Behörden, nicht nur über die Gesundheit ihrer Bürger zu wachen, sondern auch sicherzustellen, dass bei verunreinigtem Trinkwasser rechtzeitig informiert wird. Nicht ohne Grund sollen die Gesundheitsämter als Kontrollinstanz den Wasserversorgern übergeordnet sein. Dies hat der Gesetzgeber über die Deutsche Trinkwasserverordnung exakt festgelegt. Genau deshalb ist jede einzelne Enterokokke beim Gesundheitsamt meldepflichtig. Genau deswegen gibt es zig akkreditierte Labors, die ihre Ergebnisse, wenn sie von den erlaubten Werten abweichen, nicht nur an die Firmen und Zweckverbände, sondern auch an die Gesundheitsämter melden.
Die Sorgen der Menschen müssen ernst genommen werden
Es ist nicht akzeptabel, wenn Firmen und Ämter entscheiden, dass es für den Verbraucher erst einmal besser sei, nichts zu erfahren. Wenn 50 000 Kunden der FWM zwar wissen, dass sie ihr bereits gechlortes Wasser abkochen müssen, aber nicht, dass fünf Tage nach dem ersten Enterokokken-Fund von drei Fäkalkeimen je 100 Milliliter Wasser ein neuer positiver Befund sogar 17 Enterokokken aufweist. Wenn die Retzbacher nicht darüber informiert werden, dass auch noch coliforme Bakterien in ihrem Übergabeschacht gefunden wurden. Oder wenn den Bewohnern der Würzburger Stadtteile Heuchelhof und Rottenbauer nicht einmal gesagt wurde, dass ihr Wasser gechlort wird.
Chlor sei nicht schädlich, sagt das Gesundheitsamt. Und fügt lapidar hinzu: Schwangere und Säuglinge können bei einer länger andauernden Chlorung auf Mineralwasser umsteigen, um gesundheitliche Folgen völlig auszuschließen. Ein Hohn.
Wenn Wasserversorger oder Gesundheitsämter beginnen, nach Abwägung einzelner Vorgesetzter zu entscheiden, wann der Verbraucher welches Detail über sein Trinkwasser erfährt, dann ist das vor allem eines: ein Skandal.