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WÜRZBURG: "Trotz MS keine Miesepeter"

WÜRZBURG

"Trotz MS keine Miesepeter"

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    Immer in Bewegung: Physiotherapeut Sascha Pohl zeigt (von links) Gerda Hiller, Peter Stotz und Helga Öchsner eine Übung.
    Immer in Bewegung: Physiotherapeut Sascha Pohl zeigt (von links) Gerda Hiller, Peter Stotz und Helga Öchsner eine Übung. Foto: Foto: Pat Christ

    Helga Öchsner nimmt ein gelbes Seil in die Hand und hält es hoch über ihren Kopf. Dann beugt sie sich langsam nach links zu ihrem Nachbar Peter Stotz. Physiotherapeut Sascha Pohl schaut, dass ihr Rücken gerade ist und die Kopfhaltung passt. Seit 30 Jahren geht Helga Öchsner Woche für Woche zum Montagstreff der Würzburger Multiple Sklerose (MS)-Selbsthilfegruppe. Nur im Sommer findet vier Wochen lang keine Gymnastik statt: „Das merke ich körperlich sofort.“

    Bald nach Gründung der Gruppe nahm Helga Öchsner 1985 erstmals an der gemeinsamen Gymnastik teil. In der Würzburger Uniklinik machte man sie auf das Angebot aufmerksam. In die Klinik kam sie, weil sie plötzlich irritierende Dinge sah: „Ich fuhr über eine Kreuzung und sah am Straßenrand zwei Katzen. Dann schaute ich noch mal genau hin. Da war nur noch eine Katze da. Das hat mich furchtbar erschreckt.“

    Überweisung zum Neurologen

    Die Augenärztin, zu der sie am nächsten Tag ging, sah, dass „etwas nicht in Ordnung“ war. Sie schickte die damals 38-Jährige in die Augenklinik. Dort erhielt sie aber zunächst keine Diagnose. Dafür eine prompte Überweisung in die Neurologie. „Hier bestand ich darauf, dass man mir sagte, was mit mir los ist“, erinnert sie sich. Ein Arzt ging schließlich auf sehr direkte Weise auf ihren Wunsch ein: „Sie haben Multiple Sklerose. Es kann sein, dass sie in einem Vierteljahr blind sind.“

    Diese Horrorprophezeiung traf zum Glück nicht ein. Öchsners linker Sehnerv ist zwar zu zwei Drittel zerstört. Doch sie kann sehen. Das eine Bein macht ihr allerdings ziemlich zu schaffen. Durch Gymnastik versucht sie, der Krankheit zu trotzen. Nicht zuletzt die Gruppe gibt ihr Halt. Denn dort werden nicht nur Übungen gemacht. Man tauscht sich aus, vor allem wird viel gelacht. Öchsner: „Wir haben zwar MS, aber wir sind keine Miesepeter.“

    Probleme beim Gehen

    Auch Gerda Hiller wurde durch das Sehen von Doppelbildern auf ihre Krankheit aufmerksam. Etwa 50 Jahre ist das her. Die MS verlief bei ihr über die Jahrzehnte schleichend. Sie führte dazu, dass sie heute mit dem linken Bein nur schlecht gehen kann. Auch Hiller nahm sich nach der Diagnose fest vor, sich von der Krankheit nicht unterkriegen zu lassen. „Jammern bringt nichts“, lautet das Lebensmotto der 84-Jährigen, die zu den ältesten Mitgliedern des Treffs zählt.

    Geleitet wird der Montagstreff von Franziska Heß-Hertlein, als ihre Stellvertreterin fungiert Helga Öchsner. Heß-Hertlein selbst ist nicht von MS betroffen: „Allerdings mein Mann.“ Der fühlte sich schon mit Ende 20 nicht so fit wie seine Altersgenossen. Oft war er müde und schlapp, oft waren die Beine schwer. Doch er nahm diese Unpässlichkeiten hin. Wird schon so schlimm nicht sein.

    Kurz nach der Heirat kam es dann ganz dick, berichtet Heß-Hertlein: „Mein Mann hatte mit einem Mal Symptome wie bei einem Schlaganfall.“ 13 Wochen lag er in der Uniklinik. Das Wort „MS“ sprach jedoch niemand aus. Erst nach der Entlassung wurde das junge Ehepaar von einem Hausarzt aufgeklärt.

    Gruppenleitung übernommen

    Vor etwa mehr als 15 Jahren kam Franziska Heß-Hertlein erstmals in die MS-Gymnastikgruppe, die auch Angehörigen offen steht. Kurz darauf entschloss sie sich, die Gruppenleitung zu übernehmen. Heß-Hertlein tat dies, weil sie sah, wie wichtig die Gruppe für Menschen mit MS ist: „Vor allem ältere Gruppenmitglieder kommen auf diese Weise zumindest einmal in der Woche aus dem Haus.“

    Seit vier Jahren übt Physiotherapeut Sascha Pohl aus Zell mit den MS-Kranken. Eine Stunde lang erklimmt er mit ihnen im Zellerauer ABZ Heiligkreuz imaginäre Leitern, pflückt er mit weit ausgestrecktem Arm unsichtbare Äpfel und schraubt gymnastisch Glühbirnen ein. Er macht das sehr professionell – und das kostet natürlich. Diese Kosten bereiten der Gruppe gerade Kopfzerbrechen.

    Der „Runde Tisch“, der die Selbsthilfegruppen in Würzburg fördert, änderte seine Förderkriterien, erläutert Franziska Heß-Hertlein. Seit diesem Jahr werden, statt wie bisher 30, nur noch vier Gymnastikstunden für MS-Kranke pro Jahr gefördert. Heuer bezuschusste die Hertie-Stiftung die Gruppe einmalig. Doch diese Förderung wird es 2016 nicht geben: „Was bedeutet, dass wir im kommenden Jahr wohl erstmals einen Monatsbeitrag von fünf Euro von den Teilnehmern erheben müssen.“ Hoffentlich, so Heß-Hertlein, schrecke dies niemanden ab.

    Eine Teilnahme an der Gruppe ist nach Rücksprache mit Franziska Heß-Hertlein Tel.(09 31) 27 21 00 möglich.

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