Auch wenn das Dritte Reich längst Vergangenheit ist, so ist es doch immer noch über Gebäude, Denkmäler und andere künstlerische Zeugnisse vielerorts präsent. In Museen natürlich, aber auch und gerade im öffentlichen Raum finden sich zahlreiche Relikte aus der Zeit von 1933 bis 1945. Das Fatale daran: Oft sind sie auf den ersten Blick kaum oder nur schwer identifizierbar. Das gilt auch für Würzburg, wie Professor Christoph Zuschlag bei einem Vortrag im Begleitprogramm der Ausstellung „Tradition und Propaganda“ im Museum im Kulturspeicher erläuterte.
In seinem Vortrag „Ein schwieriges Erbe. Über den Umgang mit Kunst aus der NS-Zeit heute“ beschäftigte sich der Kunsthistoriker von der Universität Koblenz-Landau, der als einer der profiliertesten Experten der Kunst der NS-Zeit und der Entarteten Kunst gilt, auch mit der Frage, ob man Kunstwerke, die im Dienst der Nazi-Propaganda standen, erhalten oder beseitigen soll. Grundsätzlich hält Zuschlag nichts davon, Zeugnisse bestimmter historischer Epochen „abzuräumen und Geschichte zu entrümpeln“. Vielmehr sollte man ihnen zeitgenössische künstlerische Positionen gegenüberstellen oder sie zumindest kommentieren und kenntlich machen.
Ein solches Beispiel ist in Würzburg die Bronzeskulptur eines Diskuswerfers des Stuttgarter Bildhauers Fritz Nuß auf dem Sanderrasen. Ist doch nur ein harmloser Sportler, der hier dargestellt ist, könnte man meinen. Doch weit gefehlt. In diesem Fall macht schon die Herkunft deutlich, worum es sich hier handelt. Die Figur war nämlich bei der großen Deutschen Kunstausstellung 1939 ausgestellt, wo nur Werke gezeigt wurden, die dem Geschmack der Nazi-Oberen und ihrer Ideologie entsprachen. Im gleichen Jahr wurde sie dann auch von der Stadt Würzburg für 7500 Reichsmark gekauft und zunächst im Ringpark aufgestellt. Eigentlich müsste diese Plastik, so der Experte, einen Hinweis auf ihre Herkunft haben.
Nicht immer aber ist Kunst, die während der NS-Zeit entstanden ist, so einfach als propagandistische Nazi-Kunst zu entziffern, berichtete Zuschlag. Bei Landschaftsbildern beispielsweise wird eine Zuordnung, wie Zuschlag anhand von Beispielen zeigte, deutlich komplizierter. Da auch die Propagandakunst nicht selten volkstümlich und idealisierend war, unterschied sie sich manchmal nur schwer von Künstlern, die schon vor der NS-Zeit in diesem Genre tätig waren. So können vermeintlich harmlose Bilder durchaus eine politische Bedeutung haben. Zur Einschätzung gibt dann der Zeitraum ihrer Entstehung oft wichtige Hinweise. Es gab aber auch Künstler wie den Bildhauer Arno Breker („ein richtiger Karrierist“), die sich opportunistisch dem Geschmack der Nazis anpassten und so große Aufträge an Land zogen.
Wie soll man nun heute mit der propagandistischen Nazi-Kunst umgehen? Zuschlag rät, sofern sie sich im öffentlichen Raum befindet, sie zu erfassen und zu datieren. Werke in Museen sollten wissenschaftlich bearbeitet und in Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht werden. Man sollte diese Kunst nicht dämonisieren, sondern sie didaktisch-kritisch dokumentieren.
Und auch wenn die Nazikunst ein schwieriges Erbe darstellt, so Zuschlags Fazit, „müssen wir uns dem immer wieder aufs Neue stellen“.
Der nächste Vortrag zur Ausstellung „Tradition und Propaganda“ ist am Donnerstag, 11. April, um 19 Uhr im Kulturspeicher. Dann spricht die stellvertretende Museumsleiterin Henrike Holsing über den Gründer der Städtischen Galerie Heiner Dikreiter und sein Verhältnis zu den NS-Machthabern. Eintritt ist frei.