Heikle Vorwürfe macht die Uni Würzburg den Fernsehsendern ARD und ZDF: Mit einer am Donnerstag veröffentlichten Studie wollen die Forscher beweisen, dass 2015 die Berichterstattung der beiden TV-Anstalten über die Schuldenkrise Griechenlands journalistisch unsauber war.
Berichte seien zu wenig ausgewogen
Die Berichte in den Hauptnachrichtensendungen „Tagesschau“, „heute“, „Brennpunkt“ und „ZDF spezial“ seien „vielfach unausgewogen“ gewesen, heißt es in einer Mitteilung der Uni zu der Studie. Die griechische Regierung sei seltener zu Wort gekommen als andere Akteure, ihre Reformvorschläge seien nicht in journalistisch gebotener Weise analysiert worden. ARD und ZDF haben die Kritik am Donnerstag erwidert.
„Das war Griechenland-Bashing“
„Das war eher ein Griechenland-Bashing“, fasste der Professor für Wirtschaftsjournalismus, Kim Otto, die Studie seines Teams zusammen. Den Auftrag für das Werk hatte die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung (Frankfurt/Main) gegeben.
Wie Otto gegenüber unserer Redaktion weiter sagte, sei die tendenziöse Berichterstattung von ARD und ZDF über Griechenland zum Teil „sehr frappierend“ gewesen. Das widerspreche der Pflicht der öffentlich-rechtlichen Sender zu Ausgewogenheit, Fairness und Überparteilichkeit. Und das ausgerechnet bei Flaggschiffen wie „Tagesschau“ und „heute“, „die ich sehr schätze“, so Otto.
ARD und ZDF halten dagegen
Nach seinen Worten hat sein Team an der Uni Würzburg aus den Mediatheken der beiden TV-Sender etwa 700 Beiträge zur Griechenland-Krise mit zusammen 19 Stunden Dauer ausgewertet. Die Forscher mussten nach einheitlich vorgegebenen Kriterien unter anderem untersuchen, wer in den Beiträgen zu Wort kommt und in welche Richtung die Aussagen gehen.
Eines der Ergebnisse: „In 20,8 Prozent der Beiträge fanden sich negative Bewertungen von Akteuren über die griechische Regierung. Die deutsche Regierung wurde nur in 5,7 Prozent der Beiträge negativ von anderen Akteuren beurteilt“, ist auf den 130 Seiten der Studie zu lesen. Das heißt nach Ansicht der Forscher: Die Berichte über Griechenlands Regierung waren nicht ausgewogen, die Journalisten haben zu oft Meinung und Nachricht vermischt.
Dem widersprach am Donnerstag ARD-Chefredakteur Rainald Becker in einer Stellungnahme: Das Erste habe über die Griechenland-Krise „sehr ausführlich, analytisch und journalistisch ausgewogen berichtet“. Relevante Entscheidungsträger seien stets zu Wort gekommen. Becker kritisierte die Methodik der Würzburger Studie als „leider pauschalierend, nicht sachgerecht und wenig hilfreich“, so dass sie zu einem „verzerrenden Urteil“ führt.
Ähnlich die Entgegnung des ZDF: Die Studie werfe Sendungen „mit unterschiedlichen Aufgaben in einen Topf“, teilte Sprecher Thomas Hagedorn mit. Ebenfalls wichtige Sendungen wie „heute-journal“ oder „Auslandsjournal“ seien von den Würzburgern gar nicht berücksichtigt worden. Die Studie könne deshalb „kein repräsentatives Bild der ZDF-Berichterstattung zur Schuldenkrise zeigen“.
Kritik an der Studie
Der Sender könne die Schlussfolgerungen der Studie nicht teilen, „wir beteiligen uns aber sehr gern an der kritischen Diskussion“, schreibt Sprecher Hagedorn weiter.
Moderate Töne kommen indes von der Otto-Brenner-Stiftung: Die Ergebnisse „der empirisch breit angelegten und sorgfältig durchgeführten Studie“ sollten nicht einseitig ausgeschlachtet und für eine pauschale Diskreditierung öffentlich-rechtlicher TV-Berichterstattung missbraucht werden.
Auch Zeitungen in der Schusslinie der Forscher
Professor Otto und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Köhler hatten bereits im März eine Analyse veröffentlicht, in der es um die Berichterstattung großer deutscher Tageszeitungen sowie des Portals Spiegel Online zur Griechenland-Krise geht. Das Urteil fiel ähnlich aus wie jetzt bei den Fernsehsendern: „Insgesamt erfüllt die Berichterstattung nicht die erforderlichen Qualitätsstandards.“