20 Billiarden, ausgeschrieben: 20.000.000.000.000.000 – eine 20 mit 15 Nullen. Eine schier unvorstellbare Zahl, die laut aktuellen Berechnungen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) die Summe aller auf der Erde lebenden Ameisen darstellt. Doch die Forscherinnen und Forscher haben noch mehr über die sechsbeinigen Insekten herausgefunden.
1. Gesamtgewicht aller Ameisen übersteigt das aller wilden Säugetiere und Vögel

Die errechnete Gesamtzahl aller Ameisen sei eher ein Beiprodukt seiner Studie gewesen, erklärt Dr. Patrick Schultheiss vom Lehrstuhl für Verhaltensbiologie und Soziobiologie an der Uni Würzburg. Vielmehr sei es darum gegangen, die Dichte der Ameisenpopulationen in den unterschiedlichen Lebensräumen der Erde zu ermitteln und miteinander zu vergleichen.
Schultheiss, der die Studie zusammen mit seiner Kollegin Sabine Nooten an der University of Hong Kong angestoßen hatte und nun an der JMU veröffentlichte, ahnte jedoch, dass die Zahl seiner Forschungsarbeit prägnante Schlagzeilen bescheren würde, die sonst andere für sich beansprucht hätten: "Uns war klar, dass wenn wir nur unsere Vorberechnungen veröffentlichen, jemand anderes die Gesamtzahl errechnen würde. Deshalb haben wir das lieber gleich selbst gemacht - auch um fehlerhaften Berechnungen vorzubeugen."
Zudem macht die Zahl auch gut die Biomasse der Insektenfamilie begreifbar, die mit 12 Megatonnen die kombinierte Masse aller wilden Säugetiere (7 Mt) und Vögel (2 Mt) übertrifft und 20 Prozent der des Menschen (60 Mt) ausmacht. Die Anzahl und Verbreitung der Ameisen, die laut Schultheiss pro Hektar im Jahr bis zu 13 Tonnen Erdmasse bewegen, hat daher großen Einfluss auf die Erhaltung des Nährstoffkreislaufs.
2. Matabele-Ameisen versorgen die Wunden verletzter Artgenossinnen

Der Fokus von Dr. Erik Frank vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der JMU gilt weniger dem Einfluss der Ameisen auf ihre Umwelt, als ihre Interaktion in Sachen Wundversorgung. Dafür betrachtete der Biologe die afrikanische Matabele-Ameise, die im Verbund Jagd auf wehrhafte Termiten macht. Die Insekten tragen dabei häufig Wunden, wie etwa abgetrennte Gliedmaßen, davon. Verletzte Tiere werden von ihren Artgenossinnen jedoch nicht einfach im Stich gelassen. Entscheidet sich die verwundete Ameise, dass sie gerettet werden möchte, sondert sie ein Pheromon ab, das die anderen dazu bewegt, sie zurück ins Nest zu bringen. Ist das Tier zu schwer verletzt, bewegt es sich hingegen hektisch und verhindert damit die eigene Rettung.
Ein besonders erstaunlicher Umstand, den Frank in jahrelanger Forschung kürzlich offenbar verifizieren konnte, ist der, dass die "Sanitäter" im Nest zu "Ärzten" werden. Mithilfe ihrer Metapleuraldrüse produzieren die Ameisen eine antimikrobielle Substanz, die sie in den Mund nehmen und auf die potenziell infizierte Verletzung auftragen. Eine systematische Art der Wundversorgung, wie man sie bisher nur vom Menschen kannte.
3. Wüstenameisen orientieren sich mithilfe ihres eigenen Magnetkompasses

Auch Prof. Wolfgang Rössler, Lehrstuhlinhaber der Verhaltensbiologie und Soziobiologie, hat es für seine Erforschung der Cataglyphis oder Wüstenameise nach Afrika gezogen. Der Wissenschaftler wollte dort herausfinden, wie die Wüstenameisen auf ihrer ausgedehnten Futtersuche, bei der sie bis zu 1,5 Kilometer zurücklegen, in der gleichförmigen Wüstenumgebung navigieren.
Rösslers verblüffende Erkenntnis: "Sie benutzen dafür einen Sonnenkompass und einen Schrittzähler." Dabei müsse der Sonnenkompass zunächst einmal eingerichtet werden. Dafür nutzen die Ameisen ihren eigenen Magnetkompass, der nach Einschätzung des Biologen in den Fühlern der Tiere sitzt. Mit dessen Hilfe können die Ameisen auf Lernläufen navigieren, dabei immer wieder zur Nestöffnung zurückschauen und sich ihre Umgebung einprägen.
Warum die Ameisen sich die Mühe machen, ihren Sonnenkompass zu kalibrieren und nicht ausschließlich auf ihren Magnetkompass setzen, ist eine Frage, die Rössler künftig noch klären möchte.