Mehr als zwanzig Jahre hat es gedauert, bis nach der Stadt Ochsenfurt auch im ländlichen Bereich die Nachfrage so groß geworden ist, dass die vorsorgliche Bereitstellung einer Urnenwand Sinn macht. Dabei gilt nach wie vor das Prinzip, je weiter von den großen Städten entfernt und je kleiner der Ort, desto geringer die Nachfrage. So sind in Röttingen Urnenbeisetzungen ohnehin etwas ganz Seltenes. Es gibt weder Urnengräber noch eine -wand. Auch in Aub wird die traditionelle Erdbestattung bevorzugt. Von den vorgesehenen Urnengräbern ist noch keines belegt. Mittlerweile ganz gut angenommen werden die Urnengräber in Eibelstadt, nachdem sie mit der Friedhofserweiterung einen passenden Rahmen bekommen haben, schätzt Bürgermeister Heinz Koch ein. Sehr gut angenommen und akzeptiert ist mittlerweile die Urnenwand in Reichenberg, die aus Platzgründen errichtet und 1994 erstmals belegt wurde. Von den 42 Nischen sind 17 belegt, teilt Dieter Geiling von der Friedhofsverwaltung mit.
Genau vor einem Jahr war der neue Friedhofsteil in Giebelstadt eingeweiht worden. Zum einen passe die Wand gut als Abschluss an diese Stelle, erklärt Roland Mark vom Standesamt Giebelstadt das Motiv, zum anderen sei der Bedarf da. Nachfragen habe es immer wieder gegeben. Zurzeit gebe es zwei Reservierungen, so Mark. Von den Urnengräbern vor der Wand, die der Giebelstadter Ingenieur Emil Leimig entworfen hat, sind zwei belegt.
Dass bislang noch keine Nische belegt ist, liege sicher auch daran, dass die Gebühren erst seit einem viertel Jahr feststehen, argumentiert Mark. 905,30 Euro sind für eine Urnenkammer zu berappen, die Platz für zwei Urnen bietet. Nischen für bis zu vier Urnen kosteten auf 20 Jahre Ruhezeit 1810,60 Euro. 45 000 Euro, die die Wand gekostet hat sowie ein Anteil an der Infrastruktur des Friedhofs wurden umgelegt auf die einzelnen Ruheplätze. Der zunächst relativ hohe Preis im Vergleich zu einem Urnengrab (142,86 Euro), Reihen- (295,71 Euro) oder Familiengrab (591,43 Euro) relativiere sich auf die Jahre, denn außer einer Beschriftung der Grabplatte gebe es keine Folgekosten. Es wird weder ein Grabstein benötigt, noch Grabpflege, die beispielsweise das Bestattungsinstitut Otto Volk mit 250 Euro jährlich ansetzt.
Weder finanziellen noch persönlichen Aufwand für Grabpflege zu haben, sei ein verlockendes Argument für Feuerbestattung und Urnenwand. Ältere Ehepaare, deren Angehörige weiter weg leben und kinderlose Paare bevorzugen eine letzte Ruhestädte in einer Urnenwand wie Anita Quitschau, verantwortlich für Bestattungsangelegenheiten bei der Stadt Ochsenfurt, fest gestellt hat. Nach Konfessionen oder Alter könne sie dagegen keine Unterschiede erkennen. Oft regelten Paare und allein lebende Menschen alle Einzelheiten vorher. Die Urnenwand in Ochsenfurt ist - obwohl nicht vollständig belegt, deshalb schon seit Jahren ausverkauft. Es existiert sogar eine Warteliste.
Etwas anders sieht das Bestatter Hans Hartner für den Gau: "Urnen werden hier nie über 20 Prozent kommen." Mit der stark ländlichen Struktur und der überwiegend katholischen Bevölkerung hänge das zusammen, wie er meint. Insgesamt durchschnittlich 15 bis 20 Prozent - mit sehr unterschiedlichem Anteil zwischen den einzelnen Orten, je nach Tradition - sei der Anteil an Urnenbestattungen derzeit einzuschätzen. Gisela Volk schätzt den Anteil der Urnenbestattungen dagegen bereits jetzt auf 30 Prozent. Manchmal, wenn das Familiengrab eigentlich noch belegt ist, sei die Urne auch notgedrungen eine Alternative zu einer neuen Grabstätte. Die Kosten für die Bestattung selbst, so Hartner, kämen bei Erd- und Feuerbestattung auf das gleiche hinaus, zumal etwa 90 Prozent der Beisetzungen eine normale Trauerfeier am Sarg voran geht und die Einäscherung erst danach stattfindet. Volk: "Der Abschied am Sarg hat Vorrang." Zeitliche Gründe seien es meist, wenn erst die Einäscherung stattfindet, weil die Angehörigen nicht innerhalb von drei Tagen zusammen kommen können. Dabei gewinnt die Trauerfeier besondere Dramatik, wenn der Sarg dann nicht beigesetzt, sondern wieder weg gefahren wird. Mit extra leise schließenden Autotüren versuche Hartner den schwierigen Augenblick abzumildern. In Ochsenfurt beendet ein Vorhang, der sich vor dem Sarg schließt, die Trauerfeier.
Volk: "Urnenbestattungen sind vom Gefühl her etwas anderes. Man sollte sich seiner Gefühle klar sein. Es gehe nicht um den Platz allein." Bei Trauerfeiern mit Urne täten sich doch die meisten Leute schwerer den Bezug zum Verstorbenen herzustellen, ist auch Hartners Erfahrung. Auch bei Urnenwänden, wo Angehörige Blumenschalen vor der Wand abstellen können, ließen sich diese nur schwer persönlich zuordnen. Aber die Devise lautet: Lieber eine ordentliche Urnenwand, als verwahrloste Gräber. Dicht an dicht hätten die Blumenschalen an der Ochsenfurter Wand sonst gestanden, das sei über die Jahre weniger geworden, beobachtete Quitschau.
Bei Urnenwänden gibt es darüber hinaus vor allem die Steinmetze und die Friedhofsgärtner, deren Handwerke hier das Nachsehen haben. Bei Urnengräbern setzt sich die Tradition immerhin noch im Kleinen fort.