Über seinen letzten „Urlaub“ im afrikanischen Ghana kann Chefarzt Dr. Georg Schön von der Würzburger Missionsärztlichen Klinik ausführlich berichten, obwohl er keine Safari-Lodge gebucht und kein einziges wildes Tier gesehen hat. Die Schwestern im St. Dominic's Hospital in Akwatia, dem größten kirchlichen Krankenhaus im Land, hatten ihn nämlich wieder voll verplant: Er pendelte in seinem Urlaub zwei Wochen lang zwischen zwei Operationssälen hin und her und leistete durchschnittlich acht Operationen täglich. Das waren Eingriffe, die das Leben von Patienten oft gewaltig verändert haben, sagt Schön.
Dafür nennt Dr. Schön, Jahrgang 1954, Chefarzt der Urologischen Abteilung der Würzburger Missio-Klinik, Beispiele: Patient Kofi B. war über zehn Jahre lang auf einen Dauer-Katheder angewiesen und das unter afrikanischen Hygiene-Bedingungen. „Den hätten Sie erleben müssen, als der zum ersten Mal wieder normal Wasser lassen konnte“, beschreibt der Urologe eindrucksvoll. Jahrelang wegen einer Prostatavergrößerung mit Katheter leben müssen, das bedeute fast automatisch auch schmerzhafte Entzündungen oder Blasensteine, so der Chefarzt.
Dr. Schön, Oberpfälzer aus Waldmünchen, ist Chefarzt in einem der größten deutschen Prostatazentren. Vermisst er bei solchen „Urlaubseinsätzen“ fern der heimischen Missio-Klinik in Würzburg gelegentlich den Operations-Roboter „Da Vinci“, ein chirurgische High-Tech-System, das den Operateur mit High-Tech unterstützt? „Überhaupt nicht“, so Dr. Schön. Es sei manchmal gut, sich für zwei Wochen von der High-Tech-Medizin zu verabschieden. Da man keine weiteren Verpflichtungen hat wie Telefonate, Dokumentationen, Besprechungen, Verwaltungsangelegenheiten, empfinde man das „nur Operieren“ nahezu wie Urlaub.
Dass deutsche Urologen wie Dr. Schön, Krankenschwestern und OP- Personal über den Verein „ Die Ärzte für Afrika“ gezielt zu Kurz- Einsätzen nach Ghana fliegen, hat eine traurige Vorgeschichte: In dem Land war 2006 bei einem Verkehrsunfall fast die Hälfte der einheimischen Urologen, die von einer Behandlungs- Tour im Norden des Landes zurückkehrten, ums Leben gekommen: Vier waren sofort tot, einer blieb querschnittgelähmt. Dieser Unfall und seine Folgen führte 2007 in Münster zur Gründung des Vereins „Die Ärzte für Afrika“, dessen Hilfe sich bisher auf Ghana und die Urologie dort beschränkt. Dr. Schön las davon im Ärzteblatt und handelte.
Jahresgehalt für eine Operation
Inzwischen gibt es in Ghana, dessen Bevölkerung auf 25 Millionen Menschen geschätzt wird, wieder etwa zehn einheimische Urologen und an der Universitätsklinik in der Hauptstadt Accra wird alle ein bis zwei Jahre ein einheimischer Arzt als Facharzt für Urologie ausgebildet. Die Bevölkerung in ländlichen Gebieten habe, so Dr. Schön, so gut wie keinen Zugang zu urologischer Versorgung. Das führe dann dazu, dass Patienten über ein Jahrzehnt und länger mit ihren Beschwerden leben und auf eine Operation warten müssen. Eine Prostata-Operation in einem staatlichen Krankenhaus kostet etwa so viel, wie ein Arbeiter im Jahr verdient.
Die Anreise zum Arbeitsurlaub hat Schön selbst bezahlt, eine Aufwandsentschädigung ist bei „Die Ärzte für Afrika“ nicht üblich, nur die Unterkunft ist frei.
Die Patienten sind, so der Chefarzt, vor seinem dritten Ghana-Einsatz von einem gut ausgebildeten einheimischen Medical Assistent für die Operation ausgewählt worden. Das einheimische Personal am St. Dominic's Hospital in Akwatia wurde für die zwei Wochen verstärkt, zwei Anästhesisten waren im Einsatz und Pfleger mit Zusatzausbildung.
Warum er in Afrika operiert? „Wenn man im Leben viel Glück gehabt hat, will man den Menschen, die auf der Schattenseite stehen, etwas davon abgeben“. Dass Patienten und ihre Angehörigen in Ghana dem Doktor aus Deutschland ein Lied singen, solche ungewohnte Gesten der Dankbarkeit bleiben für den Chefarzt besonders in der Erinnerung.
Seit 2006 sind Teams des „Ärzte für Afrika e.V.“ zu 37 Einsätzen nach Ghana geflogen. Für 2011 sind 14 Einsätze geplant. Dem Verein gehören derzeit 30 aktive Urologen und Ruheständler an.