Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: „Ursache für die Aggression ist das Platzproblem in den Städten“

WÜRZBURG

„Ursache für die Aggression ist das Platzproblem in den Städten“

    • |
    • |

    Mit den ersten warmen Frühlingstagen kommen die Radfahrer. Und mit den Radfahrern wird es noch enger auf Bayerns Straßen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club vertritt bundesweit die Interessen der Alltags- und FreizeitradlerInnen. Er umfasst derzeit mehr als 165 000 Mitglieder aller Altersstufen, davon über 26 000 in Bayern. Mehr als 1000 Aktive in 50 Kreis- und Ortsverbänden setzen sich in Bayern ehrenamtlich für einen höheren Stellenwert des Fahrrads ein. Wir haben mit Laura Ganswindt, Pressesprecherin beim ADFC Bayern, über die zunehmende Rücksichtslosigkeit auf der Straße gesprochen.

    Werden die deutschen Fahrradfahrer immer aggressiver?

    Laura Ganswindt: Immer wieder berichten Medien über ein zunehmend aggressives Klima auf deutschen Straßen. Der ADFC teilt diese Wahrnehmung mit Sorge, hält aber Schuldzuweisungen an individuelle Verkehrsteilnehmer für unzureichend. Ursache der steigenden Aggression ist das wachsende Platzproblem in den Städten. Dieses entsteht durch den immer weiter wachsenden Kraftfahrzeugbestand, immer mehr Autokilometer – und immer größere Autos.

    Warum kommt es immer mehr zu Konflikten?

    Laura Ganswindt: Während das Fahrrad vor dem zweiten Weltkrieg ein Massenverkehrsmittel war, wurde es in den 1960er-Jahren weitgehend vom Auto verdrängt. Seit den 1980er-Jahren nimmt der Radverkehr aber wieder zu, in einigen Großstädten sogar exponentiell. Gleichzeitig geht die Kraftfahrzeugdichte jedoch nicht zurück. Die Folge sind zunehmende Konflikte um den Raum in der Stadt. Veraltete und unterdimensionierte Fahrradinfrastruktur verschlimmert die Situation.

    Wird das Radfahren also immer gefährlicher?

    Laura Ganswindt: Für Radfahrende ist das Gedränge in der Stadt dabei deutlich gefährlicher als für Autoinsassen, denn sie riskieren bei einer Kollision ihr Leben, während man im Auto meist mit Schreck und Blechschaden davonkommt. Hauptschuldiger bei Kollisionen von Rad und Auto ist in 75 Prozent der Fälle übrigens der Mensch im Auto. Gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer ist deshalb oberstes Gebot im Straßenverkehr. Bei dichter werdendem Verkehr nimmt der Stresspegel zu und damit auch die Reizbarkeit. Hinzu kommt eine vielerorts unzureichende Fahrradinfrastruktur, die der Nachfrage hinterherhinkt und die Gefahrensituationen birgt, wie zum Beispiel Fahrradwege, die plötzlich enden und Radfahrer, die sich in den Straßenverkehr einordnen müssen.

    Was könnte die Situation verbessern?

    Laura Ganswindt: Eine neue Infrastrukturlösung können sogenannte der „Protected Bikelanes“ sein. Bei dieser in den USA erprobten Lösung wird eine Fahrradspur mit Pollern, Betonelementen oder Blumenkübeln von der Fahrbahn abgetrennt – und mit auffälligem Grün hervorgehoben. Radverkehr und Autoverkehr verlaufen so getrennt voneinander, was das Gefahrenpotenzial erheblich senken und zu mehr Entspannung im Straßenverkehr führen kann.

    Warum passieren immer mehr Unfälle mit E-Bikes?

    Laura Ganswindt: Pedelecs und E-Bikes wiegen mit 25 bis 30 Kilogramm deutlich mehr als normale Fahrräder. Je nach Antriebskonzept und Akku-Positionierung haben sie einen veränderten Schwerpunkt, was sich auf das Fahrverhalten auswirkt und evtl. den Bremsweg verlängert. Außerdem ist die Schubkraft des Elektromotors nicht zu unterschätzen. Beim Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr müssen E-Bike-Fahrer bedenken, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht sofort erkennen können, ob es sich um ein normales Fahrrad oder ein Elektrofahrrad handelt. Dadurch wird die Geschwindigkeit eines Pedelecs oder E-Bikes oft falsch eingeschätzt. Der ADFC rät generell zu einer angepassten Geschwindigkeit, denn diese trägt speziell bei Fahrten im innerstädtischen Bereich zur Verkehrssicherheit bei.

    Gibt es Städte in Bayern, die besonders viel für Radfahrer tun?

    Laura Ganswindt: Mit den Radentscheiden, die in vielen deutschen Städten durch eine Bewegung von unten, also von der Bevölkerung, ins Leben gerufen werden, wird Druck auf die Politik ausgeübt. In Bamberg war der „Radentscheid Bamberg“ sehr erfolgreich. Die Bayerische Staatsregierung hat mit dem „Radverkehrsprogramm Bayern 2015“ einen wichtigen Schritt in Richtung Radverkehrsförderung getan. Das Radverkehrsprogramm wurde nicht zuletzt auf Anregung des ADFC Bayern hin erarbeitet und Anfang 2017 vorgestellt. Um das Kernziel des Programms zu erreichen, den Radverkehrsanteil in Bayern bis 2025 auf 20 Prozent zu verdoppeln, braucht es nach Ansicht des ADFC Bayern deutlich mehr Geld und Personal sowie einen rechtlichen Rahmen. Ohne rechtliche Vorgaben bleibt nämlich jedem Landkreis, jeder Stadt und jeder Gemeinde selbst überlassen, ob und wie sie den Radverkehr stärkt. Deshalb fordert der ADFC Bayern: Ein Rad-Gesetz für Bayern!

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden