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WÜRZBURG: Versteckt an „heimblichen Orthen“

WÜRZBURG

Versteckt an „heimblichen Orthen“

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    Die Goldene Gans vor dem Krieg. Damals war die gegenüber liegende Seite der Burkarder Straße noch bebaut.
    Die Goldene Gans vor dem Krieg. Damals war die gegenüber liegende Seite der Burkarder Straße noch bebaut.

    Es ist eines der ältesten Viertel der Stadt, das Mainviertel unterhalb des Festungsberges, einst aufgeteilt in die Siedlungen Kühbach und Niedernhofen. Außer der Burkarder Kirche hat dort kein Gebäude aus der Frühzeit des Bischofssitzes den 16. März 1945überstanden. Doch auf guten Fundamenten lässt sich aufbauen, und so finden sich Häuser, deren Keller es schon gab, als von Residenz oder Hofgarten noch niemand zu träumen wagte.

    Eines davon ist die „Goldene Gans“ in der Burkarderstraße, die vor kurzem nach einem Umbau wieder eröffnete. Die Gewölbe im hinteren Bereich, so berichtete dabei Betreiber Michael Will, stammten noch vom ursprünglichen Haus, dessen Erbauung er auf 1603 datierte.

    „Das ist nachweislich falsch“, meldete sich daraufhin Norbert Schneider aus Rosenheim zu Wort, dessen Großeltern von 1911 bis 1918 den Gasthof Goldene Gans als Pächter und anschließend bis 1939 als Eigentümer geführt hatten. Er las im Internet vom Umbau. Der Vater habe 1934 eine umfangreiche Sammlung von Abschriften von Urkunden und Gerichtsakten sowie Auszüge aus den verschiedensten Büchern angelegt.

    „Behausung zur Gans oder Steinhauffen“

    Laut dieser Niederschrift tauchte Anno Domini 1310 im Kopialbuch des Klosters Himmelspforten in einem Verkaufsbrief ein Haus auf, das der „Mercklerin Haus“ genannt wurde. Es dauert aber noch bis 1542, bis das Haus nebenan im Ratsbuch Nr. 26 des Stadtarchivs Würzburg als „Behausung zur Gans oder Steinhauffen“ erwähnt wird. Der erste, im Schatzungsbuch des Mainviertels 1564 erwähnte „Wirth“ der Gans, hieß Hans Rötlein.

    Die Gans aus dem Jahre 1542 trug im Laufe der Zeit viele verschiedene Namen, fand Schneider heraus. Es gab Herberg zur Gans, Haus zur Gans, Wirtschaft zur Gans, Wirtshaus zur Gans, Schenkstatt zur Gans. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts heißt sie Wirttshauß zur gultenen Ganß, 1693 Gasthauß zur guldenen Ganß, 1804 Wirthshaus zur goldenen Gans, 1850 Gasthaus zur goldenen Gans und zuletzt Gasthof „Goldene Gans“.

    1581 gelangte das anfangs erwähnte „Mercklerin Haus“ zu den Ganswirten. So heißt es 1581 im Ratsbuch 27: „Die Ersame Sebastian Wolffart Bürger und dieser Zeit Virtellmeister Jenseits Mains, vnd besitzer zweier Heuser das eine Zur Ganß das ander hart oben drann gelegene vnd zum Mercklein genannt.“

    Ein drittes Stockwerk gebaut.

    Eine große Veränderung gab es laut Aufzeichnungen in den Würzburger Urkunden von 1850. Das Wohnhaus Nr. 180 in der Spital- und ersten Felsengasse wurde mit Wohnhaus Nr. 186 einschließlich wohnbarem Nebengebäude in der Saalgasse – es war das Gasthaus zur Goldenen Gans – zusammengebaut. Stallung, Kelterhaus, Holzfalle, Hofraum und Pumpbrunnen gehörten dazu. Bis 1871 hatte das Haus nur zwei Stockwerke, erst dann wurde es um einen Stock erhöht, der jedoch nicht aus Sandstein bestand, sondern nur in dieser Art verputzt war.

    Valentin Schneider baute 1928 die Gans erneut um. Die Toreinfahrt rückte man mit dem Hauseingang etwas nach links, wodurch der Laden eines Altwarenhändlers verschwand und der einzige Wirtschaftsraum vergrößert werden konnte. Auch die „Aborte“ wurden frei in den Hof hinein versetzt.

    Die entstandenen vier Gebäude beherbergten nun die Wirtsfamilie mit Gastwirtschaft, Fremdenzimmern und siebzehn Mietparteien. Darunter waren Arbeiter bei der Stadt, beim Wasserwerk und beim Gaswerk, Fabrikschreiner, Tüncher, Steinmetz, Sandschöpfer, Obst- und Geflügelhändler, Rentner, Invalide sowie Witwen von Bierfahrern, Altwarenhändler und Obsthändler.

    Schon immer verlangte die Obrigkeit ihren Anteil.

    1621 wird erstmals ein Kaufpreis für die Gans genannt. Konradt Ulsamer „erkauft“ für 1000 Gulden. Johann Leonhard Öhninger musset 1693 schon 2400 Gulden und für das Haus daneben 600 Gulden bezahlen. Am 17. Januar 1804 kaufte Joseph König das Anwesen für 7600 Gulden, davon 3600 für „Faß und Möbel“. Laut Würzburger Urkunden erwarb Johann König im Jahre 1818 die Gans für 9800 Gulden und der Privatier Jakob Freitag am 29. April 1898 für 120 000 Mark.

    Schon immer verlangte die Obrigkeit ihren Anteil, nicht immer waren die Wirte dabei ehrlich: In einer Niederschrift von 1563 bis 1574 ist erstmals die Rede von Umgeldzahlungen, die Schenkstätten vorzunehmen hatten. Es handelt sich um eine Weinsteuer, die dem Ganswirt Barthel Cleßmann schließlich im Jahre 1691 zum Verhängnis wurde. Actum den 13ten Februarii 1691 musste er der Obrigkeit Rede und Antwort stehen: „Von der Hochfürstlichen Würtzburgs Umgelts Stuben wird die Klage erhoben, dass der Ganßwirth jenseits Mains Umgeltsbetrug begangen und bei der Durchsuchung Beleidigungen und Scheltworte gebraucht hätte.“

    Letztendlich der Aufforderung nachgekommen.

    Der Ganswirt war in Verdacht geraten, an „heimblichen Orthen“ Wein versteckt zu haben, und so wurde beschlossen, ihn zusätzlich zu visitieren. Und tatsächlich weigerte sich der Barthel zunächst zwei Räume zu öffnen. Aber letztendlich kam er der Aufforderung nach. Zornig stieß er aus, dass sie ihn nur berauben wollten und bedrohte den Umgeltsdiener Balthasar Schott. Es wurden 18 oder 20 Eimer Wein gefunden und der Umgeltseinnehmer Johann Conrad Vintsch gab die Bestrafung der Hochfürstlichen gnädigsten Herrschaft anheim und bat neben exemplarischer Abstrafung um Genugtuung.

    Auf einer Abschrift mit 13 Schreibmaschinen-Seiten sind der Hergang und die Fragen an den Barthel sowie seine Antworten genauestens festgehalten. In mehreren Dialogen geht es dabei um die Öffnung der geheimen Räume und was gefunden wurde; auch um ein Fäßlein Kräutermost, davon er trinke. Bei Prozessbeginn war Cleßmann erst elf Wochen Ganswirt. Das Urteil ist nicht bekannt.

    Bevormundung der Einwohner.

    Die Abschriften von Bürgerrechtsakten des Stadtrates geben einen Einblick, wie die Einwohner bevormundet wurden. So bittet der Ganswirt Johann König (36) am 14. Januar 1829 um Erlaubnis, sich zum zweiten Male verehelichen zu dürfen, und zwar mit Barbara Weiß aus Hollstadt bei Neustadt/Saale. Andreas König (28) ersucht am 25. August 1848 um Erlaubnis zur selbstständigen Führung des Wirthshauses zur Gans. Das Gesuch zum Bürgerrecht hatte er bereits am 12. August 1848 gestellt. Seine Ehefrau hieß Katharina Englerth, geb. zu Randersacker. Der Wert des gesamten Grundbesitzes betrug 30 000 Gulden. Die Frau brachte 2000 Gulden mit in die Ehe.

    Mit dem Kauf der Gans durch das große Brauhaus „Würzburger Hofbräu“ im Jahr 1911 begann eine neue Ära. Ein 34-jähriger Bauernsohn, Valentin Schneider, und seine Frau, die 22-jährige Bäckerstochter Regina Schmitt, beide aus Wipfeld, wurden die neuen Pächter. Valentin, ein gelernter Metzger, führte den Gasthof so erfolgreich, dass er ihn schon nach sieben Jahren dem Brauhaus abkaufen konnte. Doch lebte er nach dem Umbau der Gans im Jahre 1928 nur noch zwei Jahre. Die viele Arbeit ohne Ruhetage, höchstens einmal ein kurzer Urlaub in Bad Brückenau, hatte ihn krank werden lassen.

    Die Gastronomie verlangte Tag und Nacht vollen Einsatz.

    Nun musste seine Witwe den Betrieb übernehmen. Sohn Hermann hatte eine Kellnerlehre und eine kurze Metzgerschulung gemacht und half ab 1930 mit. Sein Bruder Walter wurde 1931 von der Mittelschule genommen und musste eine ungeliebte Metzgerlehre antreten. Es war damals üblich, dass ein Wirt vorher diesen Beruf zu erlernen hatte.

    Beide Söhne sahen, dass die Gastronomie Tag und Nacht vollen Einsatz verlangte und fast kein Familienleben zuließ. So unterstützten sie die Mutter nur ein paar Jahre. Schließlich landeten sie beim Militär. Hermann wurde 1944 in Rußland vermisst; Walter überlebte und zog der Liebe wegen nach Oberbayern.

    1939 verkaufte Regina Schneider die „Goldene Gans“ zurück an die Würzburger Hofbräu AG, der neue Pächter hieß mit Nachnamen Hofmann. Nicht zuletzt Schwierigkeiten mit dem Personal führten zu diesem Schritt; eine Frau alleine konnte es auf Dauer in jener Zeit nicht schaffen, schreibt Schneider.

    Nach dem 16. März 1945

    Am 16. März 1945 wurde auch die „Goldene Gans“ fast völlig zerstört. Nur die vordere Hauswand mit Toreinfahrt und Hauseingang blieb bis zum ersten Stock hinauf stehen. Die Madonna mit Jesuskind und die Firmenschilder, die zwischen den Fenstern des ersten Stockwerkes angebracht waren, überstanden den Bombenangriff ebenfalls nicht. 400 Jahre Geschichte der Gans schienen zu Ende, 450 Kubikmeter Schutt blieben übrig.

    Doch es ging weiter. Zuerst in einer Notbaracke, die aber bald wieder schloss. Im September 1960 schließlich berichtete die Main-Post unter dem Titel „Gastlichkeit aus alter Tradition“ über die Neueröffnung durch den damaligen Besitzer Raimund Schimmel. Dieser ließ das Haus so bauen, dass es auch als 40-Betten-Hotel hätte genutzt werden können. Doch daraus wurde nie etwas.

    Eigener Biergarten am der Mainschleuse.

    Anfang der 1980er Jahre kaufte Karl Will das Anwesen und eröffnete nach der Renovierung am 1. Mai 1990 im Erdgeschoss das Fränkische Brauhaus und in den alten Kellergewölben die Goldene Gans mit Hausbrauerei. Aus dem Fränkischen Brauhaus wurde inzwischen Khams Sushi Bar, im Keller übernahmen Wills Kinder das Regiment, 25 Jahre lang war die „Brauhaus American Bar“ eines der angesagtesten Szenelokale der Stadt, seit 2010 mit eigenem Biergarten an der Schleuse. Seit Anfang Dezember lädt dort der „Brauereigasthof Goldene Gans“ von Michael Will wieder mit selbst gebrautem Bier zu Speis und Trank. Wie schon Hans Röthlein im Jahre 1564.

    Quellen: Abschriften Bay. Staatsarchiv Würzburg, Altes und Neues Rathaus Würzburg / 1934. Die komplette Dokumentation von Norbert Schneider liegt beim Verschönerungsverein Würzburg vor.

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