Die stille Revolution begann mit einem Donnerschlag. Er ließ Bodo Janssen erstarren. Der Schreck saß tief. Seine Mitarbeiter wollten ihn nicht mehr.
Die Eigensicht ein guter Manager zu sein, der heroische Taten vollbringt? Vorbei. Der Gefühlston grandios und unsterblich zu sein, hatte plötzlich seinen schönen Klang verloren, auf dessen Wolke der erfolgreiche Hotelchef jahrelang dahin schwebte – hoch über allen anderen.
Auf den Boden zurück holte ihn sein Personalleiter. Bernd Gaukler sagte ihm, dass die Stimmung im Unternehmen schlecht sei und seine Mitarbeiter teilweise Angst hätten – vor ihm und den Führungskräften. Zögerlich stimmte Bodo Janssen einer Mitarbeiterbefragung zu. Schließlich arbeiten seine Leute dort, wo andere Urlaub machen – in den Upstalsboom-Hotels und Ferienwohnungen im hohen Norden Deutschlands.
Ein Mann der Zahlen, Daten und Fakten
Glauben konnte der Ostfriese aus Emden diesen krassen Unterschied zwischen der Außen- und Selbstwahrnehmung nicht. Aber Janssen, laut eigener Aussage ein Mann der Zahlen, Daten und Fakten, wollte „valide Ergebnisse“.
Er bekam Fakten. Die Befragung bestätigte, was aus den Gesprächen, die Gaukler zuvor monatelang mit den Angestellten geführt hatte, herauszuhören war, in aller Deutlichkeit: Sie wollten einen anderen Chef.
Die Geschichte ist schon acht Jahre alt. Bodo Janssen hat sie oft erzählt und ein Buch darüber geschrieben: „Die stille Revolution – Führen mit Sinn und Menschlichkeit“. Dass er heute zu den besten Arbeitgebern zählt, seine Mitarbeiter überwiegend sehr zufrieden mit ihm sind, die Krankenzahlen gesunken sind, dass er ein anderer Mensch geworden ist, ging von diesen für ihn bitteren Aussagen seiner Mitarbeiter aus.
Bodo Janssen ging ins Kloster
Statt wie eine beleidigte Leberwurst zu reagieren und die Kränkung seines großen Egos mit einem aufgesetzten breiten Haifischlächeln zu ignorieren, ging Bodo Janssen damals ins Kloster – zu Anselm Grün. Die Wahl war keine zufällige. Denn er erinnerte sich, dass er, nachdem sein Vater 2007 tödlich verunglückt war, dessen Buch „Quellen innerer Kraft“ gelesen – und wieder vergessen hatte.
Nun würde ihm in einem Führungsseminar – damals im „Haus Benedikt“ in Würzburg, und geleitet von dem Benediktinerpater und dem Unternehmensberater Friedrich Assländer – sicher das Handwerkszeug mitgegeben, um die Mauer zwischen sich und seinen Mitarbeitern schnell wieder einreißen zu können, dachte er. Doch Pater Anselm schickte ihn erst mal in die Stille – ein Zustand, den der umtriebige heute 44 Jahre alte Bodo Janssen damals kaum aushalten konnte.
Fünf Minuten Stille im Kinosaal
Kein Wort, kein Räuspern, nur leise Atemzüge. Das war vor wenigen Tagen im großen Saal des Kinos Central im Bürgerbräu in der Würzburger Zellerau. Hubertus Spieler, einer der vier Gesellschafter im „Team Benedikt“, hat alle Gäste im vollen Kinosaal aufgefordert, fünf Minuten in die Stille zu gehen. Nur einmal ging die Türe des Saals auf und zu. Womöglich kamen einige der Besucher, darunter viele Führungskräfte, wie einst Bodo Janssen, damit nicht zurecht.
Zuvor lief „Die stille Revolution“ von Regisseur Kristian Gründling, „Der Kinofilm zum Kulturwandel in der Arbeitswelt“. Seit März tourt er durch Deutschland. Der Kurzfilm dazu hat bereits einige Auszeichnungen erhalten. Und nun gibt es die 90 Minuten lange Dokumentation „nach der Vision von Bodo Janssen“. Und diese Vision begann in Würzburg.
Das Seminar im damaligen Stadtkloster hat den Hotelier anfangs irritiert. Er sollte das Handy zu Hause lassen, dunkle Kleidung und warme Socken mitbringen. Untergebracht war er in einem karg eingerichteten Zimmer. Das Seminar begann mit Fragen wie „Wer bin ich und woher komme ich?“ – und nicht wie erwartet mit einer Vorstellungsrunde, in der jeder erzählt, was er beruflich macht.
„Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen“
Daraus wird noch keine „stille Revolution“ und entwickelt sich keine „Vision“. Es waren vielmehr Botschaften wie „Disziplin ist der einzige Weg zum Ständig-glücklich-Sein“, ein Zitat von Hildegard von Bingen. Und: „Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen.“ Dieser Satz habe ihm sehr zu denken gegeben, schreibt Bodo Janssen in seinem Buch. Er habe keine Ahnung gehabt, wohin er sich führen solle, wohin seine persönliche Reise gehen sollte. Er habe sich nie damit auseinandergesetzt.
Ruhe und Konzentration waren damals nicht sein Ding. „Wenn Sie Ihre Ruhe nicht in sich selbst finden, ist es zwecklos, sie andernorts zu suchen“, sagte Pater Anselm zu ihm und forderte ihn auf, weiter zu meditieren. Auch über die Richtung, in die sein Leben gehen soll, hatte er keine Ahnung. Bodo Janssen lebte ein Leben an der Oberfläche, wie er schreibt.
Traumatische Erfahrung in Hamburg
Er stellte mit seinem Elan zwar einiges auf die Beine – etwa als Student eine Flying Bar in Hamburg oder sanierte ein marodes Sportstudio. Er tourte als Model um die Welt und genoss sein Leben. Und er lenkte sich ab von der extrem traumatischen Erfahrung seiner Entführung. Acht Tage lang wurde er 1998 in einem Hochhaus in Hamburg gefangengehalten und mit dem Tod bedroht. Sein Vater zahlte ein hohes Lösegeld, ein Spezialeinsatzkommando befreite ihn. Nach diesem glücklichen Ende zog er noch mehr um die Häuser und konnte nicht mehr alleine sein.
Nach dem Tod seines Vaters übernahm er das von ihm aufgebaute Hotelunternehmen. Dann kam die vernichtende Beurteilung, die sein dünnes Fundament endgültig ins Bröseln brachte. Eineinhalb Jahre ging Bodo Janssen ins Kloster. Danach blieb in seinem Unternehmen nichts wie es war . . .
„Ich habe eine Vision“, erzählte er vor gut einem Jahr bei seiner Lesung in Würzburg. „Ich sitze in einem kleinen Wohnzimmer im Friesenhaus. Dort will ich meinen Enkeln Geschichten erzählen von glücklichen Menschen.“ Er könne zwar niemanden glücklich machen, aber dazu beitragen, dass Mitarbeiter glücklich werden.
Die Tour des Lebens
Eine dieser Geschichten, die er erzählen kann, ist die von der Besteigung des Kilimandscharo in Tansania. Im Januar 2015 lud er seine Auszubildenden ein, mit ihm auf diese „Tour des Lebens“ zu gehen. 15 bewarben sich und bereiteten sich mit einem intensiven Training darauf vor. Ein Jahr später, im Januar 2016, begann der Aufstieg in 5895 Meter Höhe auf den Uhuru Peak – und darüber hinaus. Denn es ging auch darum, sich Herausforderungen zu stellen, über sich hinauszuwachsen, um Selbstvertrauen und darum, „an sich selbst zu glauben“, so Bodo Janssen.
Auch dazu gibt es Kurzfilme, von den Auszubildenden und von Kristian Gründling. Die Wege des Regisseurs und des Hotelunternehmers haben sich gekreuzt, als er nach einer Krise auf Sinnsuche war. Gründling kommt aus der Werbebranche, „wo es meist um den schönen Schein geht“, sagte er bei einem früheren Gespräch. Er habe keine Erfüllung gefunden und damals überlegt, seinen Beruf aufzugeben.
Sein Talent, etwas emotional in Szene zu setzen, habe er dann „für etwas Gutes“ eingesetzt. Er wüsste wie, mit welchen Bildern, er die Leute erreicht. In vielen traumhaft schönen Bildern hat er die Sinnsuche Bodo Janssens, die auch ein Stück weit seine ist, begleitet und ist bei den Filmvorführungen von „Die Stille Revolution“ meist dabei – wie in Würzburg.
Viel „Know-how“ – aber kein „Know-why“
Viele Menschen, viele Männer und einige Frauen, kommen in dem Film zu Wort: etwa der Neurobiologe Gerald Hüther, der Ex-Investmentbanker Rainer Voss, der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der Mitbegründer des Wirtschaftsmagazins brandeins Wolf Lotter oder Alexander Brink von der Uni Bayreuth, Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Und natürlich Anselm Grün.
Sie sprechen von einer neuen Arbeitswelt, vom Gefangensein der Manager in alten Denkmustern, von der Unternehmungsstruktur, die aus dem alten Preußen kommt, vom Umwälzungs- und Verwandlungsprozess, der so gewaltig sei, wie der von der Agrargesellschaft in die Industriegesellschaft, dass viele Unternehmer danach suchen würden, menschlich zu führen, dass man nicht durch Macht überzeugen soll, sondern durch Können. Manager werden dazu aufgefordert, ihr Handwerkszeug wegzuwerfen und ins kalte Wasser zu springen. „Wir müssen aufhören zu glänzen und anfangen zu leuchten.“ Beeindruckend auch der Satz, dass in der Vergangenheit viel Know-how gewonnen wurde. „Aber wir haben das Know-why verloren“ – das Wissen um den tieferen Sinn von Arbeit.
Mit seinen Sehnsüchten in Berührung kommen
Es klingt alles schön und gut. Auch im Podiumsgespräch nach der Filmvorführung in Würzburg. Der Unternehmer Walter Kohl, Sohn von Helmut Kohl und Kursleiter beim „Team Benedikt“, spricht von „bewusst Sein“, von „ein Ich-bin-Haben“. Marie Koch, eine „Upstalsboomerin“, die mit auf den Kilimandscharo gestiegen ist, stellt kurz die Entwicklungswerkstatt des Unternehmens vor, in dem wertschöpfende Sinnthesen formuliert wurden. Und Anselm Grün antwortet auf die Frage, wie man Haltung erlangt, dass es wichtig sei, sich selbst kennenzulernen, mit seinen Sehnsüchten in Berührung zu kommen.
Es sind bewegende Impulse. Doch es kommt auf die Umsetzung an. Bodo Janssen ist ein Mensch, der bewegen, inspirieren kann, der sich seiner Emotionen und Tränen nicht schämt, etwa nach der ersten Präsentation des noch unfertigen Films vor zwei Jahren in Würzburg. Man glaubt ihm, er wirkt authentisch – wie jemand, der zu sich gefunden, der sich selbst kennengelernt hat, aber nicht stehen bleibt. Noch in diesem Jahr geht er einen weiteren Schritt auf seinem „Upstalsboom Weg“ und wandelt die gesamte Unternehmensgruppe in eine gemeinnützige Stiftung um.
Die stille Revolution – Buch und Kinofilm Der Kinofilm: „Die stille Revolution“ zum Kulturwandel in der Arbeitszeit ist laut Information von Eva Müller, Geschäftsführerin von „Team Benedikt“, voraussichtlich ab Mai im Kino Central im Würzburger Bürgerbräu zu sehen. Die Daten stünden noch nicht fest, würden aber im Internet bekanntgegeben. Informationen, auch zu den Kursangeboten: www.teambenedikt.de Literaturtipp 1: Sein Leben und seine Motivation, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, in der jeder Mitarbeiter das leben könne, was ihm wichtig sei, beschreibt Bodo Janssen in seinem Buch „Die stille Revolution. Führen mit Sinn und Menschlichkeit“ (Ariston, 19,99 Euro). Literaturtipp 2: Zusammen mit dem Benediktinermönch Anselm Grün hat Bodo Janssen „Stark in stürmischen Zeiten. Die Kunst, sich selbst und andere zu führen“ geschrieben. Sie befassen sich mit Unternehmenskultur, das Buch ist aber nicht nur für Unternehmer interessant (Ariston, 19,99 Euro). Trailer und Kurzfilme von Kristian Gründling zu „Die Stille Revolution“ und über „Die Tour des Lebens“ können im Internet abgerufen werden unter www.gruenfilm.com cj