Seit ihrer Entstehung hat die Matthäus-Passion von Johann S. Bach nichts an Aktualität, an Intensität und berührender Fülle verloren. Der erste Teil des dreistündigen Musikwerks behandelt die Situation beim Abendmahl, Jesu Gebet im Garten Gethsemane und seine Gefangennahme. Im zweiten Teil kommen Verhöre, Kreuzigung und Grablegung zu Gehör. Dabei erweist sich das Ensemble „La Stada Armónica“ auf historischen Instrumenten als bemerkenswertes, hell waches Orchester, einzelne Instrumentengruppen, aber auch solistische Passagen (fein getöntes Kolorit der Holzbläser und der hervorragenden Viola da Gamma, zupackende Streicher samt zuverlässigem Continuo) bieten ausdrucksstarke musikalische Momente.
Die Aufführung des Bachchors Würzburg unter der umsichtigen Leitung von Matthias Querbach offenbart die Vollkommenheit dieses religiösen Werkes, das 1727 uraufgeführt und hundert Jahre später von Felix Mendelssohn wieder entdeckt wurde. Der teils achtstimmig singende Chor, der immer wieder fein abgestuft in Lautstärke und Tempo agiert, samt bemerkenswerten Solisten präsentieren die gesamte Dramatik des Passions-Geschehens, arbeiten Massenszenen, ausschweifende Klagen, Spottgesänge und Choräle, lyrische Augenblicke, meditative, fromme Arien und eindringliche Rezitative packend heraus.
Einen großen Anteil an der durchgängig gehaltenen Spannung hat Bernhard Schneider in seiner Rolle als Evangelist. Der in München lebende Tenor versteht seine Rolle nicht nur als lyrischer Erzähler. Trotz notwendiger Zurückhaltung setzt er eigene Akzente. Wenn er „Und speieten ihn an…“ deklamiert, spürt der Zuhörer förmlich Erniedrigung und Ekel. In der Arie „Ich will bei meinem Jesu wachen“ erweist sich Schneider als lyrischer Interpret, dem auch Koloraturen mühelos gelingen.
Im Bericht vom Leiden und Sterben Jesu Christi gefällt Jana Baumeister (Darmstadt) mit einem sehr schönen, geschmeidig modulierendem Sopran. „Er hat uns allen wohl getan…“ klingt innig und fromm, „Aus Liebe will mein Heiland sterben…“ lyrisch und anrührend. Die Altistin Anneka Ulmer, Mitglied des Opernchores des Würzburger Mainfranken Theaters, verströmt Zuversicht, wenn sie abwechselnd mit dem Chor „Sehet Jesus hat die Hand uns zu fassen ausgespannt“ verspricht.
Bassbariton Klaus Mertens (Sinzig) interpretiert unter anderem Pilatus und gefällt mit gediegenem Gesang und stimmlicher Wärme. Mit seiner kräftigen Bassstimme gibt Martin Schicketanz (Leipzig) den Jesusworten Gewicht. Last but not least seien Schülerinnen und Schüler aus Würzburger Gymnasien erwähnt. Mit einem schlichten Cantus firmus, dem zarten „Lamm Gottes“ sorgen sie engelsgleich für Klarheit inmitten der Klagen des Eingangschores.
Nach gebührendem Schweigen verdient langer Beifall aus dem leider längst nicht voll besetzten Kirchenschiff.