Für 852 Juden aus Unterfranken nahm die Katastrophe am 25. April 1942 in Würzburg ihren Ausgang. Hier wurden sie zusammengeholt, hier wurden sie in die Züge verfrachtet. Ihr vorläufiges Ende fanden sie im polnischen Izbica – ein Durchgangsghetto. Von dort war ein den vergangenen Tagen eine Delegation zu Besuch in Würzburg. Sechs Frauen auf Spurensuche. Zuhause in Polen arbeiten sie die Shoa intensiv auf. Hier haben sie nun erfahren, woher die Opfer kamen. Haben beim „Weg der Erinnerung“ am Dienstag die letzte Wegstrecke der Deportierten durch Würzburg kennengelernt.
„Ich habe mir versucht das vorzustellen – wie die Menschen diese Bedrohung erlebt haben“, sagt Barbara Talik, Schulleiterin in Izbica. Sie ist gemeinsam mit Lehrerin Anna Knapp eine treibende Kraft, um bei Jugendlichen das Interesse für dieses dunkle Kapitel in der Geschichte ihrer Ortschaft wach zu halten. „Unsere Geschichte ist untrennbar mit dem Leid der jüdischen Bevölkerung verbunden“, stellte Gemeindesekretärin Teresa Kaminska am Mittwoch bei einem Empfang durch die Stadt im Wenzelsaal des Rathauses fest. In der Schule von Izbica beschäftigten sich die Jugendlichen nachhaltig mit den Verbrechen an den Juden. Sie recherchieren, laden Zeitzeugen ein, veranstalten Literaturwettbewerbe, haben einen Gedenkstein aufgestellt und kümmern sich um den jüdischen Friedhof. Auch zwei der Schülerinnen – zum ersten Mal in Deutschland – gehörten zur Delegation und gingen ebenfalls den „Weg der Erinnerung“ mit. Sie sollen das in Würzburg Erlebte ihren Mitschülern berichten.
Im Anschluss an den Schweigezug hatte am Dienstagabend Oberbürgermeister Georg Rosenthal zu einer öffentlichen Gedenkstunde in den Ratssaal eingeladen. In seiner Rede ging er kritisch auf die Verdrängungsmechanismen der Nachkriegszeit ein. Die NS-Verbrechen seien in der Würzburger Erinnerungskultur nach 1945 zwar präsent gewesen, „aber eben nur als Randnotiz zum 16. März.“ Die systematische Aufarbeitung der Geschichte Würzburgs in der NS-Zeit habe spät eingesetzt. Dass es weiterhin Lücken gebe, machte Rosenthal an der Diskussion über den Umgang mit Kunst aus der Nazizeit fest. Der OB dankte ausdrücklich den Initiatoren und Verantwortlichen des Erinnerungswegs für eine „überwältigende Demonstration gegen das Vergessen“.
Josef Schuster, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, nannte das Projekt ein „sichtbares Zeichen für Toleranz, gegen Ausgrenzung und Rassismus“. Die Installation mit den 852 Namensschildern für die Ermordeten aus der dritten Deportation ist im Foyer (erster Stock) im Würzburger Rathaus zu sehen.