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Von Chromosomen und Salamandern

Stadt Würzburg

Von Chromosomen und Salamandern

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    Schon 1803 hatte der Würzburger Franziskaner-Pater Bonavita Blank im alten Universitätsgebäude ein zoologisches Kabinett eingerichtet, in dem er neben ausgestopften Tieren auch seine berühmten "Musivgemälde" aus Vogelfedern und anderen Naturmaterialien ausstellte. Noch lange wurde das Fach Zootomie vom Professor für Vergleichende Anatomie vertreten, bis es 1871 unter Karl Semper, einem Neffen des berühmten Architekten der Dresdner Oper, zum Zusammenschluss der beiden Fächer kam.

    Semper, ein abenteuerlustiger und reisefreudiger Wissenschaftler - er hatte sieben Jahre lang als Insulanerfürst "Era Tabettedil" auf den Palau-Inseln in der Südsee geforscht - drängte auf den Bau eines eigenen Institutsgebäudes, für das er bereits 1875 den Bauplatz zugewiesen bekam. Doch musste der Zoologe bis 1887 auf die Bewilligung der erforderlichen 177 000 Mark für den Neubau warten, dessen Pläne Rudolf von Horstig gezeichnet hatte. 1889 konnte das Gebäude bezogen werden, zu dem unter anderem eine 30 Meter lange Galerie mit Aquarien gehörte, die auf verschiedenen Steintischen montiert waren.

    Bei den Einweihungsfeierlichkeiten, so erzählte man sich noch Generationen später, habe Semper nach der Führung durch die neuen Räume die moderne Berieselungsanlage eines Labors erklärt - und anschließend zur allgemeinen Verblüffung auch demonstriert. Während der Hausherr selbst rasch einen Regenschirm hervorzog, wurden die überraschten Honoratioren in Frack und Zylinder ziemlich nass!

    Mit dem neuen Namen "Zoologisch-Zootomisches Institut" wollte der Institutschef auch seinen Anspruch dokumentieren, keine rein musealen Aufgaben zu erfüllen, sondern ebenso wie die Kollegen der medizinischen Anatomie und Pathologie an der Front der medizinischen Forschung tätig zu sein.

    Nachfolger Sempers wurde 1893 Theodor Boveri. Boveri, ein enger Vertrauter Röntgens, war wohl der bedeutendste Professor für Zoologie und Vergleichende Anatomie, der in Würzburg gelehrt hat. An ihn erinnert heute das Theodor-Boveri-Institut für Biowissenschaften am Hubland. Boveri betreute an seinem Institut auch einen jungen Wissenschaftler namens Hans Spemann. In einem Brief an den späteren Nobelpreisträger berichtete Boveri über seine Chromosomenforschung: "Die ganze Sache ist jedenfalls einfacher, als aus einer inneren Rocktasche eine Brieftasche zu stehlen, was mir neulich hier in Würzburg im Gewühl einer überfüllten Trambahn passiert ist - leider gerade mit 230 Chromosomen (gemeint waren 230 Reichsmark). Die Sache verschaffte mir Gelegenheit, auf dem Municipio das Album der Taschendiebe durchzusehen, was eine schöne Galerie ist, den meinigen vermochte ich aber nicht darunter zu finden."

    Nach Boveris überraschendem Tod im Herbst 1915 überwachte Waldemar Schleip die noch von seinem Vorgänger geplante Erweiterung des Gebäudeflügels in der Koellikerstraße.

    Schleip war eine Seele von Mensch. Da er die Würmer zu seinem Steckenpferd erkoren hatte, war es ein beliebter Sport, jede unangenehme Prüfungsfrage in Richtung Würmer abzuwandeln, etwa: "Der Elefant hat einen Rüssel, dieser ist ein wurmförmiger Fortsatz, die Würmer teilt man ein in  .  .  ." Generationen von Studenten amüsierten sich auch über seinen Vorlesungsstil: "An dieser Stelle pflege ich immer folgenden Witz zu erzählen  .  .  ." - den natürlich jeder bereits kannte.

    In "Papa Schleip's" Amtszeit fallen auch die verheerenden Zerstörungen des Bombenangriffs: Ein Großteil der Sammlungs- und Unterrichtspräparate, darunter der jahrzehntealte, über ein Meter lange Riesensalamander im Aquarium, überlebte den Angriff nicht. Während der Westflügel bis auf die Umfassungsmauern abbrannte, wurde der Eckbau total zerstört. Glücklicherweise blieb zumindest der Südtrakt weitgehend erhalten. Nach der Bergung der Bibliothek, der Räumung des Bombenschutts durch Studenten und der Aufsetzung eines behelfsmäßigen Dachstuhles konnte hier 1946 ein provisorischer Institutsbetrieb wieder aufgenommen werden.

    Der bekannte Schmetterlingsforscher Theodor A. Wohlfahrt fand im "Balgzimmer" zusammen mit den ausgestopften Vogelpräparaten eine provisorische Unterkunft. Im Gegensatz zu den Nachbargebäuden wurden beim Wiederaufbau wesentlich stärkere Eingriffe in der Fassadengestaltung in Kauf genommen: Statt des ursprünglichen Flachdaches bekam das Gebäude nun ein Schrägdach und anstelle der repräsentativen, aber eher unpraktischen schlanken Rundbogenfenster fanden kleine Rechteckfenster Verwendung. Bis 1952 waren auch die Innenbauarbeiten im Mitteltrakt abgeschlossen.

    Nach dem Abbruch der "Schweizer Baracke", einer provisorischen Mensa, mussten auch die Reste des institutseigenen Gartenteichs weichen. Neugierige Zuschauer konnten beobachten, wie bei den Aushubarbeiten Fundamente der ehemaligen Bastion VIII als Reste der barocken Stadtbefestigung zutage traten. Manch alter Würzburger erinnerte sich an seine Kindheit, als hier, am Pleicher Graben, noch Ziegen gehütet wurden. An diese Zeit erinnerte eine Bronzeziege, die nach Abschluss der Baumaßnahmen von 1954-56, in der Amtszeit Prof. H. Autrums aufgestellt wurde. Der Trakt an der Koellikerstraße wurde damals ein drittes Mal verlängert.

    Viel bewundert wurde mit Glaswollekeilen gespickte "schalltote Versuchsraum" zur Untersuchung akustischer Reize im Gehörorgan von Versuchstieren. Der damals als "modernstes Auditorium Deutschlands" gerühmte Hörsaalbau soll in naher Zukunft einem modernen Mensagebäude weichen.

    Denn seit dem Bau des Biozentrums 1992 haben die Zoologen das Gebäude schrittweise verlassen, obwohl 1965 mit dem Einbau eines Isotopenlabors und 1983/84 von Klimakammern nochmals modernisiert worden war: 1993 zogen das Gerhard-Möbus-Institut für Schlesienforschung und ab 2000 das Institut für Psychologie ein. 1997 bis 2001 war hier außerdem die Bibliothek der Zahnklinik ausgelagert.

    ¤ Aus bescheidenen Anfängen zu einem mächtigen Klinikkomplex: Die Würzburger Zahnklinik. Mehr darüber in der nächsten Folge.

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