Wenn Helene Emmerling den ersten Stock ihres künftigen Eigenheims erklimmt, staubt es und die hölzerne Bauleiter wackelt. Eigentlich sollte an dieser Stelle längst ein ganzes Treppenhaus stehen. Und Tochter Kathrin sollte seit September die obere Wohnung bewohnen. Doch der Traum ist geplatzt.
In diesem Haus geht erstmal nichts mehr. Im Treppenhaus, so sagt Helene Emmerling, kann die Treppe nicht eingebaut werden, weil die geplante Wandhöhe aus dem Werkplan nicht mit der tatsächlichen Höhe des Raumes übereinstimmt. Und: Die Fenster in der Wohnung entsprechen nicht denen, die Helene Emmerling nach eigener Aussage in Auftrag gegeben hat.
Dass die nicht mal 1,60 Meter große Rentnerin Fenster bestellt haben könnte, die man nur mit einer Trittleiter öffnen kann, ist schwer vorstellbar. Und: „Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir Fenster mit schmalen Profilen wollen“, sagt Kathrin Emmerling und zeigt auf die extrem breiten Profile der Fenster, die nun eingebaut sind.
Bei dem Streit, der mittlerweile mehrere Anwälte beschäftigt und auch den Fernsehsender Sat 1 auf den Plan gerufen hat, geht es aber um weit mehr als unschöne und schwierig zu öffnende Fenster. Viel weitreichender ist der Pfusch im Treppenhaus, wo zwölf Zentimeter Höhe auf unerklärliche Weise verschwunden sind.
Die Konsequenz: die Fenster liegen tiefer als das geplante Treppen-Plateau und bergen damit ein Sicherheitsrisiko. Zudem müsste das Podest mit einer Zusatz-Stufe versehen werden, um auf gleiche Höhe mit dem Fußboden im ersten Stock zu kommen.
Nachdem der Treppenbauer auf den folgenschweren Höhenunterschied hingewiesen hatte, kam der Bauleiter mit einer riesigen Wasserwaage vorbei und bestätigte das Malheur. Mit einer Lösung des Problems konnte er indes nicht dienen.
Für Helene Emmerling hat an jenem Tag ein Alptraum begonnen, der sie nicht nur Zeit, sondern auch Kraft kostet. 20 Jahre lang hat die ehemalige Krankenschwester für ihr Bauprojekt gespart. Jeden Pfennig zweimal umgedreht. Und nun soll sie sich mit Notlösungen zufrieden geben, hinnehmen, dass ihr Haus noch bevor es fertig ist, eine enorme Wertminderung erfährt. Doch Helene Emmerling will kämpfen. Dafür, dass alles so wird, wie es einmal geplant war. Doch die Lage ist verfahren.
Die Wiederherstellung des ursprünglich geplanten Zustandes kostet Geld. Viel Geld. Geld, das Helene Emmerling und ihre Tochter nicht haben. Ganz davon abgesehen, dass sie an ihrer misslichen Lage nicht selbst schuld sind.
Wer aber hat Schuld an dem Dilemma?
Dass Helene Emmerling mit ihrer Kritik schamlos übertreibt und lediglich auf den kostenlosen Einbau neuer und hochwertigerer Fenster scharf ist, kann der Treppenbauer dem ehemaligen Bauleiter und dessen Anwalt nicht bestätigen. Er zeigt sich vielmehr entsetzt von dem, was er in Würzburg vorgefunden hat. „Das ist nun wirklich totaler Pfusch. Die Frau Emmerling kann einem leid tun.“
Helene Emmerling fühlt sich im Stich gelassen. Vor allem von dem Mann, der ihr mit seiner langen Erfahrung als Bauleiter zur Seite stehen wollte. „Für seine Arbeit ist er bezahlt worden, er sollte es doch nicht kostenlos machen“, sagen die Emmerlings.
Jener Bauleiter ist bei einer Tochtergesellschaft der Stadt Würzburg beschäftigt und dort unter anderem als Projektleiter bei einem der größten Sanierungsprojekte im Wohnungsbau eingesetzt. „Da kann man nur hoffen, dass ihm dort Messfehler nicht erst auffallen, wenn ihn Dritte darauf hinweisen – und schon alles zu spät ist“, sagt Helene Emmerling, „und dass er sich dann nicht mit einem lapidaren Dreizeiler aus der Verantwortung schleicht.“
In einer E-mail schreibt jener Bauleiter unter der Überschrift „Bauleitung“: „Liebe Helene, ich werde ab sofort mein Engagement und Bereitschaft zur Mithilfe am Hausbau beenden. Insbesondere auch deshalb, weil du deinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen willst. Ich wünsche dir Einsicht und Gottes Liebe.“
Am 17. Oktober 2007 schreibt er an Kathrin Emmerling: „Zeitlich wird es in den nächsten Wochen ziemlich eng, so dass ich meine Bauleitertätigkeit im Grunde abschließen möchte.“
Am 16. Februar 2008 schreibt er auf die Anfrage dieser Zeitung, ob er bei Helene Emmerling als Bauleiter tätig gewesen sei: „Nein!“ Seine Aufgabe habe lediglich aus Werkplanung, Beratung nach Bedarf und Hilfeleistungen bei Fragen während der Bauphase bestanden. Er habe sich, so der Baufachmann gegenüber dieser Zeitung, darum bemüht, eine Einigung zwischen Fensterbaufirma und Frau Emmerling zu erzielen. Diese Bemühungen seien jedoch gescheitert.
Die Firma will jetzt eine Restzahlung von 9000 Euro einklagen, rund 20 000 Euro hat sie von den Emmerlings schon bekommen. Noch ausstehende Arbeiten wie das Anbringen von Raffstores würde Frau Emmerling ja verweigern. „Das macht doch keinen Sinn, in dieser ungeklärten Situation teure Raffstores anzubringen“, sagt dazu Helene Emmerling.
Bei der Oberbürgermeisterin hat sie sich auch schon beschwert. Diese müsse als Stadtoberhaupt doch ein Auge darauf haben, wie sich die Mitarbeiter eines städtischen Unternehmens im Rahmen ihrer Nebentätigkeiten verhalten.
Der Bauleiter ist darüber empört. Das Bauprojekt der Emmerlings gehöre zu den von seinem Vorgesetzten genehmigten Nebentätigkeiten. Außerdem sei er im Rahmen dieser Tätigkeit nicht beauftragt gewesen, Bauleistungen von Firmen abzunehmen oder auf Mängel hinzuweisen.
Bei den Emmerlings führt diese Antwort zu fassungslosem Kopfschütteln. „Wozu ist ein Bauleiter oder Bauberater denn sonst da, wenn nicht zum Beraten seines Auftraggebers?“
Wie es mit dem Haus der Emmerlings weitergeht, weiß niemand. Dass der Streit wie so viele solcher Fälle vor Gericht enden wird, ist wahrscheinlich. Jährlich entstehen nach Dekra-Berechnungen in Deutschland durch Pfusch allein im Wohnungsbau Schäden in einer Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Die meisten Schlampereien registrierten die Experten bei Fenstern und Außentüren. Viel Pfusch gebe es auch beim Rohbau.