Das Handwerk ist längst nicht mehr nur Männersache. Das Beispiel der Unternehmerfamilie Schoenenberg im Landkreis Würzburg zeigt, dass sich Frauen in einer Männerdomäne wie dem Dachdeckberuf auf eigene Art beweisen müssen – und das sogar hervorragend meistern. Auf den Baustelle sorgen sie zudem für einen besonderen Effekt: für Ruhe.
Klar, wer den Betrieb mal übernimmt
Seit Generationen sind die Schoenenbergs Dachdecker. Die Familientradition besteht seit mehr als 164 Jahren. Richard Schoenenberg, Geschäftsführer der Baucooperation GmbH in Unterpleichfeld (Lkr. Würzburg), ist in einem Dachdeckerbetrieb seines Großvaters – damals noch in Würzburg – aufgewachsen und führt mit Leidenschaft die Tradition fort. Er hat drei Töchter. Immer wieder wurden er und seine Frau Ingrid gefragt, wer denn später den Betrieb übernehmen werde.
Die Antwort ist einfach: Die beiden ältesten Töchter Amanda, 23, und Dana, 21 Jahre alt. Sie gehören zu den wenigen Dachdeckermeisterinnen in Bayern. Dana hat kürzlich ihren Meisterbrief erhalten. Dabei wusste sie lange gar nicht, was sie beruflich machen wollte. Praktika in Büros konnten sie nicht überzeugen. Erst auf der Baustelle habe sie sich richtig wohlgefühlt, erzählt sie.
Schoenenberg-Töchter wollten schon immer auf die Baustelle
Nach der Berufsausbildung im Familienbetrieb und einiger Zeit Berufserfahrung war sie neun Monate lang im Bundesbildungszentrum des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Mayen bei Koblenz. „Dort lernt man das Umdenken vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber“, sagt Dana.
Mit einem Schnitt von 1,0 und als Prüfungsbeste ihres Jahrgangs brillierte sie in der Meisterprüfung. Nun arbeitet sie im Büro der elterlichen Firma und auf den Baustellen, um genug Erfahrungen zu sammeln. Und um später einmal den Betrieb weiterzuführen.
Schon mit 18 den Meisterbrief gemacht
Ihre Schwester Amanda wohnt mittlerweile in der Schweiz und ist in Elternzeit. Aber auch sie möchte nach eigenen Worten bald aufs Dach zurückkehren. „Ich habe schon im Kindergarten gewusst, dass ich mal Dachdecker werden möchte. Zum dritten Geburtstag habe ich eine Werkbank bekommen und wollte bald eigenes, richtiges Werkzeug haben“, erinnert sich die 23-Jährige.
Sie machte die Dachdecker-Ausbildung, allerdings nicht im Betrieb der Eltern, und besuchte ebenfalls die Schule in Mayen, wo sie schon mit 18 Jahren den Meisterbrief erhielt. Mit dabei waren zwei weitere Frauen, in Danas Jahrgang waren es insgesamt fünf. „Die Lehrer waren echt erstaunt, dass sie plötzlich so viele Mädchen in der Klasse hatten“, sagt Dana und lacht. In der Berufsschule sei der weibliche Anteil noch niedriger gewesen.
Manche nutzen Ausbildung als Sprungbrett
Dort sei die Motivation der Mitschüler oft begrenzt gewesen. „Viele machen die Ausbildung nur, weil sie gerade nichts anderes kriegen. Oder nehmen es als Sprungbrett für einen weiteren Schulabschluss, um dann in eine andere Branche zu gehen“, erzählt Dana.
Sie findet es schade, dass einige der Beruf nicht so begeistere wie sie. „Dabei macht man als Dachdecker so viel mehr als Ziegel aufs Dach zu bringen.“ In der Tat sind sie vom Keller bis zum Dach für viele Handgriffe am Bau zuständig: Mit Kellerabdichtungen, Balkonausbau, Dachterrassenbelägen, Fallrohren, vorgehängte Fassaden, Dachbegrünungen, Wärmedämmungen und vielem mehr hatte Dana schon zu tun.
Mancher Kollege ist immer noch skeptisch
Ihre Begeisterung kann auch nicht trüben, dass so mancher Mann auf der Baustelle sie erst einmal nicht ernst nehme und ihre Arbeiten besonders genau beobachte. „Wenn ein Fehler passiert heißt es oft ,Hab ich?s doch gleich gewusst, dass eine Frau das nicht kann‘“, erzählt Amanda. Dafür haben sie aber die richtige Taktik entwickelt: „Wir müssen dann einfach direkt eingestehen, dass etwas mal nicht geklappt hat. Wir müssen zu unseren Schwächen stehen, aber auch zu unseren Stärken“, so Dana.
Frauen sorgen für Ruhe auf der Baustelle
Die Stärken sieht auch Vater: „Frauen sind in dem Job sehr gewissenhaft und zuverlässig, ihnen ist die saubere Arbeit wichtig. Außerdem ist die Männerrunde auf der Baustelle oft ruhiger, wenn eine Frau mit dabei ist.“
Das Vorurteil, wonach Handwerker keine Zukunft und keine gute Absicherung hätten, kann der Dachdecker widerlegen: „Der Beruf ist nicht mehr so schwer wie früher. Kräne und andere Geräte helfen heute, dass man sich nicht mehr körperlich so kaputt macht. Im Gegenteil, es wird viel auf den Körper geachtet. Wir bieten zum Beispiel in der Firma für alle Mitarbeiter zwei Mal die Woche ein Rückentraining an“, erzählt Richard Schoenenberg. Und Dana fügt hinzu: „Die soziale Absicherung ist auch gewährleistet, man hat immer eine zusätzliche Rentenabsicherung und die Lohnausgleichskasse.“
Frauen im Dachdecker-Handwerk Laut Landesinnungsverband des Bayerischen Dachdeckerhandwerks werden aktuell im Freistaat sechs Frauen zu Dachdeckerinnen ausgebildet. In ganz Deutschland sind es laut Innung 1,3 Prozent der Auszubildenden. Insgesamt befinden sich zurzeit in Bayern 272 angehende Dachdecker und Dachdeckerinnen in Ausbildung. In Bayern sind rund 5000 Dachdecker als Arbeitnehmer beschäftigt. Pro Jahr absolvieren in Bayern 20 bis 24 Dachdeckergesellen ihre Meisterprüfung. Sowohl die bayerische Landesinnung als auch der deutsche Zentralverband der Dachdecker beklagen einen Mangel an Auszubildenden. Die Zahl der Lehrlinge im Dachdeckerhandwerk sinkt immer weiter. Die Berufsorganisationen starteten zwar Aktionen und bemühten sich darum, ihr Handwerk für zukünftige Auszubildende attraktiv zu machen, heißt es in einer Pressemitteilung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks, allerdings konnte der Trend noch nicht umgekehrt werden. bs