Der Graue Star: In Deutschland verbindet man mit diesen Worten eine Erkrankung, bei der sich ein trüber, grauer Schleier wie ein Vorhang vor die Augen schiebt und die sonst klare Welt in einen undurchsichtigen Nebel hüllt. In Madagaskar, einem der ärmsten Länder weltweit, assoziieren die Menschen mit dem Grauen Star schlicht und einfach Blindheit. Hat diese Krankheit ein gewisses Stadium erreicht, lassen sich nur noch Helligkeit und Dunkelheit voneinander unterscheiden, Konturen und Farben sind nicht mehr auszumachen.
Hierzulande hat jeder die Möglichkeit, einen Augenarzt aufzusuchen und sich einer Behandlung zu unterziehen. Eine fünfzehnminütige Operation reicht aus, um den Grauschleier zu beheben. Doch in einem Land wie Madagaskar – ohne Strukturen, ohne Geld und ohne funktionierendes Gesundheitssystem – ist eine Behandlung für viele schwierig beziehungsweise unmöglich. Auf der südöstlich von Afrika gelegenen Insel existieren für 20 Millionen Einwohner weniger Augenärzte als in der Stadt Würzburg. In Deutschland lassen sich durchschnittlich 7500 von einer Million Menschen aufgrund des Grauen Stars operieren, in Madagaskar sind es nur 370.
„Erweiterungen sind geplant, aber wir sind erst einmal froh, dass wir dieses Projekt auf die Beine gestellt haben.“
Dr. Johannes Borggrefe Madagascar Eye Project
Um diese Zustände zu verbessern, haben sich Augenärzte aus dem Raum Würzburg im Jahr 2008 zu dem Verein „Madagascar Eye Project“ zusammengeschlossen. Der Verein sammelte mit Benefizveranstaltungen finanzielle Mittel, um den Bau einer madagassischen Augenklinik realisieren zu können. Vereinsvorsitzender ist der Würzburger Augenarzt Dr. Johannes Borggrefe.
Im Dezember 2009 startete in Ambohibao, einem Stadtteil der madagassischen Hauptstadt Antananarivo, der Bau der Klinik. In weniger als einem Jahr, nämlich im Dezember 2010, war das Krankenhaus fertiggestellt.
Vor einigen Wochen war es dann soweit. Die Augenklinik „FLM SALFA EYE CLINIC Dr. Johannes Borggrefe“ wurde im Beisein Borggrefes, des deutschen Botschafters Hans-Dieter Stell und des madagassischen Gesundheitsministers eingeweiht. Die Baukosten betrugen ungefähr 150 000 Euro, dazu kamen 37 000 Euro für die Ausstattung.
Insgesamt sollen ungefähr 2,8 Millionen Menschen aus der dortigen Region Analamango von der augenmedizinischen Betreuung profitieren. Vor allem sehr arme Menschen, die sich unter normalen Umständen keine Behandlung leisten könnten, werden dort behandelt. Die Kosten dieser Behandlungen werden einerseits mit Spendengehältern aus Deutschland gedeckt, andererseits durch die Behandlung von Privatpatienten, die die Operationen der finanziell schwächeren Patienten mitträgt.
Die Realisierung dieses Projekts war für das „Madagascar Eye Project“ nur durch eine Kooperation mit zwei anderen Organisationen möglich. Zum einen beteiligte sich die Christoffel Blindenmission (CBM), eine christliche Organisation, die sich in den ärmsten Ländern weltweit für die Lebensqualität behinderter Menschen einsetzt. Die CBM unterstützt seit 30 Jahren Projekte in Madagaskar. Neben Augenkliniken und mobilen Augengesundheitsdiensten fördert die CBM auch Schulen für gehörlose Kinder, ein Ohrengesundheitsprogramm, Sehbehindertendienste und eine Blindenschule.
Der zweite Projektpartner des Würzburger Vereins war SALFA, die Gesundheitsorganisation der Madagassisch-Lutherischen Kirche. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Gesundheitsversorgung der madagassischen Bevölkerung zu verbessern.
„Wir wollen in einem Land Strukturen schaffen, wo noch keine sind, und Menschen medizinische Unterstützung ermöglichen, die sie sich sonst nicht leisten können“, fasst Johannes Borggrefe die Intention des Projektes zusammen. Vor allem stehen dabei die Operationen am Grauen Star im Vordergrund. Von 40 Millionen Blinden weltweit ist die Hälfte davon an Grauem Star erkrankt, also mit einer einzigen Operation heilbar.
Borggrefe, der sich auch in Würzburg auf die Behandlung dieser Krankheit spezialisiert hat, war mit seinem OP-Team und Dr. Christoph Schenkel aus Veitshöchheim sowie Dr. Wolfram Voeske aus Klingenberg drei Wochen lang in Madagaskar, um die alltäglichen Abläufe zu festigen und die dortigen Ärzte in moderne OP-Techniken einzuarbeiten.
Kurzfristig hat sich der Verein „Madagascar Eye Project“ zum Ziel gesetzt, die Operationszahlen zu steigern. Langfristig soll die Klinik finanziell auf eigenen Füßen stehen, indem die Operationen mitteloser Patienten durch die Behandlung von Privatpatienten mitfinanziert wird. Ob es ähnliche Kliniken in anderen Städten Madagaskars geben wird, steht noch nicht fest: „Erweiterungen sind geplant, aber wir sind erst einmal froh, dass wir dieses Projekt auf die Beine gestellt haben“, erklärt Borggrefe.