Selten war eine Landtagswahl so spannend. Dass die CSU die absolute Mehrheit gewinnt, glaubt in diesen Tagen auch innerhalb der Partei niemand mehr. Doch es könnte noch schlimmer kommen: In der Hochburg Unterfranken ist mittlerweile sogar ein Direktmandat in Gefahr. Im Stimmkreis Würzburg-Stadt sieht das Berliner Wahlforschungsinstitut „wahlkreisprognose.de“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem CSU-Landtagsabgeordneten Oliver Jörg und dem Grünen-Kandidaten Patrick Friedl, aktuell mit leichten Vorteilen für den Grünen-Bezirkschef.
Die Macher von „wahlkreisprognose.de“ haben ihre Prognosen jetzt exklusiv für diese Redaktion aktualisiert. Wäre die Landtagswahl an diesem Sonntag, käme die CSU in Unterfranken auf 38 Prozent der Gesamtstimmen. Das wären 12,1 Prozentpunkte weniger als die 50,1 Prozent vor fünf Jahren. Die Grünen erreichen demnach 16 Prozent, das bedeutet ein Plus von 7,1 Prozentpunkten. Nur noch 12,5 Prozent erzielt die SPD in der Untersuchung, 2013 waren es 19,5 Prozent. Die AfD schafft aus dem Stand heraus 10,5 Prozent. Die Freien Wähler würden 8,5 Prozent der Unterfranken wählen, vor fünf Jahren waren es 8,2 Prozent. Knapp an der Fünf-Prozent-Hürde kratzen die FDP mit fünf Prozent (2013: 2,9 Prozent) und die Linke mit 4,5 Prozent (2,3 Prozent).

Noch mehr Spannung verspricht der Blick in die Stimmkreise. Fragt man Wahlexperten, ob die CSU überhaupt schon mal bei einer Landtagswahl ein Direktmandat in Unterfranken nicht gewonnen hat, erntet man Schulterzucken. Daran kann sich niemand erinnern. Heuer könnte das Undenkbare Wirklichkeit werden, und zwar im Stimmkreis Würzburg. „Wahlkreisprognose.de“ prophezeit lediglich 29,3 Prozent für den CSU-Abgeordneten Oliver Jörg. Der 46–jährige Wissenschaftsexperte hatte den Stimmkreis 2008 und 2013 noch mit 40,6 beziehungsweise 39,4 Prozent der Erststimmen klar gewonnen. Für den Grünen Patrick Friedl weist die Prognose hingegen 29,6 Prozent aus. Der 48-Jährige kandidierte ebenfalls bereits vor fünf Jahren und erzielte dabei 16,1 Prozent der Erststimmen.
Städte mit Studenten folgen einem klaren Trend
„Das wird ein enges Rennen“, sagt Meinungsforscher Valentin Blumert. Wer am Ende vorne liegt, entscheide sich vermutlich erst am Wahlsonntag. Momentan mache er in den bayerischen Großstädten mit einem hohen Anteil an Studierenden einen „klaren Trend zu Gunsten der Grünen“ aus. Demnach könnte die Partei bis zu sechs der 90 Direktmandate im Freistaat gewinnen, in München, Nürnberg – und eben Würzburg. Vor fünf Jahren noch lagen CSU-Bewerber in 89 Stimmkreisen vorn, nur München-Milbertshofen ging an die SPD.
Die Sozialdemokraten drohen laut allen Umfragen neben der CSU der große Wahlverlierer zu werden. Das gilt denn auch in Würzburg, wo „wahlkreisprognose.de“ dem Direktkandidaten Georg Rosenthal lediglich 15 Prozent verheißt. Vor fünf Jahren kam der ehemalige Oberbürgermeister noch auf 25,2 Prozent.
Wie Demoskop Blumert erklärt, basiert seine Prognose auf einer Modellrechnung, in die unter anderem konkrete Zahlen anderer Umfrageinstitute, demoskopische Trends, die Sozialstruktur und die Milieu-Bindung in den Stimmkreisen sowie historische Wahlergebnisse einfließen. Als Referenz verweist das Institut darauf, dass seine Erststimmenprognosen zu den Landtagswahlen 2017 in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu 98,6 und 97,2 Prozent treffsicher waren.
In den neun anderen unterfränkischen Stimmkreisen sieht „wahlkreisprognose.de“ derweil keine Probleme für die CSU, die Direktmandate zu gewinnen. Ihren in Würzburg vorhergesagten Prozenten am nächsten kämen die Grünen demnach im Stimmkreis Aschaffenburg-West, allerdings sei das CSU-Direktmandat von Justizminister Winfried Bausback, der vor fünf Jahren 42,9 Prozent erzielte, nicht gefährdet.
Interesse an Landtagswahl ist groß
Unterdessen melden die Rathäuser in der Region großes Interesse an der Landtagswahl. Darauf ließen die beantragten Briefwahlunterlagen schließen. In Unterfranken sind gut 1,1 Millionen Frauen und Männer wahlberechtigt, darunter 64 000 zum ersten Mal. In Würzburg hatten bis Donnerstagmittag schon über 17 000 der knapp 100 000 Berechtigten Briefwahl beantragt. Man rechne damit, dass der Briefwahlanteil, der 2013 bei rund 40 Prozent lag, weiter steigt, heißt es bei der Stadt. Ähnlich die Prognose in Schweinfurt. Hier wurden bis Donnerstag 3750 Briefwahlunterlagen ausgestellt. Wahlberechtigt sind rund 40 000 Frauen und Männer.