Seit vielen Jahren schon macht der gebürtige Brite Mark Gillespie Straßenmusik. Beim 12. Stramu, dem Festival für Straßenkunst in Würzburg, wird der 44-Jährige an diesem Wochenende wieder dabei sein.
Frage: Wie und wann haben Sie als Straßenmusiker angefangen?
Mark Gillespie: 1988 habe ich das erste Mal Straßenmusik gemacht. Ich habe gerade mein Studium für Theaterwissenschaften begonnen, sollte aber erst mal ein Jahr Lebenserfahrung sammeln, weil ich noch zu jung für die guten Rollen wäre. Also habe ich mit einem Freund am Flohmarkt zwei Gitarren gekauft und ein Buch, wie man sie spielt – ich konnte gar nichts. Und dann sind wir durch Europa gezogen, eigentlich um nur für ein paar Monate Musik zu machen – und ich bin nie zurück gekommen.
- Das Liveblog vom 12. Stramu-Festival in Würzburg
Hat sich die Szene der Straßenmusiker gewandelt in all den Jahren?
Mark Gillespie: Die Szene hat sich stark gewandelt. Zu meiner Anfangszeit gab es noch gar nicht so viele professionelle Straßenmusiker. Die zogen von Stadt zu Stadt, sind aufgetreten und haben ihre Musikkassetten verkauft. Ich habe mich auch mit einem kleinen Verstärker ausgestattet und dann kleine Konzerte auf der Straße veranstaltet. Es lief alles wunderbar, bis die Südamerikaner mit ihren Panflöten kamen. Am Anfang war es nur ein paar, und das lief auch gut. Doch dann kamen immer mehr, und in jeder größeren Stadt waren ständig vier oder fünf Gruppen mit Panflöten und Lautsprechern unterwegs. Daraufhin haben die Städte Straßenmusik mit Verstärkern verboten. Die Panflöten sind nach und nach verschwunden, aber das Verbot von Verstärkern ist geblieben. Und darunter leiden wir Straßenmusiker heute noch.
Ist es für den Straßenmusiker ein Problem, ohne Verstärker zu spielen?
Gillespie: Das sind kleine Konzerte, die man da für etwa 100 Leute veranstaltet, und ohne Lautsprecher erreicht man da niemanden. Das ist wie ein Bäcker, der seine Brötchen nicht verkaufen darf, nur im rohen Zustand. Das ist mehr oder weniger ein Berufsverbot. Aber in manchen Städten in Europa lockert es sich gerade wieder.
Wie kann man das Problem lösen?
Gillespie: Die größte Regel der Straßenmusiker ist Rücksicht. Nicht nur in Bezug auf die Lautstärke, auch auf die Wiederholung. Egal wie gut oder schlecht ein Musiker ist – die Anwohner und Geschäftsleute können nicht den ganzen Tag die gleiche Musik ertragen. Da muss für Abwechslung und zeitliche Begrenzungen gesorgt werden.
Sie spielen auch Konzert auf der Bühne. Was ist für Sie das Besondere an der Straßenmusik?
Gillespie: Straßemusiker ist noch immer mein Hauptberuf. Mit Straßenmusik erreicht man immer neue Leute, jedes Mal. Bei Konzerten sind meine Fans da, die kommen, weil sie mich und meine Musik kennen. Bei der Straßenmusik habe ich ein- bis zweihundert Leute um mich, die mich das erste Mal sehen. Die entdecken mich und ich entdecke sie. Ich spiele dann ein Lied, das ich schon tausend Mal gespielt habe, für frische Ohren. Das fühlt sich für den Künstler supergut an.
Tritt nicht auch irgenwann einmal Routine ein?
Gillespie: Es gibt Routinen, von denen mal glaubt, dass sie Erfolg bringen. Aber Routine alleine wäre kein Leben. Wenn man mal Pause hat, dann spielt man als Künstler eh gerne mal an der Gitarre herum und probiert etwas aus. Wenn etwa interessante dabei herauskommt, dann spielt man das gleich direkt bei der nächsten Show und sieht, wie das Publikum reagiert. Man hat sozusagen in seinem Proberaum ein Publikum und merkt sofort, ob es sich lohnt, an einem neuen Song weiterzuarbeiten.
Was ist bei Konzertauftritten auf der Bühne anders?
Gillespie: Ich sehen da keinen Unterschied, das ist für mich das Gleiche. Bühne bringt einfach nur andere Sorgen mit sich, man hat andere Kosten, man muss Karten verkaufen. Auf der Bühne, da kommen zahlende Zuschauer, die sitzen da und hören der Musik zu – es ist still im Raum. Die Musik steht im Vordergrund. Auf der Straße ist das oft anders, da passiert ganz viel drumherum. In manchen Städten vergeht kaum eine Show, bei der nicht ein Betrunkener meint, mitspielen zu müssen.
Sie waren von Anfang an beim Stramu in Würzburg dabei. Wie ist das als Künstler auf so einem großen Festival?
Gillespie: Würzburg war für mich schon immer eine phänomenale Stadt, um aufzutreten und Geld zu verdienen, aber nur am Samstag. Beim Stramu ist für mich allein der Sonntag so gut wie drei gewöhnliche Samstage. Aber das wirklich Schöne am Stramu in Würzburg ist, dass ich endlich einmal Zeit habe, andere Straßenkünstler zu beobachten und mit ihnen Zeit zu verbringen. Wenn wir uns sonst sehen, sind wir im Alltagsstress und fahren nach der Arbeit wieder. Beim Stramu haben wir zwei oder drei Übernachtungen und können uns abends in der Bar austauschen und kennenlernen. So eine Gelegenheit haben wir sonst kaum.