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Würzburg: Warum ein Würzburger Haus um 90 Grad gedreht wurde

Würzburg

Warum ein Würzburger Haus um 90 Grad gedreht wurde

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    Barockes Kleinod: das Huttenschlösschen in der Sanderglacisstraße.
    Barockes Kleinod: das Huttenschlösschen in der Sanderglacisstraße. Foto: Torsten Schleicher

    Gefällt Ihnen die Himmelsrichtung, in der sich Ihr Hauseingang befindet? Mögen Sie die Aussicht aus Ihrem Wohnzimmerfenster? Oder würden Sie lieber woandershin blicken? Ja? Dann drehen Sie Ihr Haus doch einfach um! Klingt verrückt? Ist es im Grunde auch. Aber es gibt in Würzburg ein Beispiel, bei dem genau das passiert ist: das barocke Huttenschlösschen. Es wurde um 90 Grad gedreht.

    Nachdem der damalige Domdekan und spätere Fürstbischof Christoph Franz von Hutten um 1720 von der Stadt das Grundstück für einen Park und ein Haus erhalten hatte, ließ er – vermutlich von dem Architekten Joseph Greising oder dessen Schüler Georg Bayer – ein Lustschlösschen in eben jenem Park bauen. „Zumindest im Sommer konnte er damit wohl dem Lärm und Staub der Großbaustelle Residenz entgehen, dem er in seinem Domizil, dem benachbarten Rosenbachhof ausgesetzt war“, zeigt Stadtkenner Willi Dürrnagel, der sich viel mit dem Huttenschlösschen beschäftigt hat, Verständnis. „Der Fürstbischof bewohnte das Lustschlösschen im Sommer und ging in den Mainbädern schwimmen, das Grundstück befand sich außerhalb der Stadtbefestigung“, schildert er die Gegebenheiten und ergänzt: „Damals lag das Schlösschen noch mit seiner Aussichtsterrasse zum Main hin orientiert.“

    Anfang des 19. Jahrhunderts kam das Gebäude unter den Hammer

    Denn damals war es noch nicht gedreht. Diese buchstäbliche Wendung nahm die Geschichte erst mehr als eineinhalb Jahrhunderte später: Nach dem Tod des Fürstbischofs veränderte sich die Umgebung des kleinen Schlösschens immer mehr. Weite Teile des einst so großen Parks wurden verkauft und 1803 kam auch das Lustschlösschen unter den Hammer. „Keiner der nun kommenden Eigentümer besaß das Haus in den Folgejahren lange“, sagt Dürrnagel und verdeutlicht diese Aussage: „Bis 1884 gab es hier sechs verschiedene Besitzer.“ Doch dann kehrte Ruhe ein – zumindest hinsichtlich der Eigentümer: Am 7. November 1884 kaufte die Altherrenschaft des Corps Rhenania Würzburg das Haus und sanierte es. Und in deren Besitz befindet sich das Huttenschlösschen noch heute.

    „Der Fürstbischof bewohnte das Lustschlösschen im Sommer und ging in den Mainbädern schwimmen."

    Willi Dürrnagel, Kenner der Würzburger Stadtgeschichte

    Unruhe kam nun von anderer, von baulicher, Seite: Zur gleichen Zeit – bis 1900 – war die Mainuferregulierung in vollem Gange. „Die Ludwigsbrücke und der Hochkai wurden gebaut“, berichtet Dürrnagel: „Und zu diesem Zweck musste das Grundstück, auf dem das Schlösschen steht, um 1,60 Meter aufgeschüttet werden.“ Fast bis zum Balkon hätten die Aufschüttungen in den Jahren 1904/05 gereicht. „Da wurde die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Gefahr des Versinkens eines Kleinods der Barock- Architektur gelenkt. Die einschlägigen Kreise interessierten sich für das Schlösschen und versuchten es zu retten.“ Dafür gab es mehrere Pläne: „Zuerst wurde beabsichtigt, das Gebäude zu heben und zu verschieben; dann aber kam man von diesem Plan wieder ab, weil seine Ausführung zu gefährlich schien“, erzählt Willi Dürrnagel die wechselvolle Geschichte weiter.

    Das Schlösschen wurde Stein für Stein abgebaut

    Stattdessen griffen die Bauherren 1904/05 zu einer alternativen Maßnahme, die ihnen wesentlich sicherer erschien: Sie bauten das Haus Stein für Stein ab und anschließend wieder auf. „Die Stuckdecken im oberen Stockwerk wurden herausgesägt, das Gebäude unter Nummerierung aller Hausteine abgebrochen und das ganze Bauwerk 3,5 Meter höher als früher an der Nordfront des Grundstückes gegenüber den Glacisanlagen genau im alten Zustand wiederaufgebaut“, hat Willi Dürrnagel recherchiert. Mit einem Unterschied: Das prachtvolle Gebäude war nun um 90 Grad in Richtung Süden gedreht, damit es mit dem Ringpark korrespondierte.

    Ein Schild erinnert heute an die Geschichte des Huttenschlösschens.
    Ein Schild erinnert heute an die Geschichte des Huttenschlösschens. Foto: Torsten Schleicher

    „Sonst wäre die Fassade auch untergegangen“, sagt Dürrnagel: „Schließlich hätte sie dann zur heutigen schmalen Schießhaussstraße geblickt und da wäre sie nicht zur Geltung gekommen. Die Gartenanlage ging ja nicht mehr bis zum Main, sondern wurde an dieser Stelle von der Schießhausstraße, dem Ludwigkai und der Kurt-Schumacher-Promenade unterbrochen.“ Wie gut, dass das Huttenschlösschen gedreht wurde. Denn wenn es auch keine Terrasse in Richtung Main mehr hat: Zur Sanderglacisstraße hin zeigt sich das Barockgebäude prachtvoll wie eh und je.

    Text: Eva-Maria Bast

    Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.

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