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WÜRZBURG: Warum Ernst Ulrich von Weizsäcker für den Spessart wirbt

WÜRZBURG

Warum Ernst Ulrich von Weizsäcker für den Spessart wirbt

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    Am Montag war er am Hohen Knuck zu Besuch, bei den Befürwortern eines Nationalparks im Spessart. Am Dienstagabend sprach er in der Würzburger Residenz beim Festakt 25 Jahre Zentrum für Angewandte Energieforschung Bayern (ZAE): Ernst Ulrich von Weizsäcker, Naturwissenschaftler, Politiker und Ko-Präsident des Club of Rome. Gelegenheit also für ein Gespräch.

    Herr von Weizsäcker, woher rührt Ihr Engagement für den Nationalpark Spessart?

    Prof. E. U. Von Weizsäcker: Die nationale Biodiversitätsstrategie verlangt, dass man wertvolle Naturflächen schont, insbesondere die Buchenwälder, die ein Charakteristikum von Deutschland sind. Dafür ist ein Nationalpark im Prinzip das richtige. Wenn ich die bundesweite Landschaft anschaue, ist der Spessart das vermutlich größte intakte Buchenwaldgebiet. Notwendig für die Biodiversität sind besonders die alten Bäume – die gibt es bei rein forstwirtschaftlicher Nutzung gar nicht mehr.

    Man könnte auch sagen: Hauptsache dritter Nationalpark! Aber Ihnen ist wichtig, wohin er kommt?

    V . Weizsäcker: Ja. Der Frankenwald ist konventionell, auch mit Douglasien und Fichten. Da bringt ein Nationalpark der Natur relativ wenig. Etwas, das über Jahrtausende intakt war, ist sehr viel naturnäher, als etwas, was sich langsam wieder zurückentwickeln soll.

    Die Rhön wäre keine Alternative?

    V. Weizsäcker: Natürlich ist auch die Rhön schön. Ich kann das nicht direkt vergleichen. Der Spessart-Plan leuchtet mir sehr ein. Nur neun Prozent des Staatswaldes im Spessart soll Nationalpark werden. Ich höre, 64 Prozent der lokalen Bevölkerung befürwortet den Plan. Ich lebe in der Nähe des Schwarzwalds und habe gesehen, wie die Bemühung der dortigen Landesregierung um einen Nationalpark Nordschwarzwald anfangs sehr kritisch gesehen worden sind. Jetzt ist er da, und die Leute sind glücklich.

    Faktor fünf, über den Sie so oft sprechen, also auch beim Nationalpark?

    V. Weizsäcker: Naja, der Faktor fünf bezieht sich nicht auf Naturschutz, sondern auf technische Effizienz, auf Energieeinsparung.

    Aber die Effekte eines Nationalparks wären groß?

    V. Weizsäcker: Eine landwirtschaftlich genutzte Wiese hat weniger als ein Fünftel der Artenvielfalt von einer Magerwiese. Auf einer Lichtung im Spessart, die nicht gedüngt ist, findet man eine unglaubliche Biodiversität. Erst in den vergangenen zwei Jahren ist schrecklich deutlich geworden, dass durch neue Pflanzenschutzmittel die Insektenfauna gewaltig zurück geht und in der Folge viele Vogelarten. Die Insektenfresser haben plötzlich nichts mehr zu futtern. Einige Arten, die wir früher für normal und gewöhnlich hielten, sind jetzt plötzlich auf der Roten Liste. Der Schwund der Artenvielfalt in Deutschland ist dramatisch, und die Nationalparke sind sozusagen die letzten Oasen. Naturbelassener Wald ist segensreich und die Magerwiese ist ein Paradies.

    Wann hat Sie die Politik zum letzten Mal wirklich überrascht?

    V. Weizsäcker: Sehr positiv überrascht hat mich der Erfolg der Energiewende. Was sind wir beschimpft worden als Bundestagsabgeordnete von allen möglichen Ökonomen, dass man da Geld zum Fenster rauswirft. Inzwischen sind uns 70 Länder der Welt gefolgt. Negativ sehe ich das, was von Donald Trump kommt.

    Was ist für Sie der größte Erfolg daran?

    V. Weizsäcker: Dass dezentrale Energieerzeugung, die dann auch den Landwirten nützt, plötzlich konkurrenzfähig geworden ist. Heute ist Strom aus Solar- und Windenergie billiger als Atomenergie von neu gebauten Atomkraftwerken. Das hätte man sich vor 15 Jahren überhaupt nicht vorstellen können.

    Nun sind riesige Windparks in der Nordsee nicht gerade nicht sehr dezentral.

    V. Weizsäcker: Das ist richtig. Aber dass sich die Stimmung der Bevölkerung nach 2010 auf einmal gegen das Erneuerbare Energien Gesetz gewandt hat, lag vor allem an dem „Wälzungsmechanismus“, den Schwarz-Gelb 2010 eingeführt hat. Der hatte die ironische Folge, dass je billiger der Strom auf der Leipziger Strombörse wird, desto teurer wird die Zuzahlung für die Bürger. Das ist nicht mehr vermittelbar und hat das ganze Projekt Energiewende in Verschiss gebracht – eine Riesentragödie.

    Aber nicht das Ende. Oder?

    V. Weizsäcker: Weltweit nicht: Die Investitionen in Erneuerbare Energien gehen inzwischen dramatisch nach oben, auch in den USA, trotz Trump. Dort wird investiert in das, was lukrativ ist. In China erst recht.

    Stichwort Energien der Zukunft. Das ZAE Bayern arbeitet daran.

    V. Weizsäcker: Für die Technik im Energiebereich hat das ZAE wunderschöne Fortentwicklungen speziell für Energieeffizienz gemacht. Das ist großartig. Für die Energieeffizienz gilt nun wieder ein ökonomisches Gesetz: Was billig ist, wird vergeudet. Seit die Ölstaaten Energie billig auf den Markt warfen, schlief das Interesse der deutschen Wirtschaft an der Energieeffizienz wieder ein.

    Das klingt so pessimistisch, wie dem „Club of Rome“ öfters mal vorgehalten wird. Wie optimistisch sind Sie im Jahr 2017?

    V. Weizsäcker: Vor 45 Jahren hat der „Club of Rome“ mit „Grenzen des Wachstums“ einen ziemlich pessimistischen Aufschrei gemacht, der viel in den Gemütern bewegt hat. Aber das Pessimismus-Image haftete an. Ich bin gerade an einem neuen Bericht, der im Herbst erscheinen wird: „Wir sind dran“. Der neue Bericht aktualisiert die pessimistischen Äußerungen von damals. Aber gleichzeitig wird der Bericht sehr optimistisch zeigen, was man alles machen kann. Dazu gehört die deutsche Energiewende, aber auch zum Beispiel der chinesische 13. Fünfjahresplan. Das ist ein Programm zur Ökologisierung Chinas. Der Bericht zeigt empirisch, was ist geleistet worden, trotz schlechter Randbedingungen.

    Wenn man also die Randbedingungen verbessern würde . . .

    V. WEizsäcker: . . dann haben wir eine gewissen Chance, dass die Welt sich stabilisiert, einschließlich Klima. Man muss Energie in kleinen, sozialverträglichen Schritten wieder teurer machen. Im Übrigen müssen wir das Thema Bevölkerungsentwicklung wieder auf die Tagesordnung nehmen. Afrika wird, wenn man sich nicht endlich besinnt, bis 2100 auf vier Milliarden Menschen anwachsen. Das wäre eine Katastrophe – für Afrika und für Europa. Wir wissen heute: Nur diejenigen Regionen, bei denen sich die Bevölkerungsentwicklung stabilisiert, sind ökonomisch erfolgreich.

    Ernst Ulrich von Weizsäcker Der Naturwissenschaftler, Jahrgang 1939, ist Sohn des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker und Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten. Von 1984 bis 1991 war er Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik, bis 2000 dann Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Als SPD-Politiker saß von Weizsäcker von 1998 bis 2005 im Bundestag. Seit 2012 ist er Ko-Präsident der Expertenorganisation „Club of Rome“. Er lebt in Emmendingen. FOTO: DPA

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