Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Warum heute noch eiserne Rosetten an den Fassaden sind

Würzburg

Warum heute noch eiserne Rosetten an den Fassaden sind

    • |
    • |
    Jürgen Dornberger kennt jede einzelne Straßenbahnrosette in Würzburg, auch diejenige, die am Würzburger Hof hängt.
    Jürgen Dornberger kennt jede einzelne Straßenbahnrosette in Würzburg, auch diejenige, die am Würzburger Hof hängt. Foto: Eva-Maria Bast

    Diese Rosette hat ausgedient! Einsam und vergessen hängt sie hoch oben an der Fassade, kaum jemand, der ab und an mal hinaufschaut. Und selbst wenn sie doch mal zufällig ein Blick streift, so schweift er genauso schnell wieder ab. Wer würde sich schon für eine alte Eisenrosette interessieren? Doch es gibt Menschen, die durchaus zu ihr hinaufblicken und wissen, dass hinter der Rosette eine spannende Geschichte steckt. Diese Menschen sind die Mitarbeiter der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), allen voran der Betreuer des Historischen Archivs und Betriebsmuseums, Jürgen Dornberger, der sagt: „Das ist eine alte Oberleitungshalterung. Wandanker wie diese, von eisernen Rosetten umkränzt, waren früher an vielen Stellen in der Stadt angebracht. An ihnen hingen die Leitungen, die die Straßenbahnen mit Strom versorgten.“

    Die ersten Straßenbahnen fuhren mit echten Pferdestärken

    Dornberger weiß auch, dass die Geschichte der Würzburger Straßenbahn sogar noch älter ist als diese Rosette und dass sie einst zwar ganz ohne Strom, dafür aber mit echten PS funktionierte: „Sie beginnt mit der Pferdebahn, die im Jahr 1892 eingeführt wurde“, macht der Archivbetreuer deutlich. Erste Überlegungen dazu hatte es schon ab 1875 gegeben – doch die liefen ins Leere. In seinem Standardwerk „Die Würzburger Straßenbahn“ schreibt Thomas Naumann: „Die 1875 den städtischen Kollegien unterbreiteten Anträge, eine ‚Pferdestraßenbahn‘ einzurichten, wurden mit zweifacher Begründung abgelehnt. Zum einen sei eine ‚nicht zu verantwortende Gefährdung der Passanten‘ zu befürchten, wobei auf die beengten Straßenverhältnisse verwiesen wurde, und zum anderen wurde lakonisch beschieden, es bestehe ‚kein Bedürfniß‘.“

    Es mussten erst noch zwölf Jahre vergehen, bis man der Straßenbahnidee in Würzburg aufgeschlossener begegnete: 1887 sammelte der „Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs“ Unterschriften für eine Pferdebahn, und diesmal zeigten die Herren des Magistrats sich offener: Im „Dreikaiserjahr“ 1888 wurde ein „Trambahnvertrag“ unterzeichnet. 

    Die erste Strecke wurde nicht in der geforderten Zeit fertig

    Dieser erste Versuch scheiterte allerdings daran, dass der zuständige Ingenieur es nicht schaffte, die geforderten zwei Jahre für den Streckenbau einzuhalten. Doch am 3. August 1891 begann die Erfolgsgeschichte: Die „Würzburger Straßenbahn, Havestad, Contag & Cie.“ wurde gegründet. Ab 30. April 1892 fuhr die Straßenbahn im Vollbetrieb und „Polizeisoldaten“ agierten als „Streckenwärter“. Bürgermeister Dr. h.c. Johann Georg Ritter von Steidle sagte bei der Eröffnungsfeier: „Der nördliche Teil, der Bahnhof, ist mit dem südlichen Teil, der Sanderau, verbunden.“ 1893 wurde eine weitere Strecke gebaut, die vom Dom zum Friedhof führte. 

    Straßenbahnrosette am Ursulinenkloster.
    Straßenbahnrosette am Ursulinenkloster. Foto: Eva-Maria Bast

    Zum Glück für die Tiere wurde die Pferdebahn 1899 von der elektrischen Straßenbahn abgelöst. Naumann schreibt: „Die ‚Elektrizitätsgesellschaft vorm. Schuckert & Cie.‘ stieg nunmehr in das Geschäft ein und am 10.7.1899 wurde die ‚Würzburger Straßenbahn AG.‘ auf der Grundlage eines Vertrages, der schon im März 1899 abgefaßt worden war, gegründet.“ Es folgten umfassende Umbaumaßnahmen an den Schienen – aber auch die Vorrichtungen für die Oberleitungen waren jetzt erforderlich.

    Deshalb wurden entlang der Gleisstrecke große mit Rosetten verzierte Haken angebracht. Und diese Rosetten sind eben heute noch zu sehen – zum Beispiel in der Kaiserstraße am Café Kiess oder auch am Barbarossaplatz am Würzburger Hof. Die erste elektrische Linie war 2,42 Kilometer lang und führte vom Hauptbahnhof über die Kaiser- und die Theaterstraße zum Residenzplatz und über den Platz’schen Garten bis zur Sanderglacisstraße. 

    Im Ersten Weltkrieg wurden Frauen bei der Straßenbahn angestellt

    Im Jahr 1908 gab es dann vier Linien, die durch die Farben Blau, Rot und Weiß gekennzeichnet waren, die blaue Linie verkehrte auf zwei Strecken. Dann kam der Erste Weltkrieg und damit sowohl Personal- als auch Kohlemangel. Den Personalmangel allerdings wusste man besser zu überbrücken: Frauen wurden eingestellt, die aber direkt nach Kriegsende wieder gehen mussten. Schließlich sollten sie den „ruhmreichen Kriegsteilnehmern“ nicht die Arbeit wegnehmen.

    Auch nach dem Krieg waren die Zeiten hart: „Der Wagenfuhrpark wurde lediglich repariert oder instandgehalten, aber neue Fahrzeuge kamen nicht hinzu“, schildert Dornberger den Mangel, „das war schon eine ziemliche Durststrecke.“ Zumal durch die Inflation neue Probleme entstanden: Viele Würzburger konnten sich den Fahrschein schlicht nicht mehr leisten. Die Kohle wurde immer knapper, und schließlich musste der Straßenbahnverkehr am 8. April 1920 eingestellt werden.

    Doch im Juni 1924 gründete sich die „Neue Würzburger Straßenbahn GmbH“, an der die Stadt 60 Prozent hielt. Nachdem es hier vier Jahre lang keine Straßenbahn gegeben hatte, rollten ab September wieder Wägen durch Würzburg. Dass der Zweite Weltkrieg Einschränkungen für die Straßenbahn mit sich brachte, versteht sich von selbst. Wieder gab es Personal- und Materialmangel, doch das größte Problem waren die Zerstörungen durch Bombenangriffe. „Viele Fahrzeuge und fast das ganze Gleisnetz wurden zerstört“, berichtet der Archivbetreuer. „Dennoch fuhr die Straßenbahn auf der kurzen Strecke Löwenbrücke- Heidingsfeld bereits ab Juni 1945 wieder.“ 

    „In den 60er Jahren gab es den starken Wunsch nach einer autogerechten Stadt, die Straßenbahn wurde als störendes Element gesehen."

    Jürgen Dornberger, WVV-Archivar

    „Die Würzburger ließen sich nicht unterkriegen und ebenso, wie sie ihre Stadt aus den Trümmern wiederauferstehen ließen, bauten sie auch ihre Straßenbahn wieder auf, sodass zwei bis drei Jahre später wieder alle Gleisstrecken in Betrieb genommen werden konnten“, sagt Dornberger. Es waren goldene Zeiten für die Würzburger Straßenbahn – doch dann machte das Auto ihr bald Konkurrenz. „In den 60er- Jahren gab es den starken Wunsch nach einer autogerechten Stadt“, macht Jürgen Dornberger die neue Lage deutlich. „Die Straßenbahn wurde als störendes Element gesehen. Das hätte beinahe dazu geführt, dass sie, wie in vielen anderen Städten, ganz abgeschafft worden wäre.“

    Beim Bau des Stadtteils Heuchelhof wurde eine Straba-Trasse freigehalten

    Doch Würzburg hatte eine Persönlichkeit, die andere Städte nicht hatten. Einen Menschen, der sich über die Maßen für den Erhalt der Straßenbahn einsetzte: Dr. Franz Gerstner, Geschäftsführer der Würzburger Straßenbahn GmbH und gleichzeitig Bezirkstagspräsident. „Er hat sich dafür stark gemacht, dass die Straßenbahn bleibt“, sagt Dornberger. „Und er hat mit dafür gesorgt, dass beim Bau des neuen Stadtteils Heuchelhof eine Trasse für die Straßenbahn freigehalten wurde. Die Straßenbahnlinie 5 wurde dann 1989 in Betrieb genommen.“

    Allein, die Streckenverläufe änderten sich, genauso wie die Ansprüche an die Zuglasten der Oberleitungen, die statische Nachweise erforderten. Heute können die Oberleitungen deshalb nicht mehr an den historischen Rosetten befestigt werden. Und deshalb hat auch die Rosette am Würzburger Hof ausgedient.

    Text: Eva-Maria Bast

    Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand und soeben erschienen ist. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden