Was Marc Mellin und seine Schwester Sara auf dem Fahrrad so alles anstellen können, sieht kinderleicht aus. Aber es verlangt monatelanges Training, teilweise sogar jahrelanges. Beide sind Kunstradfahrer und starten für die TG Solidarität Höchberg von 1862. Hier finden die beiden Wadlbüttelbrunner Kinder ideale Trainingsbedingungen.
Marc ist in seiner jeweiligen Altersklasse schon mehrfacher bayerischer Meister, seine jüngere Schwester eifert ihm nach und ist ebenfalls bayerische Spitze. Für die Neunjährige ist hier noch Schluss, ihr zwölfjähriger Bruder darf schon bei deutschen Meisterschaften starten. Meist ist er dort in der nächsthöheren Altersklasse am Start und schlägt sich sehr achtbar. Marc fährt nicht nur im Einzel, sondern zusammen mit seiner Partnerin Sarah Paulini wurde er Vierter bei den deutschen Meisterschaften im Zweier.

Die Faszination am Kunstradfahren liegt an der Verbindung von Geschwindigkeit, Akrobatik und Präzision. Ein Kunstfahrfahrrad unterscheidet sich von einem normalen Straßenrad zuallererst durch die kürzere Bauart und den breit ausgeformten Sattel. Außerdem ist der Lenker speziell geformt. Bremsen oder Lichtanlagen vermisst man bei einem Kunstfahrfahrrad ebenfalls, und die Übersetzung der Kette ist bei 1 : 1. Es kommt also genau die Kraft am Hinterrad an, die man mit den Pedalen vorgibt.
Eine ideale Verbindung von Körperbeherrschung und Eleganz
"Neben dem Kettenantrieb gibt es noch den Riemenantrieb", beschreibt Marc Mellin sein Sportgerät. Hier soll die Kraftübertragung noch präziser sein. In Kürze darf er auch ein solches Rad für Training und Wettkampf nutzen. Keine kleine Investition für den kleinen Höchberger Verein, der seit vielen Jahren Spitzensport bietet. Die Randsportart Kunstradfahren ist zwar nicht so bekannt, wie Fußball oder Handball, doch gerade für Kinder und Jugendliche stellt diese Sportart eine ideale Verbindung von Körperbeherrschung und Eleganz dar.

Auf einem rollenden Fahrrad hochpräzise Übungen zu fahren verlangt dem Kunstradfahrer viel ab. "Man sitzt eigentlich die wenigste Zeit im Sattel, meist steht man auf ihm oder auf dem Lenker", beschreibt Sara Mellin ihre Sportart. Und dabei fährt man eben nicht geradeaus, sondern Kurven und Achter oder Schlangenlinien. Dies alles erschwert die Übungen.
Teilweise fährt man auf einem Rad, während das andere in der Luft steht oder man sitzt auf dem Lenker, schaut vorwärts, fährt aber rückwärts. Dies alles sind Übungen, die Marc und seine Schwester fast täglich üben. Drei- bis viermal in der Woche sind sie in der TG-Halle beim Training, vor Wettkämpfen kann es auch mehr sein.
Der Sport scheint beiden Kraft zu geben für die Bewältigung des Alltags
Beiden macht die Konzentration auf den Sport nichts aus, neben dem Kunstradfahren spielt Marc beispielsweise noch Fußball und Sara singt an der Domchorschule in Würzburg. Das erfordert natürlich eine gewisse Planung des Tages und viel Einsatz von den Eltern, die ihre Kinder nach Kräften unterstützen. "Früher", so berichtet Vater Holger Mellin, "sind wir immer zu Pfingsten in Urlaub gefahren. Jetzt sind in diesen Ferien immer Meisterschaften." Also wurde der Familienurlaub verlegt, damit die Kinder dort starten können.
Man hat nicht das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt. Ganz im Gegenteil, der Sport scheint beiden Kraft zu geben für die Bewältigung des Alltags. Im Gespräch sind beide sehr konzentriert und beschreiben begeistert, wie sie im Training eine Übung aufbauen oder neue Elemente lernen. Immer dabei sind erfahrene Trainer wie Rebecca und ihre Schwester Veronica Stamm und natürlich Höchbergs "Mister Kunstrad" Werner Götz. Der ist zwar offiziell zurückgetreten von seinen Ämtern, aber wenn man ihn braucht, steht er mit seinen über 80 Jahren beim Training parat, um wertvolle Tipps zu geben. Das hilft Sara und Marc meist weiter und war auch der Grund, warum sie nach ihren Anfängen im Kunstradfahren in Waldbüttelbrunn nach Höchberg gewechselt sind. Dort liegt der Schwerpunkt auf dem Einradfahren, das war Marc und Sara zu wenig.
Sport verbindet eben über alle Grenzen hinweg
Wie verbindend der Sport sein kann, zeigt ein Erlebnis, das die beiden beim Turnier der Jugend in Worms erlebten. Starter aus 17 Nationen nahmen daran teil, darunter auch Starter aus Hongkong. Zufällig startete mit Man Ta Ny und Man Yi Ny auch ein Geschwisterpaar bei dem Turnier und man freundete sich an. Jetzt steht man in dauerndem Kontakt über das Internet und Briefe trotz Sprachbarrieren. Sport verbindet eben über alle Grenzen hinweg. Und wenn die Entwicklung des Geschwisterpaares so weiter geht, wird man noch viel Positives von ihnen hören und lesen.


