Ohne Kirchen, sagt die 58-jährige Würzburgerin, würde ihr etwas fehlen. Kirchen hätten so etwas Erhabenes: „Außerdem kann man hier zur Ruhe und in Kontakt mit dem Transzendenten kommen, was auch immer das für jeden einzelnen ist.“ Nach der Arbeit machte sich die Frau am Montag deshalb auf den Weg zur 11. „Nacht der offenen Kirchen“.
Sie landete im Neumünster, wo sie mit einer besonderen Art des Gebets in Kontakt kam: Priester Vladimir Bayanov zelebrierte eine orthodoxe Vesper. „Das war richtig mystisch“, meinte die Besucherin, die allerdings, wie mehrere andere Gäste auch, nicht bis zum Ende blieb. Orthodoxe Vespern zeichnen sich durch vielfache Wiederholungen aus. Das wird als angenehm beruhigend oder als monoton empfunden.
„Wenn ich noch Stühle hätte, würde ich ja welche holen!“
Die meisten Besucher der „Nacht der offenen Kirchen“ erwarteten offenbar mehr „Action“. Während das Neumünster nur zu etwa zwei Drittel gefüllt war, gab es in der Augustinerkirche einen Andrang, mit dem die Brüder niemals gerechnet hätten.
„Wenn ich noch Stühle hätte, würde ich ja welche holen!“, meinte Bruder Lukas zu einer Besucherin, die es nicht glauben konnte, dass sie während des gesamten ökumenischen Eröffnungsgottesdienstes stehen sollte. Dabei war sie doch rechtzeitig gekommen. Allerdings nicht rechtzeitig genug. Schon eine halbe Stunde vor Beginn waren fast alle Plätze an den 25 mit Rotweinkaraffen, Wasserflaschen und Brot bestückten Tischen besetzt.
Bei den Gläubigen kommt dies sehr gut an.
Diese Art, Gottesdienst zu feiern, hat bei den Augustinern Tradition. „An jedem ersten Fastensonntag gibt es bei uns ein ökumenisches Agape-Mahl“, erläuterte Bruder Lukas. Bei den Gläubigen kommt dies sehr gut an.
„Warum soll man in einer Kirche auch nicht essen, trinken und feiern dürfen?“, meinte Johannes Windmeisser, der mit seiner Frau so rechtzeitig gekommen war, dass er einen Platz am Tisch ergattern konnte. Für den Organisten aus Kirchheim macht es die Augustinerkirche ganz richtig: „Sie geht mit den modernen Menschen mit.“
Die Augustinerkirche hat eine Menge Fans.
Die Augustinerkirche, zeigte sich, hat eine Menge Fans. Dazu gehört auch das Ehepaar Seebach. Das gesamte Konzept der Kirche gefalle ihm, sagt Klaus Seebach: „Vor allem auch, dass hier Konzerte angeboten werden, die sich alle Menschen leisten können.“ Hiltrud Seebach findet die von den Augustinern gelebte Ökumene gut: „Wir wissen, dass es immer noch Pfarrer gibt, die nichts vom ökumenischen Miteinander halten.“
Beide könnten sich ein Leben ohne Kirche nicht vorstellen. Kirchen, sagen sie, seien Ort, wo man mit seinen Sorgen hingehen und wo man Halt finden könne.
„Wir gehen höchstens mal abends zu Nachbarn.“
Das Ehepaar Falgner nimmt normalerweise nicht an Abendveranstaltungen teil. „Das geht nicht, denn unsere Tochter Luisa ist geistig behindert“, sagt Corinna Falgner. Auch wenn Luisa schon 23 Jahre alt ist, wollen die beiden die junge Frau nicht alleine lassen. „Wir gehen höchstens mal abends zu Nachbarn, ansonsten ist unser Radius stark eingeschränkt“, sagt Peter Falgner. Was beide aber gut wegstecken. Denn sie lieben Luisa. Sie war denn auch der Grund, warum die Falgners an der „Nacht der offenen Kirchen“ teilnahmen: Luisa spielte mit dem Ensemble der Theaterwerkstatt Eisingen im Dom das Stück „Bruder Sonne Schwester Mond“.
Zweimal gab es während der „Nacht der offenen Kirchen“ Theater. Während Luisa Falgner mit ihren Eisinger Ensemblekollegen zeigte, was ihnen zum Sonnengesang des Franz von Assisi alles eingefallen ist, präsentierten „Die Überlebenden“ in St. Johannis Szenen zu den Themen „Flucht“ und „Asyl“. Das Stück begann bereits vor dem offiziellen Start um 20 Uhr.
„Welche Sprache sprechen Sie denn da?“
Am Eingang der Johanniskirche begrüßte Ramin Sorosh jeden Besucher wortreich auf Farsi. Das erzeugte ratlose Gesichter. Oft auch Lachen: „Sagen sie, welche Sprache sprechen Sie denn da?“ Genauso, wollten „Die Überlebenden“ zeigen, ergeht es Geflüchteten in den ersten Wochen in Deutschland. Während die Besucher der Johanniskirche jedoch nach wenigen Sekunden checkten, dass es sich um ein Spiel handelt, ist die Sprach- und Verständnislosigkeit für Flüchtlinge mit allen ihren Konsequenzen blutiger Ernst.
„Ich habe mich wirklich schlecht gefühlt, als ich vor zwei Jahren nach Deutschland kam“, sagt Sorosh, ein afghanischer Journalist, der unter anderem deshalb fliehen musste, weil er zu kritische Berichte schrieb. Das veränderte Format der „Nacht der offenen Kirchen“ kam unterschiedlich gut an. Begrüßt wurde, dass zwischen den ökumenischen Gottesdiensten und dem bunten Programm ab 20 Uhr genug Zeit blieb, um den Ort zu wechseln. „Doch dann musste man sich für eine Sache entscheiden“, kritisierte eine betagte Mesnerin. Dabei hätte sie Mehreres interessiert.