Die Anfänge von Ochsenfurt als Stadt liegen im Dunkel der Geschichte. Von Vorteil war sicherlich die Lage am Main, der im Mittelalter als Verkehrsweg eine bedeutende Rolle spielte. Hierher führten wichtige Straßen, hier konnte der Strom mittels einer Furt überquert werden. Bereits im 13. Jahrhundert erwähnen die Urkunden eine hölzerne Mainbrücke. 1512 wurde sie in Stein ausgeführt.
Die nächste Steinbrücke flussabwärts stand in Würzburg und war 1133 von Enzelin, dem Dombaumeister, errichtet worden. Der Ort selbst zählte zum Tafelgut des Würzburger Bischofs, des Landesherrn, der Ochsenfurt 1295 an das Domkapitel abtrat. Das Kapitel baute die neue Stadt in jahrzehntelangem Kampf gegen ihren geistlichen Herrn zu "unsers cappitels sloz", mithin zu Festung, zur Großburg aus.
Die turmreiche Mauer kennzeichnet die Stadt
Fraglich ist, wann und von wem Ochsenfurt das Stadtrecht, eben das Recht zur Ummauerung, zu Wochen- und Jahrmarkt, zu persönlicher Freiheit, zur Aufnahme freier Bürger und zur Selbstverwaltung erhielt. Im Jahr 1285 ist der Ort urkundlich noch nicht als oppidum, urbs oder civitas, d. h. als Stadt genannt. 1295 indes wird er in der Ganzhornchronik als solche bezeichnet. Eine Umwallung ist 1313 erwähnt. Die heute noch beeindruckende, turmreiche Mauer stammt teilweise aus dem 16. Jahrhundert.
Ein Indiz kann das beeindruckende mittelalterliche Stadtsiegel von Ochsenfurt bieten. Mit einer Größe von 5,8 cm Durchmesser ist es größer als das vergleichbarer Städte. Die Bürgerschaft bringt hier zum Ausdruck, dass sie selbst Urkunden, Verträge etc. besiegelt, sie somit als rechts- und handlungsfähige Person zu betrachten ist. Damit tritt sie ein in die Reihe der siegelführenden Herren, wie Herzog, Bischof oder sonstiger Adel.
Das Stadtsiegel war auch ein Statussymbol
Die Größe des für jeden schriftlichen Rechtsakt nötige Beglaubigungsmittels ist nicht zuletzt Ausdruck eines gesteigerten Selbstverständnisses der Bürgerschaft. Jede neue Stadt ist bestrebt, ihren Status durch die Anschaffung eines Stadtsiegels und dessen sinnträchtiger Gestaltung zu demonstrieren. Siegel sind häufig älter als Wappen. Erhält ein Ort Stadtrecht, wird er sich früh, d. h. im selben Jahr oder in den ersten Jahren nach der Erhebung ein Stadtsiegel, d.h. einen Siegelstempel, auch Typar genannt, zulegen.

Der Siegelstempel wird von einem Goldschmied gefertigt. Als Bildmotive wählen Städte örtliche Wahrzeichen oder markante Bauwerke. Gelingt eine meisterhafte Umsetzung, wirkt der Stempelabdruck in Wachs plastisch und ausgewogen. Dies ist auch beim Ochsenfurter Siegel der Fall.
Die Furt im Main wurde Bestandteil des Stadtnamens
Im Ochsenfurter Stadtsiegel sehen wir ein Stadttor sowie eine umlaufende Stadtmauer mit Zinnen und Türmen. Aus dem Tor tritt ein Ochse, also ein für Landwirtschaft, Handel und Verkehr wichtiges Tier. Er wurde ja nicht nur vor Pflug und Karren gespannt, sondern war zudem auch Fleischlieferant. Mehrfach berichten die Urkunden zur Deckung des Fleischbedarfs von riesigen Tiertrieben – Stiere und Ochsen – aus Ungarn über Donau und Main bis nach Frankfurt. Vor dem Brückenbau konnte hier der Main über eine Furt gequert werden: daher der Stadtname. Dieses Motiv prägte dann auch das Siegelbild.
Da Ochsenfurt dem Bischof von Würzburg als Landesherrn unterstand, dürfte das Siegel nicht ohne dessen Wissen und Willen angefertigt worden sein. Allerdings vermied die neue Stadt im Siegelfeld dessen Wappen, das Rennfähnlein. Die Stadtrechtsverleihung und damit auch die Anfertigung eines ersten Stadtsiegels kann für das Ende des 13. Jahrhunderts, wohl zwischen 1285 und 1295, angenommen werden.
Text: Ulrich Wagner
In loser Folge veröffentlicht die Redaktion Beiträge zur Ochsenfurter Stadtgeschichte. Der Autor, Ulrich Wagner, ist ehemaliger Leiter des Stadtarchivs Würzburg.