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WÜRZBURG: Was macht eigentlich der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit“?

WÜRZBURG

Was macht eigentlich der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit“?

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    (huGO-ID: 37780263) Setzen sich kritisch mit der Sozialen Arbeit auseinander (von links): Tony Julien, Anna Weß und Valeriy Khomenko.
    (huGO-ID: 37780263) Setzen sich kritisch mit der Sozialen Arbeit auseinander (von links): Tony Julien, Anna Weß und Valeriy Khomenko. Foto: Foto: Pat Christ

    Wie viele Windeln stehen einem inkontinenten Menschen zu? Absurde Frage: Doch wohl so viel, wie er braucht! Denkt der Laie. Und er denkt falsch. Tony Julien, Würzburger Heilerziehungspfleger, hat dies jedenfalls schon anders erlebt: „Je nach Pflegegrad kann es sein, dass nur vier oder fünf Windeln am Tag zur Verfügung stehen.“ Auch er findet das absurd. Mehr noch: Solche Vorgaben verstoßen gegen die Menschenwürde, so das Mitglied des Würzburger „Arbeitskreises Kritische Soziale Arbeit“ (AKS).

    Deutschlandweit bilden sich seit Ende 2005 Arbeitskreise, in denen Studierende der Sozialen Arbeit, Lehrende und Praktiker über Probleme rund um die Sozialarbeit diskutieren. Also zum Beispiel darüber, warum die Ungleichheit in unserer Gesellschaft zunimmt. Was Sozialarbeiter dagegen tun können. Aber, wichtiger noch, inwieweit sie womöglich selbst dazu beitragen, dass Menschen in ihren prekären Lebenslagen verharren und es nicht allmählich doch wieder zu mehr Gleichheit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft kommt.

    Politisches Mandat

    Dass sich Sozialarbeiter mit solchen kritischen Fragen beschäftigen, ist nicht selbstverständlich, sagt Masterstudentin Anna Weß, der es zu verdanken ist, dass es seit kurzem auch in Würzburg einen AKS gibt. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sind meist vollauf damit beschäftigt, ihren Aufgaben am jeweiligen Arbeitsplatz nachzukommen. Etwa in der Drogenberatung, in einem Behindertenheim, in einer Einrichtung für wohnungslose Menschen oder in einer Beratungsstelle für Klienten in suizidalen Krisen. „Doch wir haben auch ein politisches Mandat“, betont die 25-Jährige. Eben das sei in den letzten Jahren immer mehr in Vergessenheit geraten.

    Wie sich Sozialarbeit ganz konkret gestaltet, bekommen Studierende schon früh mit. Im fünften Semester verlassen sie die Hörsäle und Seminarräume, um irgendwo in einer Einrichtung der Region für ein halbes Jahr in die praktische Arbeit hineinzuschnuppern. Anna Weß tat dies in der Psychiatrie. Bald ging ihr auf, dass es Sozialarbeiter dort oft alles andere als leicht haben. Sie arbeiten mit Berufsgruppen zusammen, die in der ungeschriebenen Hierarchie weit höher stehen: „Psychologen zum Beispiel oder Ärzte.“

    Patienten müssen teilweise lange warten, bis sie auf Toilette gehen können

    Wie setzt man sich in solchen Teams als Sozialarbeiterin durch?, fragte sich die junge Frau während ihres Praktikums. Zum Beispiel, wenn ein Patient entlassen werden soll, der nach Einschätzung der Sozialarbeiterin noch gar nicht fähig ist, gut zu Hause klarzukommen. Doch die Ärzte befürworten die Entlassung. „Es wäre gut, nach dem Studium eine Anlaufstelle zu haben, wo man solche konflikthaften Fragen besprechen kann“, sagt Weß. Ein solches Forum soll der AKS werden.

    AKS-Mitglied Olivia Sprengel befindet sich just im Praxissemester. Auch sie sammelt Erfahrungen in der Psychiatrie. Dabei sieht sie, dass keineswegs alles rund und zum Wohle der Erkrankten läuft. „Es kann vorkommen, dass ein fixierter Patient, der klingelt, weil er auf Toilette muss, länger warten muss, bis endlich jemand kommt und ihn zur Toilette begleitet“, sagt sie. Das dürfte nach ihrer Meinung nicht vorkommen.

    Weiter bekam sie mit, welcher Druck auf junge Flüchtlinge ausgeübt wird, um ihre Bleibeperspektive zu erhören: „Sie sollen unbedingt ihren Schulabschluss schaffen.“ Natürlich sei dieser Gedanke an sich sinnvoll. Doch den jungen Flüchtlingen, die oft traumatisiert sind, werde man dadurch nicht gerecht.

    Keine Hilfe durch das Jobcenter bekommen

    Wie schnell Beraterinnen und Berater ihre Klienten aus dem Bick verlieren, hat AKS-Mitglied Valeriy Khomenko am eigenen Leib erlebt. Nach dem Abitur wusste er nicht genau, was er machen wollte. Er wandte sich ans Jobcenter mit der Hoffnung, dort Orientierungshilfe zu bekommen. Doch seine Beraterin habe nur versucht, ihn irgendwo unterzubringen.

    „Ich landete für drei Monate bei einer Zeitarbeitsfirma, was mir für meine berufliche Suche überhaupt nichts gebrach hat“, so der junge Mann, der gerade sein neuntes Bachelorsemester absolviert. Als sich Valeriy Khomenko entschied, Sozialarbeiter zu werden, nahm er sich fest vor, später einmal nicht einfach über die Anliegen seiner Klienten hinwegzugehen. „Ich möchte niemanden irgendwo hineinpressen, wo er gar nicht hingehört“, unterstreicht er.

    Bei der Menschenrechtswoche an der FH, die am Montag eröffnet wird, stellen sich die AKS-Mitglieder erstmals öffentlich vor. Gleichzeitig hoffen sie, dass sie damit Sozialarbeiter aus Würzburg motivieren können, sich dem Arbeitskreis anzuschließen. Derzeit ist Tony Julien der einzige Praktiker unter den acht Mitgliedern.

    Wer den AKS kennen lernen möchte, kann am Donnerstag, 14. Dezember, um 18.30 Uhr ins Café Klug kommen. Ab Januar trifft sich der AKS an jedem 1. Donnerstag im Monat um 18.30 Uhr im Café Klug.

    Kontakt: aks.wuerzburg@posteo.de.

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