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GIEBELSTADT: Was vom Menschen übrig bleibt

GIEBELSTADT

Was vom Menschen übrig bleibt

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    Ort des Abschieds: Betriebsleiter Johannes Chwalik steht an der so genannten Einfahrmaschine, über die der Sarg in den Ofen gleitet. Bis hierher können Angehörige ihren Verstorbenen begleiten.
    Ort des Abschieds: Betriebsleiter Johannes Chwalik steht an der so genannten Einfahrmaschine, über die der Sarg in den Ofen gleitet. Bis hierher können Angehörige ihren Verstorbenen begleiten. Foto: Fotos: THOMAS OBERMEIER

    Gerne können Sie uns werktags von 8 bis 18 Uhr besuchen“ – Feuerbestattungen Giebelstadt, das erste und einzige private Krematorium in Unterfranken, gibt sich auf seiner Internetseite offen und einladend. Ein Fall für unsere Serie „Hinter verschlossenen Türen“ ist die weitläufige Anlage am äußersten Ende des Flugplatzes Giebelstadt dennoch.

    „Normalerweise bekomme ich keine Anfragen für Besuche oder Führungen“, sagt Betriebsleiter Johannes Chwalik. „Das Thema Tod macht den Leuten Angst.“

    Schwarzer Anzug, weißes Hemd, frisch polierte Schuhe, fester Händedruck: Der 27-Jährige, der die Tür zum Krematorium öffnet, entspricht auf den ersten Blick voll und ganz dem Bild eines Menschen, der täglich mit Trauernden umgeht. Vom Tod dagegen ist im lichtdurchfluteten Vorraum des Hauptgebäudes nichts zu spüren.

    „Bei uns ist alles hell, nichts dunkel“, betont Chwalik, während er die „Cafeteria“ zeigt – einen Raum mit schlichten Tischen und Stühlen, in dem Trauergäste und Bestatter empfangen werden und auf die Einäscherung warten können. In der Ecke steht ein Keyboard, es wirkt in der Stille und Abgeschiedenheit des Krematoriums wie ein Fremdkörper.

    Im Abschiedsraum mit Kunstblumen und überdimensionalen Kerzenständern gegenüber der Cafeteria wird der Sarg aufgebahrt, an dem die Angehörigen Abschied nehmen können. Danach steht es ihnen frei, ob sie den Verstorbenen weiter begleiten möchten.

    Im Herzstück des Krematoriums, der Halle mit dem Ofen, ist es warm, die Atmosphäre aber kühl und steril: Die Wand ist weiß gefliest, der Boden dunkelgrau. An einer Wand sind Urnen ausgestellt: vom Exemplar mit „Leuchtturm am Strand“-Postkarten-Motiv über die schlichte Holzurne bis hin zur extravaganten Variante mit Glitzersteinen.

    Große Palmen, ein Kunstrosenstrauß und Bilder in knalligen Farben sollen dem Raum etwas Wärme einhauchen – doch das will nicht ganz gelingen. Der Ofen selbst wirkt wie ein überdimensionierter Kamin. Tatsächlich handelt es sich um ein sehr großes Exemplar, „auch für XXXL-Särge, in die Personen bis zu 250 Kilogramm passen“, so Chwalik.

    30 000 Tonnen Schamottstein sorgen dafür, dass die Temperatur im Inneren stabil bleibt. Der Preis für einen solchen Ofen liegt zwischen 700 000 und einer Million Euro.

    Auf einer langen Schiene, der so genannten Einfahrmaschine, gleitet der Sarg in den Ofen. Bis hierher können die Angehörigen ihren Verstorbenen begleiten, dann schließt sich die Ofentür.

    Während dieser letzten Minuten zieht sich Chwalik ans Schaltpult für die Einfahrmaschine zurück. „In der Halle spreche ich nicht“, sagt der 27-Jährige. „Ich will den Leuten ihre Ruhe lassen.“ Viele legen dem Verstorbenen Fotos, ein Kissen oder eine Decke in den Sarg oder lassen ihm vom Bestatter die Lieblingskleider anziehen, erklärt Chwalik. Manche hätten auch ausgefallene Wünsche für Sarg-Beigaben – wie einen Golfschläger, ein Gewehr oder eine volle Whiskey-Flasche. „Das mussten wir vor der Einäscherung natürlich alles rausnehmen.“

    An die Halle grenzt die Schaltzentrale des Krematoriums. Hinter einer Glasscheibe, mit Blick auf den Ofen, kontrolliert Chwalik am PC jede Verbrennung. Dabei hat er die gesamte Anlage samt Ausstoß von Kohlendioxid, Sauerstoff, Rohgas und Feingas im Blick. Etwa acht Feuerbestattungen führt der Betriebsleiter, der seine Tätigkeit als „schöne Arbeit“ sieht, mit Hilfe eines Angestellten und eines Azubis pro Tag durch; 2400 waren es seit Inbetriebnahme des Krematoriums im September 2013 insgesamt.

    Chwalik, der schon als 14-Jähriger seinen Vater zu dessen Arbeit in einem Krematorium begleitete („damit ich nach der Schule auf keine dummen Ideen kam“), erfüllte sich und seinem Vater, dem Geschäftsführer des Unternehmens, damit einen Traum. „Unser Ziel war immer, ein eigenes Krematorium zu haben.“

    Wenn die Angehörigen an der Stahltür des Ofens endgültig von ihrem Verstorbenen Abschied genommen haben, startet der Einäscherungsvorgang. Drei bis fünf Kilo Asche, das ist es, was nach zweieinhalb bis drei Stunden von einem Menschen übrig bleibt. Für das, was hinter verschlossener Ofentür vor sich geht, gibt es gesetzliche Vorgaben – so zum Beispiel zur Mindesttemperatur von 850 Grad, mit der der Brennvorgang startet.

    Nach einer Stunde ist die Haupteinäscherung abgeschlossen. Die Asche fällt in die Hauptbrennkammer, die Knochen auf eine Drehplatte darunter. Unter dieser Drehplatte befindet sich die so genannte Mineralisierung, in der die sterblichen Überreste nachverbrannt werden.

    Chwalik führt weiter in die Tiefen seines Krematoriums: Von der Halle mit dem Ofen aus öffnet sich eine Tür zu einem Raum, der mit seiner großen Filteranlage einer Fabrikhalle ähnelt.

    Eine Treppe führt in den Keller, wo die heruntergekühlte Asche aus dem Aschekasten zu einem Sortiertisch gebracht wird. Dort sortieren Chwalik und seine Mitarbeiter mit Hilfe eines Magneten die Metallteile – etwa vom Sarg – aus. Die Kremation unbeschadet überstanden hat auch der feuerfeste Schamottstein, in den die Einäscherungsnummer des Verstorbenen eingestanzt ist. Der Stein wird bereits zu Beginn der Einäscherung auf den Sarg gelegt und begleitet den Prozess bis zum Ende. So wird sichergestellt, dass sich die Asche verschiedener Verstorbener nicht vermischt und der Einzelne identifizierbar bleibt.

    Die sterblichen Überreste kommen in eine Aschemühle, wo sie gemahlen und in eine Aschekapsel abgefüllt werden. Dieser wird der Schamottstein beigefügt. „Unsere Urnen sind aus Stärke, alles bio“, sagt Chwalik, während er demonstriert, wie die Aschekapsel normalerweise verschlossen und mit der Einäscherungsnummer versehen würde.

    Der Behälter wird so fest verschlossen, dass er nur gewaltsam geöffnet werden könnte. „Das ist für uns auch eine Sicherheit“, erklärt Chwalik. „So kann uns niemand unterstellen, dass wir statt Asche Sand in eine Urne füllen würden.“

    Dass man als Betreiber eines Krematoriums mit Vorurteilen und Gerüchten konfrontiert wird, gehört für Chwalik zum Alltag. Ein häufiges Thema ist Zahngold. „Wir bereichern uns nicht am Zahngold Verstorbener“, betont Chwalik, der nach eigenen Angaben auch seine Mitarbeiter streng kontrolliert. Alle Metalle und Fremdstoffe, die nach einer Kremation übrig bleiben, werden in einer Tonne gesammelt und von einer Firma abgeholt, die die Stoffe sortiert und verwertet.

    Der Betrag, der nach Abzug der Dienstleistungskosten übrig bleibt, wird von der Firma an das Krematorium zurücküberwiesen – und von Chwalik an eine Sterbehilfenbegleitung sowie an „Ärzte ohne Grenzen“ gespendet. Etwa 1000 Euro seien 2015 auf diese Weise zusammengekommen.

    Weitverbreitet sei auch die Angst vor Luftverschmutzung durch ein Krematorium. „Die Luft, die aus dem Schornstein kommt, ist von den Messwerten her eine bessere, als die, die wir normalerweise draußen einatmen“, wiederholt Chwalik während des Rundgangs mehrfach. Das Rauchgas, das bei der Verbrennung entsteht, durchläuft diverse Filter, ehe es über den Schornstein in die Luft gelangt. Den Filterstoff Sorbalith sammeln Chwalik und seine Mitarbeiter in Blechtonnen, die ebenfalls ein Entsorgungsunternehmen abholt.

    Die Arbeit eines Kremationstechnikers ist komplex: Vom Umgang mit Trauernden über die Bedienung des Ofens bis hin zur Akquise von Bestattern, als deren Dienstleister sich der gelernte Bürokaufmann Chwalik sieht. „Wir bieten eine Rund-um-die-Uhr-Anlieferung der Verstobenen – und die fertige Urne innerhalb von 24 Stunden. Früher musste man darauf bis zu drei Wochen warten.“ Bis zur Einäscherung werden die Särge im Kühlraum gelagert, der bis zu 100 Toten Platz bietet.

    Der 27-Jährige sieht in einer Feuerbestattung „das bestmögliche Ende“: Verbrannt zu werden, sei noch immer die umweltfreundlichste Variante, aus der Welt zu scheiden. Im Laufe eines Lebens sammle sich im Körper ein Gemisch an Giftstoffen, das bei einer Bestattung im Sarg ins Grundwasser übergehe.

    Ein Urnenplatz sei außerdem auch auf Lebzeiten bezahlbar; darüberhinaus erlaube eine Urnenbestattung Individualität. „Ich kann die Urne im Friedwald begraben lassen oder im Unterwasser-Friedhof an einem Korallenriff.“ Und wer sich einen wirklich spektakulären Abgang wünscht, kann das Verstreuen seiner Asche mit einem Feuerwerk verbinden.

    Normalität gebe es in seinem Beruf nicht – „das darf es für einen angemessenen Umgang mit den Toten auch nicht“ sagt Chwalik entschieden.

    Zukunftspläne hat der ehrgeizige 27-Jährige einige: „In der Halle ist Platz für einen zweiten Ofen; außerdem soll in ein bis zwei Jahren hier auf dem Gelände auch der Leichenschmaus stattfinden können.“ Und: Vor dem Haupthaus ist ein Kolumbarium in Planung – eine lange Mauer mit reihenweise übereinander angebrachten Nischen, in denen Urnen aufbewahrt werden können.

    Sich den ganzen Tag mit dem Tod beschäftigen, wie verkraftet man das? „Nach der Arbeit muss man abschalten können“, so Chwalik. „Sonst geht man kaputt.“ Und wie möchte ein Kremationstechniker einmal selbst bestattet werden? „Ich will nie sterben, das ist mein Ziel“, sagt Chwalik und lacht.

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