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Riedenheim: Was Zeitkapseln über Riedenheim erzählen

Riedenheim

Was Zeitkapseln über Riedenheim erzählen

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    Zeugen der Vergangenheit: In der Turmkugel des Riedenheimer Kirche haben Bürgermeister  Edwin Fries (links) und Peter Geßner unter anderem eine Ausgabe des Volksblatts aus dem Jahr 1969 gefunden. 
    Zeugen der Vergangenheit: In der Turmkugel des Riedenheimer Kirche haben Bürgermeister  Edwin Fries (links) und Peter Geßner unter anderem eine Ausgabe des Volksblatts aus dem Jahr 1969 gefunden.  Foto: Hannelore Grimm

    Der Riedenheimer Kirchturm wird saniert. Dafür musste auch die vergoldete Turmkugel abgenommen werden. Ihr Inhalt, zwei sogenannte Zeitkapseln, führen zurück in die Vergangenheit der Gaugemeinde. 

    Zwei kupferne Kartuschen kamen beim Öffnen der großen Kugel zum Vorschein, erklären Bürgermeister Edwin Fries und Peter Geßner von der Kirchenverwaltung. Die Geschichte, die die darin enthaltenen Fundstücke erzählen, beginnt im Jahr 1890. Bald werden sie wieder für Jahrzehnte in der Turmkugel verschwinden. Kopien der unersetzlichen Unterlage mit den zugehörigen Erläuterungen sind in einer Ausstellung in der Riedenheimer Kirche zu sehen. 

    Deutsche Schrift übersetzt

    Das Schriftstück, das der damaligen Ortsgeistliche Johann Pechmann im Jahr 1890 dem Versteck hoch über den Dächern von Riedenheim anvertraut hat, ist in deutscher Schrift verfasst. Der besseren Lesbarkeit halber, hat es Michael Kolmstetter für die Ausstellung übersetzt. Auch die Turmkugel ist in der Ausstellung zu sehen, und die Figur des Kirchenpatrons Laurentius, die sich nach der Renovierung wieder auf der Spitze des 33 Meter hohen Kirchturms drehen wird. 

    Am 14. März 1890 wurde die Kugel auf den Turm der im Jahr 1839 errichteten Kirche gesetzt, schreibt Pfarrer Pechmann. Wie er weiter schreibt, wurde drei Jahre zuvor die schadhaft gewordene Helmstange angeschäftet und "diese Kugel mit einem von Schmiedmeister Sebastian Kernwein dahier gefertigten Kreuze nebst vergoldeten Laurentiusbilde daselbst aufgerichtet". 

    Sturmschäden am Kirchendach

    Helmstange oder Kaiserstiel nennen Zimmerleute die Spitze des Turmgebälks, das meistens aus besonders widerstandsfähigem Eichenholz ausgeführt wird. Durch die heftigen Stürme der vorangegangenen Monate war die größere Reparatur notwendig geworden. 

    Neben den Namen der beteiligten Handwerker und den „Gemeindebevollmächtigten“ mit Bürgermeister Michael Breunig an der Spitze erwähnt der Geistliche auch Lehrer Friedrich Willhelm Bayer, der als Nachfolger seines Vaters Georg Josef Bayer seit 1885 in Riedenheim wirkte.

    Vor seiner abschließenden Bitte „Gott schütze und segne Riedenheim und seine Bewohner für und für" hielt der Geistliche die Getreidepreise fest: Danach kosteten 1890 jeweils ein Zentner Weizen 11 Mark, Korn 10 Mark, Gerste 10 Mark und Hafer 8 Mark.

    Dachsanierung nach 80 Jahren

    Nahezu 80 Jahre später im Oktober 1969 wurde von der Heidingsfelder Firma Niedermaier die Bedachung des Kirchturms gründlich erneuert. Über diese Maßnahme, bei der die Kugel wieder geöffnet wurde, berichtete der spätere Bürgermeister Edgar Roth und vertraute seine Aufzeichnungen ebenfalls einer Zeitkapsel an.

    Die alte Bretterverschalung und die Schieferplatten wurden entfernt und durch neue ersetzt, das Turmkreuz entrostet und neu gespitzt. Die, nach Roths Worten, von vielen Einschüssen durchlöcherte Kugel wurde renoviert und mit dem Bildnis des Heiligen Laurentius neu vergoldet. Die Kosten für die gesamten Arbeiten beliefen sich auf rund 14 000 DM und wurden von der Gemeinde gezahlt. 

    Eingerüstet zeigt sich der Riedenheimer Kirchenturm, der derzeit umfassend renoviert wird.
    Eingerüstet zeigt sich der Riedenheimer Kirchenturm, der derzeit umfassend renoviert wird. Foto: Hannelore Grimm

    Wie Edgar Roth schreibt, hatte Riedenheim zur Zeit mit seinen beiden Weilern Lenzenbrunn und Oberhausen 650 Einwohner. Und weiter: "Der derzeitige Pfarrer ist der 62-jährige Leo Kuchenbrod. I. Bürgermeister ist Andreas Korbmann Hs. Nr. 103 und II. Bürgermeister Alois Spenkuch Hs. Nr. 77. Schulleiterin ist Fräulein Hauplehrerin Renate Duda und Kirchenpfleger Josef Engelbreit."

    Den Schlusssatz in seinem Dokument formulierte Edgar Roth so: „Der allmächtige Gott hat unser Dorf in den vergangenen 2 Weltkriegen vor größerem Unglück verschont. Er möge uns alle auch in Zukunft behüten.“

    Bericht zur politischen Lage

    Dachdeckermeister Karl Niedermaier, der seinen schriftlichen Beitrag mit den Worten „Gott segne unser ehrsames Handwerk“ abschloss,  schilderte auf zwei Seiten die an dem Turm ausgeführten Arbeiten und ging auf die Geschichte des durch zwei Weltkriege geprägten Landes und die politische Lage ein. So heißt es dort: „Zur Zeit ist erstmalig seit 1945 die SPD mit der FDP bemüht, eine neue Regierung zu bilden. Viele Bürger sind gespannt, was diese Regierung in den nächsten vier Jahren bringen wird. Hoffen wir also das Beste.“

    Neben den Schriftstücken kam in den Zeitkapseln auch Münzgeld zum Vorschein, sowie je eine Ausgabe des Volksblatts und des katholischen Sonntagsblatts. Tatsächlich weist die Turmkugel zwei Einschusslöcher auf, den heilige Laurentius verunzieren einige Dellen. Bevor Kugel und Figur wieder auf der Kirchturmspitze angebracht werden, werden auch  die beiden Zeitkapseln wieder befüllt und fest verschlossen. In einem der Behälter werden dann die jetzigen Fundstücke verstaut, der andere wird mit neuen Schriftstücken und Münzen befüllt, um in ferner Zukunft von der heutigen Zeit zu erzählen.

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