
Eltern werden gegenüber Lehrkräften immer fordernder. Immer öfter meinen Eltern, eine Art Recht darauf zu haben, dass ihr Kind eine gewisse Note, die Versetzung in die nächste Klasse oder den Übertritt ins Gymnasium schafft. Sie versuchen dann, die Note, die Versetzung oder den Übertritt zu erkämpfen. So schildert es der Leiter des Würzburger Schulamts, Erwin Pfeuffer.
"Ab dem dritten Schuljahr werden Lehrer ins Visier genommen, wenn die Eltern Noten für ungerechtfertigt halten", klagt Pfeuffer, der seit zwölf Jahren das Schulamt leitet. Es passiere immer häufiger, dass Eltern wegen der Bewertung einer Probe mit dem Lehrer argumentierten. Immer öfter seien neben der Schulleitung auch das Schulamt in den Konflikt involviert und müsse Stellung nehmen. Gerade wenn es in der vierten Klasse um den Übertritt auf weiterführende Schulengehe, werde mit harten Bandagen gekämpft.
Schulamt: Immer öfter Kampf um Übertrittszeugnisse
Für den Übertritt ins Gymnasium ist in Bayern ein Notenschnitt von 2,33 nötig. Für die Realschule brauchen Viertklässler einen Schnitt von 2,66. Anfang Mai werden die Übertrittszeugnisse ausgegeben; die Frage, ob der erforderliche Schnitt für die erwünschte Schulart erreicht wird, stresst Pfeuffers Erfahrung nicht nur die Eltern. Gerade habe er einer Lehrprobe beigewohnt, erzählt Pfeuffer; Kinder hätten in dieser Stunde das schriftliche Argumentieren lernen sollen. Erste Frage eines Viertklässlers: "Wird das benotet?" Für sein Dafürhalten, sagt Pfeuffer, gäben Eltern den Druck, den sie wegen des Übertritts selbst empfinden, zu stark an die Kinder weiter.
Aber haben denn Eltern nicht ein legitimes Interesse an den Noten ihrer Kinder? Haben sie nicht manchmal auch Recht, wenn sie Bewertungen anzweifeln? "Gewiss", sagt Pfeuffer und berichtet von einer Mutter, die ihm geschrieben hat, dass ihre Tochter das Abi geschafft hat - neun Jahre, nachdem eine Lehrkraft dem Kind die Gymnasialreife abgesprochen hatte. Grundsätzlich aber sei es ein Problem, dass Eltern nur im häuslichen Umfeld sehen könnten, was ihr Kind leiste und naturgemäß den Vergleich mit den Klassenkameraden nicht hätten.
Elternvertreter: Erwartungshaltung von Eltern hat sich in Zeiten von Mails und Internet geändert
Wie stehen Eltern zu Pfeuffers Aussagen? Er glaube nicht, dass sich an den Erwartungen der Eltern in den letzten Jahren etwas Grundlegendes geändert habe, sagt Helmut Celina, stellvertretender Vorsitzende der bayerischen Landeselternvereinigung. "Eltern wünschen sich von den Schulen die bestmögliche Ausbildung ihrer Kinder." Allerdings kann sich Celina vorstellen, dass sich die Art und Weise geändert hat, wie sich diese "Erwartungshaltung praktisch äußert". Das könne mit der Erwartung von permanenter Erreichbarkeit zu tun haben. Celina nennt als Beispiel Eltern, die an einem Sonntag über das Online-Elternportal den Lehrer ihres Kindes mit einer Anfrage kontaktieren und am Sonntagabend nachfragen, warum noch keine Antwort da ist.
BLLV leistet sich mehr Juristen als früher, um Lehrer anwaltlich zu unterstützen

Die Haltung von Eltern gegenüber Lehrern habe sich den vergangenen Jahren sehr gedreht, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Hätten Eltern Lehrer "damals vor zwanzig Jahren" noch mehrheitlich als Respektspersonen wahrgenommen, sei vielen Eltern der Respekt abhanden gekommen und durch Zweifel ersetzt worden. "Was hat sich denn diese Lehrkraft gegenüber meinem Kind herausgenommen?", sei eine unter Eltern immer verbreitete Haltung.
Die Aussage des Würzburger Schulamtsleiters, derzufolge Eltern immer häufiger gegen Lehrer um die Noten ihrer Kinder kämpften, kann Fleischmann insofern belegen, als ihr Verband - wie alle Lehrerverbände -Lehrern im Konfliktfall anwaltliche Unterstützung zusichert. "Wir leisten uns deutlich mehr Volljuristen als noch vor zehn Jahren, um die Lehrer in diesen Konflikten zu unterstützen", sagt sie.