Natürlich, knusprig, aromatisch – so lieben die Franzosen ihr Baguette. In Frankreich hat es Kultstatus. 33.000 Bäckereien in unserem Nachbarland verkaufen täglich zwölf Millionen der Weißbrote, die wie ein dicker, langer Stab aussehen. 250 Gramm muss es schwer sein und 40 Zentimeter lang. Die Franzosen halten sogar regelmäßig Baguette-Wettbewerbe ab; der Gewinner darf ein Jahr lang den Präsidentenpalast in Paris beliefern. Nur vier Zutaten machen ein richtiges Baguette aus: Mehl, Wasser, Hefe und Salz. Seit Ende November ist das Kult-Brot von der Unesco als immatrielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.
Uli Düster aus Obernbreit ist oft im Urlaub in Frankreich und zuhause ein begeisterter Brotbäcker. Betritt man seine Abstellkammer, schlägt einem ein leicht säuerlicher Geruch entgegen. Lüftet man dann ein feuchtes Tuch über einer Schüssel, wird es einem klar: Hier steht ein Sauerteig, unabdingbarer Bestandteil des Baguettes. Von Anfang an verwendet Düster beim Backen seiner Baguettes schon wenig Hefe und lässt dem Teig viel Zeit zum Gehen, wie die Franzosen.
Dem Geheimnis des Wohlgeschmacks auf der Spur

Die Ergebnisse lassen sich durchaus sehen, schmecken gut, kommen aber dem Original nicht nahe. Die Grobporigkeit fehlt, der typische Geschmack. Erst kürzlich gelingt der Durchbruch: Das Baguette braucht einen Vorteig: einen Poolish oder Biga, der säuert, den Teig besonders gut aufgehen lässt und im fertigen Brot für die großen Poren sorgt. Die lange Fermentationszeit zwischen 24 und 48 Stunden, ein lange, kalte Führung, wie man sagt, ist das Geheimnis für den Wohlgeschmack. Jetzt erst schmeckt das Brot von Uli Düster so, wie es sein soll. "Ganz so wie im Urlaub in Frankreich wird es dennoch nicht werden", meint er lachend, "dafür fehlen gewisse Zutaten und der richtige Ofen."
"Da fällt die Marmelade durch."
Bäckerei-Kunden über das grobporige Baguette.
Das originale Weizenmehl T 65 aus französischem Hartweizen ist in Deutschland nur zu horrenden Preisen zu haben, das Wasser ist anders und selbst das Klima spielt eine Rolle, so haben es ihm erfahrene Bäckermeister verraten. Mehle verhalten sich je nach Erntejahr des Getreides unterschiedlich. Auch ist der heimische Backofen nicht mit den professionellen Öfen in den Bäckereien zu vergleichen, in die seitlich aus Düsen schwadenweise der Dampf eingesprüht werden kann. Was für den Bäckermeister beim Brotbacken eine alltägliche Technik ist, haben Hobbybäcker zu Hause eher selten, als Ersatz wird eine Schüssel mit Wasser in den Ofen gestellt: Mit den Dampfschwaden bekommt das Brot mehr Feuchtigkeit und zugleich eine leckere Kruste.
Deutsche sehen das französische Baguette eher skeptisch

Auch die deutschen Bäckermeister backen nur selten richtige Baguettes. Der Grund liegt nach Christian Geitz von der Bäckerei Pröschel in Obernbreit darin, dass die Deutschen sie gar nicht so gerne mögen würden. Die großen Poren seien der Grund hierfür. "Da fällt die Marmelade durch", meinen die Kunden von Geitz. Die meisten von ihnen bevorzugen das etwas festere Stangenweißbrot, aus dem man auch gut Schnittchen schneiden kann. "Man kann ein Baguette nach dem Buch machen, aber man muss es ja auch verkaufen", sagt Geitz.

Dem Teig für seine rustikale Baguettes fügt er etwas alten Teig bei, lässt ihn über Nacht bei 4 ° C reifen. Steht der Teig länger als vier Stunden, werden die langkettigen Zuckerverbindungen abgebaut, was sehr zur Bekömmlichkeit des Brotes beiträgt und besser für die Verdauung ist. Kurz vor dem Einschießen in den Ofen werden die typischen drei Querschnitte mit der Rasierklinge gemacht. Das Ergebnis ist ein "rustikales Baguette", von Hand geformt.

Eine Nachfrage beim Obermeister der Bäckerinnung Kitzingen, Tilo Brönner aus Iphofen, ergibt ebenfalls, dass das "fränkische Baguette" dem französischen Original nicht ganz entspreche. "Der Deutsche will einen guten Biss. Außen rösch ist gut, aber innen soll es gut geport und saftig sein", weiß er aus Erfahrung. Bei ihm stehen Vorteig und Hauptteig ganze zwei Nächte bei 7 ° C in der Kühlung; so entwickele das Brot seinen Geschmack.
Wie aus dem Baguette ein "liebliches" Brot wird

Sebastian Düll hat vor einem Jahr in Würzburg in der Theaterstraße seine Brotbäckerei eröffnet und bäckt seine Brote mit Ruhe und Zeit zum Reifen. "Ein richtig gutes Baguette zu backen, ist schon eine Kunst", steht auf dem Baguette-Kärtchen, das in seinem Laden ausliegt und über das Brot informiert. Er nimmt dafür einen italienischen Vorteig hinzu, den Biga. Dieser gibt dem Brot eine schwach säuerliche, nussige Note, verleiht ihm eine bessere Qualität und erhält die Nährstoffe des Mehls.
Auch bei Düll wird jedes Baguette von Hand geformt, mit den typischen Spitzen am Ende, die besonders kross sind. Dem Teig setzt er eine winzige Menge Rübenkraut (Zuckerrübensirup) bei, was eine luftige Krume und einen leicht süßlichen, lieblichen Geschmack ergibt, deshalb heißt dieses Brot bei ihm das "Liebliche".

Übrigens: Im Französischen ist das Baguette weiblich, "la baguette", und bedeutet übersetzt "der Stab". Im Deutschen hat sich aber, von "das Brot" abgeleitet, "das Baguette" eingebürgert. Aber egal ob die oder das Baguette – Hauptsache, es schmeckt.