Schläge einer Axt durchdringen den Ergersheimer Wald. Feine Ohren vernehmen ein zarteres Hämmern dazwischen, bis das Fallen eines Baumes alles übertönt. Hier sind allerdings nicht Forstarbeiter bei der Arbeit, sondern Wissenschaftler und Archäotechniker.
Was aber treibt die gut 20 Männer und Frauen an, bei Kälte und Sprühregen ein Wochenende im Wald zwischen Ergersheim und Oberntief zu verbringen? Das Stichwort lautet: experimentelle Archäologie. In diesem Jahr sind es schon die zehnten Ergersheimer Experimente zu neolithischen Fäll- und Holzbearbeitungstechniken. Doch längst geht es nicht mehr nur um die frühe Steinzeit, auch die Römer spielen bei den Forschungen im Wald eine Rolle.

Eine bestimmte Anzahl vorher festgelegter Bäume darf dank der Erlaubnis der Waldrechtler in diesem Jahr gefällt werden. Wobei das Baumfällen mittlerweile das geringste Problem für die Wissenschaftler darstellt. Eine kleinere Eiche schaffen sie mit Steinbeilen in gut einer Stunde. Da schmunzelt Rüdiger Schwarz vom Saalburgmuseum nur. Mit seiner römischen Eisenaxt-Replik, er hat in diesem Jahr einen keilförmigen Axttyp ausgewählt, braucht er 20 Minuten reine Fällzeit für seine Eiche. Allerdings dokumentiert er die Schlagspuren genau mit der Kamera.
Antike römische Hobelbank
Nach dem Fällen längt er den Stamm in der gewünschten Größe mit wuchtigen Axtschlägen ab. Am Ende benötigt er eine Stammgröße von 2,60 Meter. Mit Keilen wird er den Stamm noch teilen. Erst auf der Saalburg, wenn das Holz etwas getrocknet ist, will er eine antike römische Hobelbank nachbauen. So interpretiert er aktuell einen Fund aufgrund eines viereckigen Loches und diverser Aussparungen.
Genau darum geht bei den Experimenten. Die Wissenschaftler wollen wissen, mit welchen Werkzeugen die Menschen früher gearbeitet haben und wie es ihnen gelungen ist, bestimmte Formen zu schaffen.

Das ist auch das Ansinnen von Peter Walter vom Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am Bodensee. Die Dechsel liegt bei ihm gut in der Hand. Span für Span fliegt aus dem Baumstamm und immer deutlicher tritt die Nut hervor. Es soll der Schwellbalken einer Hauskonstruktion werden, in dem dann Spaltbretter gesteckt werden können.
Da greift auch Kreisheimatpfleger Martin Nadler zur Dechsel. "Wenn man flach reinhaut, ist das am Effektivsten", lautet seine Erkenntnis. Im Gegensatz zum Beil mit senkrechter Klinge liegt die bei der Dechsel quer. Ausprobiert wird in diesem Jahr auch eine Klinge mit Hohlschliff, die schwieriger herzustellen ist, aber für die Nut vielleicht das richtige Werkzeug ist. Verastungen werden mit dem Meißel beseitigt.
Vorbild sind Funde aus Tschechien
Daneben setzt ein Team Arbeiten aus dem Jahr 2019 fort und vertieft Versuche zum Brunnenkastenbau mit Schlitzpfosten. Bernhard Muigg (Freiburg) will nach den Brettern im Jahr 2019 nun die genuteten Seitenpfähle eines Brunnens nachbauen – 6,5 Zentimeter beträgt die Tiefe der Nut. Vorbild sind die bandkeramischen Funde aus Tschechien der Jahre 2016 und 2019, datiert auf 5242 vor Christus. "Wir wollen dem Original näherkommen", hofft er. Auch Knochenwerkzeuge will er dazu ausprobieren.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne – oder anders ausgedrückt, Klingen oder Schäfte gehen auch manchmal zu Bruch. Für Jan Scheide (Göttingen) kein Problem. Auf einer kleinen Werkbank repariert er Dechsel oder schärft Klingen nach. Nach der neuen Schäftung fügt er die Klinge ein und wickelt wieder sorgfältig eine gewachste Schnur aus Bast darum zur Befestigung.
Während die anderen Kolleginnen und Kollegen mit ihren Dechseln über dem Baumstamm stehen, hat sich Elena Moos (Tübingen) eine angenehmere Arbeitsposition gesucht. Sie sitzt rittlings auf dem gefällten Stamm und arbeitet mit leichten Hammerschlägen mit dem Meißel aus Feuerstein ein Zapfenloch heraus.
Alte Hölzer werden in einen Jahresringekalender eingepasst
Unterbrochen werden das Hämmern und Klopfen gelegentlich vom Dröhnen einer Motorsäge. Die zerteilt zum einen in Minutenschnelle die Reste eines über den Weg gefallenen Baumes, damit dieser wieder befahren werden kann. Aber mit der Säge werden auch Stammscheiben geschnitten, für die sich der Dendrochronologe Oliver Nelle vom Landesamt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg interessiert. Er sammelt im Ergersheimer Wald Vergleichsproben. Alte Hölzer werden in einen Jahresringekalender eingepasst, um das Alter zu bestimmen. "Wir wissen aber nicht, unter welchen Bedingungen der Baum gewachsen ist", sagt Nelle. Zur Ergänzung einer dendrologischen Referenzsammlung beprobt er nun die in der Mittelwaldbewirtschaftung gewachsenen Bäume.
Jetzt werten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Ergersheimer Experimenten die gewonnenen Ergebnisse aus. Im nächsten Jahr werden dann wieder die Dechsel und die Steinbeile geschwungen.
Ergersheimer ExperimenteDie Ergersheimer Experimente sind eine Reihe archäologischer Experimente zu Baumfäll- und Holzbearbeitungstechniken mit rekonstruierten neolithischen Werkzeugen, die seit 2011 regelmäßig jährlich stattfinden.Sie werden ehrenamtlich von Wissenschaftlern und Studenten verschiedener Universitäten, Denkmalämter, Museen und Institutionen, sowie von Archäotechnikern und interessierten Laien aus den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert und großzügig von der Gemeinde Ergersheim sowie bislang vom Archäologischen Verein Ergersheim und Umgebung unterstützt. Dieser hat sich kürzlich mangels eines Vorsitzenden aufgelöst.Nächstes Jahr wird es aber dennoch die 11. Ergersheimer Experimente geben.Weitere Informationen und Ergebnisse: www.ergersheimer-experimente.deQuelle: gk/Forschungsgemeinschaft Ergersheimer-Experimente









