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WÜRZBURG: Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt

WÜRZBURG

Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt

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    Symbolbild Unerfüllter Kinderwunsch
    Symbolbild Unerfüllter Kinderwunsch Foto: Thinkstock

    „So langsam drehe ich komplett durch. Meine Gefühle spielen total verrückt. Jedes Mal wenn meine Periode einsetzt, bricht für mich eine kleine Welt zusammen. Dann trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag: Wir haben es wieder nicht geschafft! Aber auch vor einer Untersuchung habe ich große Angst. Was, wenn sich herausstellt, dass ich der Grund für unseren unerfüllten Kinderwunsch bin? Ich fühle mich schon jetzt wie eine Versagerin, was ist, wenn meine Vermutung Wirklichkeit wird?“

    Anonym teilt eine junge Frau diese Gedanken in einem Kinderwunsch-Forum im Internet. Sie ist Mitte 30 und seit einigen Jahren verheiratet. Zum perfekten Eheglück fehlt eigentlich nur noch ein Kind. Seit einem halben Jahr versuchen sie und ihr Mann schwanger zu werden. Doch bis jetzt will es einfach nicht klappen. Mit ihrem Problem fühlt sie sich in ihrer Umgebung ganz allein. In Familie und Freundeskreis ist das Thema tabu.

    So wie ihr, geht es vielen jungen Frauen in Deutschland. Bei etwa 15 Prozent aller Paare im gebärfähigen Alter bleibt der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind unerfüllt. Woran das liegt, zeigt meist erst eine medizinische Untersuchung. Doch der Weg dorthin ist lang.

    Früher Kinderwunsch

    Das weiß auch Michaela Pfeifer aus dem Landkreis Würzburg. Die 31-Jährige ist seit 11 Jahren mit ihrem Mann zusammen, fünf davon sind die beiden verheiratet. Schon als sie sich im Jahr 2006 kennenlernten, war schnell klar: Wir wollen Eltern werden.

    Mehrere Jahre vergingen, in denen das Paar vergeblich versuchte, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Auch der erste Besuch in einer Kinderwunschklinik im Jahr 2013 verlief enttäuschend. „Sie sind noch jung“, hieß es. Untersuchungen seien noch nicht nötig.

    Für Michaela Pfeifer ein Rückschlag. Ihren Kinderwunsch hegte sie schon damals sehr lange: „Seit ich 16 bin, wünsche ich mir ein Kind“, erinnert sie sich. Diese Vorgehensweise sei jedoch völlig normal, erklärt Roman Pavlik. Er ist Oberarzt im Kinderwunschzentrum des Universitätsklinikums Würzburg.

    Erst wenn ein Paar ein Jahr lang erfolglos versucht hat, schwanger zu werden, stehen in Deutschland bei beiden Partnern Untersuchungen an. Dabei komme es allerdings auch auf das Alter der Patienten an, sagt der Arzt: „Einer 25-Jährigen raten wir, es noch ein bis zwei Jahre so zu versuchen. Ist die Patientin 40, werden wir schneller aktiv.“

    Als Richtlinie nennt Pavlik Daten, die im Jahr 2006 in Deutschland erhoben wurden: „Nach sechs Monaten gezielten Versuchens, sollten 80 Prozent der Frauen schwanger werden. Von den restlichen 20 Prozent hat die Hälfte ein medizinisches Problem. In den übrigen 10 Prozent der Fälle, bleibt die Ursache ungeklärt.“

    Diagnose Unfruchtbarkeit

    Liegen die Ergebnisse der Untersuchungen vor, trifft ihr Schicksal viele Paare schwer. Auch für Michaela Pfeifer war die persönliche Diagnose hart: Unfruchtbarkeit. Als sie erfuhr, dass sie auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen kann, rückte ihr Traum vom eigenen Kind in weite Ferne.

    Doch so schnell wollte die junge Frau nicht aufgeben. 2015 entschied sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann für eine künstliche Befruchtung. Laut Befund kam für sie nur eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI, in Frage. Dabei handelt es sich um eine Befruchtung außerhalb des Körpers.

    Künstliche Befruchtung in Erlangen

    Die Behandlung ließ das Paar in einer Kinderwunschklinik in Erlangen durchführen. „Ich bin jeden zweiten Tag dorthin gefahren, habe Hormone und Medikamente genommen, bis nach zwei Wochen meine Eizellen entnommen werden konnten“, erzählt die 31-Jährige.

    Als zeitaufwendig und schmerzhaft hat Michaela Pfeifer den Eingriff in Erinnerung. Doch der Aufwand hatte sich scheinbar gelohnt, sie wurde schwanger – und verlor in der zehnten Schwangerschaftswoche ihr Kind.

    Nicht aufgegeben

    Seitdem hat die 31-Jährige drei weitere künstliche Befruchtungen hinter sich, alle ohne Erfolg. „Wir haben schon oft ans Aufgeben gedacht“, erinnert sich Pfeifer, denn der Kinderwunsch kann eine Beziehung schwer belasten. Streit und Stress erschweren die Bedingungen. Hinzu kommen Hormontherapien, die eine Gewichtzunahme und emotionale Ausbrüche verursachen können.

    Besonders schwer lastet jedoch der psychische Druck, den das Thema Unfruchtbarkeit mit sich bringt. „Ich habe schon oft an eine Trennung gedacht, damit mein Mann eine Frau finden kann, mit der er ein Kind bekommen kann“, erzählt Michaela Pfeifer mit Tränen in den Augen. Aber soweit ist es nicht gekommen, im Gegenteil, das Paar hält zusammen und möchte einen fünften Versuch starten.

    Eine finanzielle Frage

    Dafür fehlt jedoch gerade das Geld. Um die finanziellen Sorgen der Patienten weiß auch Roman Pavlik, denn eine künstliche Befruchtung liegt je nach angewandter Therapie zwischen 3000 und 9000 Euro.

    Unterstützung gibt es von den Krankenkassen. Doch die zahlen nur für die ersten drei Versuche und auch nur die Hälfte des jeweiligen Betrages. „Für die Patienten macht das im Schnitt einen Eigenanteil von 1500 Euro pro Therapie“, sagt Pavlik. Künstliche Befruchtungen mit Einfrier- und Auftauverfahren hingegen unterstützen die Krankenkassen nicht. Diese kosten zwischen 5000 und 6000 Euro.

    Michaela Pfeifer und ihr Mann haben bereits alle drei Versuche aufgebraucht, sie erhalten keine finanzielle Unterstützung mehr. Für den fünften Versuch bräuchte das Paar 8000 Euro. Ihre letzte Hoffnung ist eine Idee von Pfeifers Schwester Jessika. Seit Jahren unterstützt sie das Ehepaar. Regelmäßig reiste sie aus Köln an, um bei den Untersuchungen und Therapien dabei zu sein. Spontan hat sie Michaela Pfeifers Geschichte aufgeschrieben und online eine Spendenaktion gestartet.

    Kinderwunsch kommt immer später

    Mit ihren 31 Jahren ist Michaela Pfeifer eine der jüngeren Patientinnen. „Das Durchschnittsalter der Frauen, die unser Kinderwunschzentrum besuchen, liegt bei 37 Jahren“, sagt Pavlik. Deutschlandweit ist im Jahr 2016 von 35,2 Jahren in 2015 auf 35,5 Jahre gestiegen.

    Aufgrund von Ausbildung und Studium schöben viele Frauen den Kinderwunsch immer weiter nach hinten, dabei nehme die Fruchtbarkeit der Frau schon ab dem 20. Lebensjahr ab. Auch die Chance auf eine künstliche Befruchtung mit Erfolg sinke vor allem nach dem 35. Lebensjahr rapide. Der Oberarzt rät deshalb, schon eher über den Kinderwunsch nachzudenken.

    Aber auch die Fruchtbarkeit der Männer habe in den letzten Jahren abgenommen. Eine richtige Erklärung hat Pavlik dafür nicht. Die Mediziner vermuten jedoch, dass es mit dem Wandel der Gesellschaft und der Arbeitswelt zusammen hängt. „Man kann es zwar nicht genau sagen, aber Stressfaktoren spielen eine Rolle. Bei einer Frau können sie sogar zu Zyklusstörungen führen“, sagt Pavlik. Oft werde das Thema Stress zu stiefmütterlich behandelt.

    Mögliche Ursachen

    Weitere Ursachen für nicht eintretende Schwangerschaften gibt es viele. Bei Frauen sind es entweder anatomische Störungen, wie zum Beispiel im Prozess der Eireifung, dem Eitransport im Eileiter oder an der Gebärmutter. Die zweite Möglichkeit sind hormonelle Störungen, die den Zyklus beeinflussen. Bei Männern liegt oft eine unzureichende Samenzellbildung oder eine Blockade des Samenleiters vor.

    Nicht zu unterschätzen sei allerdings auch der Lebensstil, merkt die Bildungszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihrer Broschüre „Kinderwunsch“ an. Rauchen, starker Alkoholkonsum und Schlafmangel mindern die Fruchtbarkeit, genau wie extremer Leistungssport bei Frauen und ein Über- oder Untergewicht der Partner.

    Auch Medikamente und vorangegangene Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenunterfunktion bei Frauen oder Mumps-Erkrankungen bei Männern spielen auf dem Weg zur Schwangerschaft eine bedeutende Rolle.

    Niedrige Erfolgsrate

    254 698 Kinder wurden zwischen 1997 und 2015 in Deutschland dank einer künstlichen Befruchtung geboren. Im Jahr 2015 waren es alleine 20 949, 1000 Kinder mehr als noch im Jahr zuvor. Statistisch gesehen, sitzt in jeder Schulklasse demnach ein Kind, das sein Leben einer künstlichen Befruchtung verdankt.

    Auch im Jahr 2016 konnten viele Erfolge verzeichnet werden: 18 198 Schwangerschaften entstanden im Frischzyklus, 6636 Schwangerschaften im Auftauzyklus. Die Schwangerschaftsrate betrug bei einem Frisch-Embryonentransfer 32,3 Prozent, bei einem Auftauzyklus 27 Prozent. 73,2 Prozent der Schwangerschaften führten zur Geburt. Diese Daten verzeichnete das Deutsche IVF Register in seinem Jahrbuch 2016. 128 von 134 Kinderwunschzentren in Deutschland hatten hierfür ihre Zahlen geliefert.

    „Momentan liegt die Erfolgsrate zwischen 30 und 40 Prozent“, sagt Pavlik, „bei 60 bis 70 Prozent klappt es auch bei maximaler Behandlung nicht.“ Für die Paare können diese Prognosen sehr frustrierend und belastend sein. Eine Obergrenze für künstliche Befruchtungen gebe es allerdings nicht, sagt Roman Pavlik. „Manchmal klappt es dann beim 16. Mal“, erzählt er mit einem Lächeln auf den Lippen.

    Tests als kleine Helfer

    Bevor man sich allerdings von solchen Statistiken in Unruhe versetzen lasse, empfiehlt der Oberarzt den eigenen Körper aufmerksam zu beobachten. Dabei helfen zum Beispiel Ovulationstests. Aber auch das Messen der Temperatur und das Beobachten des Zervixschleims sind hilfreiche Methoden, um schwanger zu werden. „So lernen sich die Patientinnen selbst kennen und kriegen ein Gefühl für den eigenen Körper und seine Empfänglichkeit“, sagt Pavlik.

    Mit Freude ans Werk

    Neben Dingen, die man tunlichst vermeiden sollte, hat die BZgA eine Pro-Fruchtbarkeits-Liste zusammen gestellt. Wer gerade versucht schwanger zu werden, sollte sich ausgewogen ernähren und viel bewegen. Arbeitspausen und Entspannungsübungen können beim Stressabbau helfen. Aber vor allem sollten lustvoller Sex und die Genussfähigkeit und Freude am Leben im Vordergrund stehen.

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